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Die Bundesregierung arbeitet bereits an einem digitalen "grünen Pass" für Genesene, Getestete und Geimpfte, der als Eintrittskarte für Lokale, Veranstaltungen und Dienstleistungen dienen soll. Die vom Gesundheitsministerium vorgelegten Pläne lösten allerdings heftigen Widerstand wegen Datenschutzbedenken aus. Allen voran lehnt die Stadt Wien die vorliegende technische Lösung ab. Auch die Neos üben Kritik. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) kündigte Gespräche an.

Gesellschaftliches Diskussion

"Wer mich kennt, weiß, dass ich auf Kritik und Fragen eingehe. Wir sehen uns das an und nehmen die Kritik ernst", sagte Anschober am Rande einer Pressekonferenz am Freitag. Die technische Umsetzung sei aber nur eine Frage, man müsse auch gesellschaftlich darüber diskutieren, wie man mit der Frage von Impfungen umgehe. Der grüne Pass sei erst dann ein Thema, "wenn wir bei einer breiten Durchimpfung von 50, 60 oder 70 Prozent sind, derzeit haben wir eine Impfrate von 4,5 Prozent". "Wenn wir eine breite Impfweite erreicht haben, müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir mit Menschen umgehen, die nicht geimpft sind", so Anschober.

Stündlich übertragen

Vorerst wird an der technischen Lösung gearbeitet, und die sorgt für Diskussionen, wie STANDARD und "Krone" am Freitag berichteten. Demnach sollen die Daten aus dem elektronischen Impfpass in der Gesundheitsakte Elga in das Epidemiologische Melderegister (EMS) des Gesundheitsministeriums und von dort ins Bundesrechenzentrum (BRZ), für das wiederum das Wirtschaftsministerium zuständig ist, kopiert werden. Dabei sollen die Daten über Corona-Impfungen aus Elga täglich in das Epidemiologische Melderegister des Bundes übermittelt werden, und von dort sollen diese Daten und die Daten über erfolgte Corona-Tests und überstandene Corona-Infektionen gar stündlich ins Bundesrechenzentrum übertragen werden. Beschlossen wurde dieses Vorgehen bereits diese Woche mittels Initiativantrags im Nationalrat.

In anderes System

Für Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) ist das "inakzeptabel". Während bei Elga für die Bürger nachvollziehbar sei, wer auf ihre Daten zugreife, sei dies im Falle des BRZ unklar. Ähnlich argumentiert Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker: "Die Regierung saugt die Daten aus dem sicheren System ab, kopiert sie und spielt sie in ein weniger sicheres System ein. Von Digitalisierung haben Kurz und Anschober keine Ahnung."

"Der Bund nimmt sich die Daten der Länder, ohne vorher mit uns zu reden", kritisiert Hacker in der "Krone". Schließlich seien Bund, Länder und Sozialversicherung gemeinsam für Elga zuständig. Zudem bemängelt er, dass damit die Transparenz verloren ginge. In der Elga könne jeder Zugriffe auf die eigene Gesundheitsakte nachvollziehen, das wäre, wie auch Loacker kritisiert, durch den türkis-grünen Eingriff nicht mehr der Fall. Kritik an den Koalitionsplänen kommt auch von der Elga GmbH selbst und den Sozialversicherungen. Hacker fordert deshalb eine Gesprächsrunde aus Bundesregierung, Ländern und Kassen, um das Ganze "neu aufzusetzen".

Nach Informationen der APA soll es schon am Freitag ein erstes Gespräch geben. Es sei eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die weitere technische Möglichkeiten ausloten soll. Bis Mitte März soll es eine Lösung geben. Am 14. März ist dem Vernehmen nach eine Sitzung des Aufsichtsrates bei Elga geplant.

Versprechen gebrochen

Kritik am Vorgehen der Regierung übte auch der Datenschutzexperte der Grundrechts-Plattform Epicenter Works, Thomas Lohninger. "Es wurde immer gesagt, dass die Elga-Daten sicher sind. Dieses Versprechen wurde gebrochen, weil es im EMS keine Einsicht der Betroffenen gibt, wer ihre Daten einschaut. Und es wurde immer gesagt, dass wer sein Recht auf Elga-Opt-out in Anspruch annimmt, keine Nachteile hat. Auch diese Versprechen wurde gebrochen, weil diese 300.000 Menschen nun keine Gratistests in den Apotheken bekommen."

Diese Menschen fallen aus der Gratis-Tests-Abgabe heraus, weil die Apotheken ohne Elga-Anknüpfung der E-Card nicht wissen, ob die Person nicht schon bei anderen Apotheken ein Set abgeholt hat. Die Weitergabe einer Corona-Impfung aus dem E-Impfpass an das elektronische Meldesystem für anzeigepflichtige Krankheiten (EMS) ist wiederum verpflichtend, das kann man als Betroffener nicht verhindern.

Kritik an EU-System

In Bezug auf das "elektronische Impfzertifikat" sagt Lohninger zum STANDARD, dass die Pläne noch unkonkret seien. "Zugestimmt wurde einem papiergebundenen System, das könnte zum Beispiel auch ein PDF am Handy sein", sagt er. Eine harmonisierte Datenspeicherung gebe es unionsweit nicht – und eine solche einzurichten wäre "ein Identitätssystem, wie es sonst niemals durchgehen würde". Realistisch ließe sich ein derartiges Projekt erst ab 2023 umsetzen. Und wenn es nicht richtig errichtet werde, drohe, dass "jeder Kinobesuch, jeder Restaurantbesuch und so weiter an zentraler Stelle gespeichert wird". Die Gefahr sei dabei, wenn auch Private Zugriff auf diese Daten erhalten – und beispielsweise erfahren, wer ihre Gäste waren. Dabei sei der gelbe Impfpass der WHO sicherer und "viel billiger als jede App". (APA, muz, 26.2.2021)