Lilli Hollein, Tochter des 2014 verstorbenen Architekten Hans Hollein, zieht sich aus dem Kuratorium des Mak zurück, um schiefer Optik vorzubeugen.

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Das Museum für angewandte Kunst (Mak) hat seit kurzem eine neue Kuratoriumsvorsitzende: Astrid Gilhofer, Juristin, ehemals Protegé von Rudolf Humer, einst Mitglied im Palmers-Vorstand und später im ÖIAG-Aufsichtsrat. Die gebürtige Oberösterreicherin folgt damit Lilli Hollein nach, welche diese Funktion überraschend im Jänner zurücklegte.

Zu den Gründen für die Entscheidung der Chefin der Vienna Design Week kursieren hinter den Kulissen zwei Theorien: In der einen könnte es um die seit Anfang Februar ausgeschriebene Position der wissenschaftlichen Geschäftsführung des Mak gehen.

Christoph Thun-Hohensteins zweite Amtsperiode läuft Ende August aus. Den Usancen von Bestellungsverfahren folgend, ist die/der Kuratoriumsvorsitzende Teil der Findungskommission: Als solche hätte Lilli Hollein ihre Bewerbung nicht beurteilen können.

Nachlass des Vaters

In der anderen Variante könnte der potenziell lauernde Interessenkonflikt im Zusammenhang mit dem Nachlass ihres 2014 verstorbenen Vaters Hans Hollein eine Rolle spielen. Dieser ist durch die Republik Österreich 2016 vom damaligen Kulturminister Josef Ostermayer für das Mak um 250.000 Euro angekauft worden: Pläne, Skizzen, Fotografien, Schriftstücke und Modelle. Der kolportierte Umfang schwankte über die Jahre. Bei der Bekanntgabe des Ankaufs waren es noch 400, später 260, aktuell ist von 180 Paletten die Rede.

Ist es eine Frage der Schlichtungstechnik oder doch der von Dietmar Steiner prophezeite Schwund durch die Entsorgung von Altpapier? Der langjährige Leiter des Architekturzentrums Wien (AzW, 1993–2016) verstarb vergangenen Mai. In vorangegangenen Gesprächen mit dem STANDARD hatte Steiner mit seiner Kritik an diesem Erwerb nicht hinter dem Berg gehalten.

Er habe Josef Ostermayer davon abgeraten, denn international sei man aufgrund der ohnedies hohen langfristigen Erhaltungs- und Betreuungskosten längst von solchen Ankäufen abgekommen. Sein Vorschlag für ein Schätzgutachten wurde allerdings ignoriert. Auch die Bitte um ein detailliertes Inventar soll in der von ihm gewünschten Form ungehört geblieben sein. Als Sektionschefin war damals die nun amtierende Staatssekretärin Andrea Mayer zuständig. Seine Expertise war bei dieser politischen Entscheidung schlicht nicht gefragt, resümierte Steiner.

Da war noch was

Die Formulierung "künstlerischer und architektonischer Nachlass" (Kunst- und Kulturbericht) stieß Steiner nicht minder auf. Denn das AzW bekam zur wissenschaftlichen Bearbeitung und Betreuung hauptsächlich den architektonischen Nachlass. Der "künstlerische" sei quasi bei der Familie verblieben und im selben Jahr an das Pariser Centre Pompidou verkauft worden.

Einen solchen Deal gab es tatsächlich, wie Lilli Hollein auf Anfrage bestätigt; 96 Prozent des Nachlasses seien aber dem AzW übergeben worden. Unmittelbar nach dem Tod ihres Vaters waren mehrere, auch internationale Institutionen an die Familie herangetreten, die Interesse an Teilen gehabt hätten. Jedoch war ihnen am geschlossenen Erhalt für die Forschung gelegen.

Ob je eine Schenkung angedacht war? Nein, nicht für ein solches Lebenswerk. Dazu hatten sie schon in Vorarbeiten für die Übergabe investiert. Bei den nach Paris verkauften Werken – es sind insgesamt rund 120 – handelte es sich um Rauminstallationen, Drucke, Multiples, Fotos und Zeichnungen, informiert Max Hollein via Mail.

Verkaufspreis geheim

Den Verkaufspreis will Hans Holleins Sohn und momentaner Leiter des Metropolitan Museum of Art nicht nennen. Er verweist auf das Centre Pompidou. Dort bedauert man allerdings – "Beträge von Spenden und Ankäufe von Werken sind vertraulich."

Derweil schreitet die mit jährlich 100.000 Euro subventionierte Erfassung und Bearbeitung des Nachlasses im AzW voran. 45.000 Euro entfallen allein jedes Jahr auf das eigens angemietete Lager. Für eine Pilotdigitalisierung gab es einen Zuschuss von insgesamt 120.000 Euro.

Für 2022 ist eine größere Ausstellung mit internationaler Kooperation geplant. Und die war, wie Lilli Hollein erklärt, der Anlass für ihren Rücktritt als Kuratoriumsvorsitzende. Die Dimension des Projekts habe sich, ganz ohne ihr Zutun, im Laufe der Monate vergrößert.

Angesichts des Interessenkonflikts drohte eine problematische Optik, weswegen sie sich zu diesem Schritt entschloss, so Lilli Hollein. Und der nächste, also eine Bewerbung als Nachfolgerin von Thun-Hohenstein? "Schauen wir mal." Nachsatz: Es sei jedenfalls ein Haus, das alle ihre Interessen und ihre Expertise abbilde. (Olga Kronsteiner, 27.2.2021)