Ein Zeuge will eine junge Angeklagte an ihrem Arbeitsplatz mit einem Mund-Nasen-Schutz gesehen haben, die Frau beteuert aber, nur FFP2-Masken zu tragen.

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Wien – Am 15. Dezember erhielt Jana B. den Bescheid des Magistrats, dass sie wegen ihrer Covid-19-Infektion unter häusliche Quarantäne gestellt ist. Die 19-Jährige hielt sich nicht daran – und muss sich deshalb wegen des Delikts "Vorsätzliche Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten" vor Richterin Daniela Zwangsleitner verantworten.

Die Anklage umfasst zwei Punkte: Einerseits soll die Unbescholtene von ihrem Wohnsitz in Wien-Döbling zu ihrer Lebensgefährtin in Wien-Landstraße gefahren sein. Und am 22. Dezember soll sie an ihrer damaligen Arbeitsstätte, einer großen Modekette, gewesen sein. B. bekennt sich nur im ersten Fall für schuldig, die Person auf dem Überwachungsvideo des Arbeitsplatzes will sie aber nicht sein.

"Ich wollte sie sehen"

"Ich habe es allein zu Hause nicht mehr ausgehalten und wollte sie sehen", beschreibt die Angeklagte ihre Sehnsucht nach der Partnerin. "Ich habe nicht nachgedacht", gibt sie auch zu. Allerdings, betont sie, sei sie eine Stunde lang zu Fuß entlang des Donaukanals gegangen und habe keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzt. "Ursprünglich haben Sie es aber überhaupt geleugnet und erst zugegeben, nachdem die Polizei Ihnen Ihre Handydaten vorgehalten hat", erinnert die Richterin. B. nickt.

Den Besuch am Arbeitsplatz bestreitet die 19-Jährige allerdings. Es müsse sich um eine Verwechslung handeln, ist sie überzeugt, beziehungsweise eine Intrige: B. vermutet dies, da der Arbeitsgeber wegen ihrer vielen gesundheitsbedingten Abwesenheiten lediglich einen Vorwand suchte, um sie entlassen zu können.

Überwachungsvideo widerspricht Erinnerung

Der erste Zeuge, einer der Portiere des Unternehmens, bestreitet das. Er ist sich sicher, B. damals gesehen zu haben. Er wollte die Toilette im nichtöffentlichen Bereich des Geschäftes aufsuchen, als ihm eine Frau entgegenkam und ihn grüßte. Allerdings: Er beschreibt, dass die Dame ihre Haare glatt nach hinten hatte und einen blauen oder grünen Mund-Nasen-Schutz trug. Auf dem Überwachungsvideo, das dank Zwangsleitners Rechtspraktikantin ohne Schwierigkeiten auf die Wand projiziert werden kann, ist aber zu erkennen, dass die Person eine FFP2-Maske trägt und ihre Frisur unter einer Haube nicht erkennbar ist.

B. stellt sich zum Vergleich neben die Projektion und weist auch darauf hin, dass die Frau im Video deutlich längere Haare als sie habe. Auch die zweite Zeugin, die B. am Ausgang einer routinemäßigen Taschenkontolle unterzogen haben will, hält es "theoretisch" für möglich, dass es gar nicht B. gewesen sei. Sie habe erst vom ersten Zeugen erfahren, dass es die Angeklagte gewesen sein soll. Im Unternehmen gebe es 300 Mitarbeiter, es gebe durchaus andere, die B. staturmäßig ähnlich sehen.

Keine Diversion möglich

Während der Staatsanwalt der ohne Verteidigerin erschienenen Angeklagten weder den Fußmarsch zur Freundin noch die Nichtanwesenheit am Arbeitsplatz glaubt, spricht die Richterin sie vom zweiten Anklagepunkt im Zweifel frei. Eine Diversion für den Besuch der Lebensgefährtin kommt für Zwangsleitner aus zwei Gründen nicht infrage: Die Generalprävention spreche dagegen, außerdem hat B. bereits einmal gemeinnützige Leistungen nach einem Diebstahl erbringen müssen. Daher entscheidet sich die Richterin nicht rechtskräftig für drei Monate bedingt. (Michael Möseneder, 27.2.2021)