(Ein warmer Februartag 2021. Auf einer Bank im Prater nebeneinander Künstler und Künstlerin. Sie blicken mit ernstem Gesicht nach vorn, wie auf ein vielköpfiges Publikum, und sprechen deutlich und gut hörbar.
Auf einer anderen Bank, ein Stück von ihnen entfernt, ein älterer Mann, eine Decke um die Schultern gelegt. Er hält eine Weinflasche, aus der er dann und wann einen Schluck macht.)

KÜNSTLERIN: Der erste Lockdown war furchtbar. Jetzt geht es mir echt gut. Ich habe ein Musiktheater geschrieben.

KÜNSTLER: Mir geht es an sich gut, ich verbringe viel Zeit allein in meinem Atelier. Aktuell arbeite ich an mehreren Projekten.

KÜNSTLERIN: Es geht mir gut, ich habe ein Dach über dem Kopf, ich lebe in Österreich.

KÜNSTLER: Es gibt keine Besuche, keine Dinners, keine Partys. Es ist herrlich, ich liebe es. Wir haben während des Lockdowns einige Ausstellungen mit Long-Distance-Instructions gemacht, zum Beispiel im Taipei Fine Arts Museum.

KÜNSTLERIN: Persönlich bin ich optimistisch und sehe, dass Nachhaltigkeit und Digitalisierung am Arbeitsmarkt gerade einen Boost erhalten. Ich habe 2020 das Kundalini-Yoga für mich entdeckt. Kreativ arbeite ich gerade an einem Lied.

KÜNSTLER: In St. Pölten arbeite ich derzeit an zwei Produktionen. Ich habe also trotz Lockdowns gut zu tun. Leider spiegelt sich das nicht in meinem Verdienst wider.

KÜNSTLERIN: Seit dem ersten Lockdown habe ich mehr mit Film als mit Theater gearbeitet. Gerade arbeiten wir an einer neuen Filmeinreichung. Außerdem habe ich eine Praxis als Psychotherapeutin eröffnet.

KÜNSTLER: Für mich hat der Lockdown Freiheiten geschaffen. Vor allem die Freiheit der Zeit. Ein Grammelschmalz, ein gutes Brot und Wein, das kann genügen.

KÜNSTLERIN: Derzeit verwirkliche ich zwei große Projekte im öffentlichen Raum. Ich bin im Studio, und der Alltag geht vergleichsweise normal weiter. Mir geht es so weit gut.

DER ÄLTERE MANN (räuspert sich hörbar, dann zu den beiden): Pardon, darf ich Sie etwas fragen?

KÜNSTLER: Bitte.

DER ÄLTERE MANN: Telefonieren Sie miteinander oder sind Sie wahnsinnig?

KÜNSTLERIN: Wahnsinnig.

DER ÄLTERE MANN: Ach so, dann nichts für ungut. Entschuldigen Sie die Störung.

KÜNSTLER: Keine Ursache.
(Vorhang)

Material: DER STANDARD-Serie "Was tun? – Künstler im Lockdown"

(Antonio Fian, 26.2.2021)