Bonnie Tyler ist 69, fühlt sich aber wie 40. Corona sitzt sie an der Algarve in Portugal aus: "Ich darf mich nicht beklagen."

Foto: Tina Korhonen

Bonnie Tyler ist die Königin des Espresso-Rock: Blonde Mähne, raue Stimme. Seit über 50 Jahren ist sie im Geschäft, ein Evergreen im Regionalradio, ein Weltstar aus Wales. Jetzt erschien ihr neues Album: "The Best Is Yet to Come." Berühmt wurde sie in den 1970ern mit Liedern wie "Lost in France" und "It’s a Heartache", in den 1980ern gelangen ihr mit "Total Eclipse of the Heart" und "Holding Out for a Hero" Welterfolge. Corona sitzt sie in Portugal aus, wo sie ein Haus am Meer besitzt. Ihr Nachbar ist Cliff Richard. Wenn der nicht da ist, passt sie auf seinen Weinkeller auf. Da lacht sie. Sie vermisst ihre Band und die gemeinsamen Konzerte.

STANDARD: Ihr neues Album heißt "The Best Is Yet to Come". Woher kommt Ihr Optimismus?

Tyler: Aus der Musik, mein Lieber. Sie hält mich jung. Und es geht mir ja gut, ich habe ein tolles Leben. An der Algarve im Lockdown zu sein – darüber darf man sich nicht wirklich beklagen. Endlich kann ich in meinem Pool schwimmen! Und kochen. Auch wenn ich da noch übe.

STANDARD: Sie stehen seit über 50 Jahren auf der Bühne, gibt es Entscheidungen, die Sie bedauern?

Tyler: Nicht wirklich. Man fragt mich oft, ob ich es bereue, den James-Bond-Song nicht gesungen zu haben, den man mir angeboten hat. Nein, sag ich dann, der war nicht gut. Ich würde den Bond-Song gerne singen – aber nur wenn er gut ist. Man muss ja dazu stehen können.

STANDARD: Ihre Karriere verlief eher wellenförmig. Hatten Sie einen Plan B, wenn es mit der Musik nicht mehr geklappt hätte?

Tyler: Nein, schon dass ich überhaupt eine Karriere hatte, war unglaublich. Ich wollte ja keine Platten aufnehmen, bloß in einer Band singen. Aber es ist natürlich toll, wenn man Hits hat. Wenn die ausbleiben, denkt man sich: Okay, ich hatte meine Hits, vielleicht ist es Zeit, zurück in den Gemüseladen zu gehen und um den alten Job zu fragen. Das wäre mir aber nicht passiert. Selbst wenn ich nach "Lost in France" nie wieder einen gehabt hätte, ich hätte weitergesungen. Aber das Schicksal hatte anderes mit mir vor.

STANDARD: Sie haben sehr jung den US-Markt geknackt. Wie war das?

Tyler: Unglaublich. "It’s a Heartache" war mein erster Hit in Amerika, und ich war in Los Angeles drei Abende lang als Vorgruppe für Tom Jones gebucht – nicht dass Tom mich gebraucht hätte. Ich und Paul McCartney haben damals die meisten Platten verkauft! Wenn ich in den USA in ein Taxi gestiegen bin, lief mein Song. Wenn der Fahrer den Sender gewechselt hat, weil er ihn nicht mehr hören konnte, lief er am nächsten Sender wieder. Mit "Total Eclipse" ist mir das noch einmal gelungen. Anerkennung in den USA zu bekommen ist wahrscheinlich der Traum jedes Musikers, und ich war dort drei Wochen lang Nummer eins. Aber ich bin sehr froh, in Europa so erfolgreich zu sein. Ich toure hier überall.

Bonnie Tyler

STANDARD: Sie waren ja sogar schon in der DDR ein Star.

Tyler: Ja, ich war damals bei Hansa unter Vertrag, einem deutschen Label. Und da gab es jemanden, der Gigs in Ostdeutschland organisierte. Und da sind wir hin. Meistens nur playback, aber das war dort besser als nichts. Wir wurden in DDR-Geld bezahlt. Das haben wir dann verteilt: an den Fahrer, die Übersetzer, alle, die geholfen haben. Es war seltsam. Wenn das Konzert zu Ende war, wurde höflich geklatscht, dann ist eine Reihe nach der anderen aufgestanden und gesittet rausgegangen. Wie in Nordkorea! Als die Mauer endlich weg war, haben sich meine Alben in Ostdeutschland enorm gut verkauft. Die Menschen waren dankbar dafür, dass ich für sie schon zuvor gesungen hatte.

STANDARD: Als Teenager waren Sie von Janis Joplin begeistert, aber der Sex-und-Drogen-und-Rock-’n’-Roll-Lebensstil war nicht Ihrer.

Tyler: Rock ’n’ Roll und Sex schon, aber beides geht besser ohne Drogen. Was ich tue, funktioniert damit gar nicht. Macht dich nur dröge oder gaukelt dir eine Genialität vor, die du nicht hast. Das Leben ist lebenswert. Darum ist mein neues Album so voller Freude, das brauchen die Leute jetzt am dringendsten.

Bonnie Tyler - Topic

STANDARD: Sie gelten als sehr normaler Star. Waren Sie je in Gefahr, das zu verlieren?

Tyler: Nie. Ich komme aus einer großen Familie, die hätte mir die Flausen ausgetrieben. Aber ich kenne Leute, denen der Erfolg zu Kopf gestiegen ist, doch die meisten Stars sind nette Menschen. Junge sind da eher gefährdet, die wollen cool sein, nicht ich. Ich verändere mich nicht. Hören Sie sich meinen Akzent an! Ich war überall auf der Welt und klinge immer noch, als wäre ich noch nie aus Wales rausgekommen.

STANDARD: Die raue Stimme ist Ihr Markenzeichen. Hat Ihnen das dabei geholfen, nicht nur als hübsche Sängerin wahrgenommen zu werden?

Tyler: Absolut. Eine eigene Stimme ist wichtig, dabei hatte ich zu Beginn gar keine starke Stimme. Gott, war ich schüchtern! Aber mit dem Erfolg verging das. Irgendwann glaubte ich schließlich daran, dass das alles doch kein Irrtum ist. Aber in "Lost in France" klinge ich noch wie ein kleines Mädchen.

STANDARD: Und Sie sahen aus wie Barbie in echt. Wurden Sie eigentlich als Sexsymbol wahrgenommen?

Tyler: Ich? Nie!

STANDARD: Schwer vorzustellen.

Tyler: Das ist sehr höflich von Ihnen, aber ich war ja viel zu schüchtern. Aber gut, ich hatte eine üppige Frisur, vielleicht hat das manchen schon gereicht. Mann, ich hatte so viel Haarspray in meiner Frisur, ich glaube, das mit dem Ozonloch, das war ich.

STANDARD: Haben Sie sich je gewundert, wie Ihre Haare die 1980er und 1990er überlebt haben?

Tyler: Schrecklich, oder? Aber so war die Mode damals. Aber immerhin habe ich meine Haare noch. Ich bin 69, fühle mich aber wie 40. Vielleicht hat der Haarspray mich so gut konserviert?

STANDARD: Ist es im Popgeschäft für Frauen einfacher geworden?

Tyler: Um ehrlich zu sein, ich hatte nie ein Problem als Frau. Vielleicht weil ich eine sehr laute Stimme habe. Aber ich fühlte mich nie in einem Wettkampf mit Männern. Außerdem bin ich der Boss. Ich bin Bonnie Tyler, und da hinten steht meine Band. So ist das, die Buben arbeiten für mich.

STANDARD: Haben Sie je gegen Ihren Instinkt gehandelt?

Tyler: In den 1990ern hat sich die Musik in Richtung Dance hin verändert. Damals habe ich mit Dieter Bohlen gearbeitet, und wir hatten großen Erfolg. Aber es war nicht wirklich das, wofür ich stand. Es war gut zu der Zeit, aber ich würde es nicht wieder tun.

STANDARD: Bohlen schreibt in seiner Autobiografie, dass Sie keine Lieder singen wollten, die "Devil" oder "Hell" beinhalten. Dabei gilt Meat Loafs "Bat out of Hell" als Ihr Lieblingsalbum. Wie passt das zusammen?

Tyler: Ja, das stimmt. Das mit Meat Loaf hab ich dem Dieter natürlich nicht gesagt. Er hat gelacht und gesagt: Komm schon Bonnie, es ist nur ein Lied. Aber ich blieb stur und sagte: Hör zu. Ich leg mich sicher nicht mit dem Teufel an. Er wollte mich dann mit Rotwein umstimmen, aber ich trinke nicht, wenn ich singe – wobei ... ein Schluck Jack Daniel’s schadet nicht, bevor es auf die Bühne geht.

STANDARD: Wie war das, als Cate Blanchett in dem Film "Bandits" in der Küche zu Ihrem Song "Holding Out for a Hero" ausflippt?

Nati Shali

Tyler: Oh, da hab ich eine Geschichte. Mein Mann und ich aßen in New York zu Abend. Irgendwann ging ich durchs Lokal, da sagt jemand: "Hey Bonnie, wir haben den ganzen Tag deinen Song gehört!" Ich bleib an dem Tisch stehen, ich sehe mir den an und denke mir: Himmel, wer ist der Typ? Keine Ahnung. Also habe höflich gegrüßt und bin weitergegangen. Plötzlich schießt es mir ein: Es war Bruce Willis! Natürlich habe ich mir den Film angeschaut. Eine tolle Szene, ich liebe sie!

STANDARD: Hat die Szene nicht auch Ihren Ruf als Hausfrauen-Idol einzementiert?

Tyler: Was? Wer sagt denn so etwas? Den bring ihn um! Außerdem: Nichts gegen Hausfrauen, ja? Ist das klar? Die wollen gute Musik hören, wenn sie arbeiten. Und ich fühle mich geehrt, wenn sie dabei mir zuhören. (Karl Fluch, 27.2.2021)