Ein bekannter PR-Berater, der auch Sebastian Kurz zur Hand geht, schrieb auf Twitter zu den jüngsten Aktionen der Justiz gegen prominente konservative Politiker und Justizfunktionäre: "Das geht schon bald in Richtung Staatsstreich."

Falsch – hier bricht ein Teil des Grundkonflikts auf, der schon länger in Österreichs Politik brodelt: der Konflikt zwischen dem Politik- und Demokratieverständnis der Türkisen und dem Verständnis von einer rechtsstaatlichen liberalen Demokratie.

Das System Kurz und Co könnte man als "Orbán light" bezeichnen. Viktor Orbán hat Ungarn im Laufe der letzten zehn Jahre in ein "Laboratorium des Autoritarismus" verwandelt, wie der Publizist und Kolumnistenkollege Paul Lendvai in seinem ausgezeichneten Buch Orbáns Ungarn schreibt. Das kann man so von der türkisen Politik und von Sebastian Kurz nicht behaupten. Aber es gibt Ansätze.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Orbán hat als junger Protestler gegen den Kommunismus begonnen, dann aber seine autoritäre und nationalistische Seite gezeigt. Die Basis seiner Wahlerfolge bildete sein ungarischer Nationalpopulismus. Er machte massiv Front gegen Flüchtlinge (wie Kurz) und schwächte eine rechtsextreme Partei (Jobbik) durch Übernahme vieler ihrer Inhalte (wie Kurz mit der FPÖ). Einmal an der Macht, höhlte Orbán sukzessive die staatlichen Institutionen aus, vor allem die Justiz; und schaltete kritische Medien gleich (oder aus), indem er sie von verbündeten Oligarchen aufkaufen oder einstellen ließ.

Inhaltliche Kontrolle

Die Öffentlichkeitspolitik von Kurz ist auch darauf ausgerichtet, die Medien unter inhaltliche Kontrolle zu bekommen, aber sie ist subtiler: eine disziplinierte, durchgetaktete "Message-Control", Einverständnis mit manchen Eigentümern. Dass der Einkauf des Immobilien-"Oligarchen" René Benko bei Kurier und Krone mit ihm abgesprochen war, wird vermutet, ist aber nicht belegt.

Aber zweifellos spielen intensive Kontakte zu spendenfreudigen Großunternehmern von Anfang an eine wichtige Rolle in der Politik von Kurz. An einem gewissen Punkt geriet dieses System jedoch in Konflikt mit einer aufklärungswilligen Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Die ermittelte in Sachen Glücksspiel gegen den Kurz-Vertrauten Ex-Finanzminister Hartwig Löger, was bei Kurz vor einem Jahr einen Wutanfall über angebliche "rote Netzwerke" auslöste. Seither herrscht Krieg, und als die WKStA nun auch gegen Gernot Blümel vorging, prasselte ein türkises Trommelfeuer auf sie nieder – und es werden ihre Zerschlagung sowie das gesetzliche Abwürgen von investigativem Journalismus versucht.

Hier halten wir nun. Wohin geht es? Orbán hat sich schon vor Jahren klar für eine "illiberale Demokratie" ausgesprochen, er ist in Wahrheit kein Demokrat. Das kann man von Kurz nicht sagen. Aber er hätte gerne eine sanft gesteuerte Demokratie. Da wäre er zwar nicht der Erste. Mit den hemmungslosen Angriffen auf die Justiz wurde jedoch erstmals offen eine Grenze zum Autoritären erreicht.

Zum Glück haben das die Grünen mit dem Parteichef und zeitweiligen Justizminister Werner Kogler hart abgeblockt. Aber es wäre gut für die Qualität der Demokratie, würden Kurz und die Türkisen auf diesem Weg nicht weitermachen. (Hans Rauscher, 27.2.2021)