Der digitale Impfpass soll in elektronischer Form verfügbar sein, in der Regel über Smartphones. Er soll Auskunft über den "Corona-Status" des Trägers bzw. dessen Immunität gegen Covid-19 geben.

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Es ist die Frage, an der sich die Verantwortlichen derzeit die Zähne ausbeißen: Wie kann es wieder mehr Bewegungsfreiheit für die Menschen geben, wie können Wirtschaft, Tourismus und das kulturelle Leben angekurbelt werden, ohne dass die Zahl der Corona-Infektionen wieder sprunghaft ansteigt? Teil einer Lösung könnte ein "grüner Impfpass" sein, wie ihn die Staats- und Regierungschefs der EU am Donnerstag prinzipiell beschlossen haben. Er soll viele Türen öffnen – und ist dennoch umstritten.

Frage: Wozu braucht man einen "grünen Impfpass" überhaupt?

Antwort: Ein solches "europäisches Impfzertifikat" soll dazu beitragen, dass die Bürgerinnen und Bürger grenzüberschreitend wieder mehr Bewegungsfreiheit bekommen, ob im Urlaub oder beim Theaterbesuch. Gleichzeitig sollen so die Infektionen europaweit eingedämmt werden. Momentan ist das schwierig. Die Nationalstaaten haben sehr unterschiedliche Einreisebeschränkungen, Quarantäneregeln und Dokumente. Tests werden oft nur auf nationaler Ebene anerkannt.

Frage: Wie würde so ein Impfzertifikat aussehen?

Antwort: Es wäre kein Ausweis in Papierform wie ein Reisepass, sondern soll in elektronischer Form verfügbar sein, in der Regel über Smartphones. Die Staats- und Regierungschefs haben sich darauf geeinigt, dass nur wenige Daten gespeichert werden, die Auskunft über den "Corona-Status" des Trägers bzw. dessen Immunität gegen Covid-19 geben: Wurde er/sie geimpft, und mit welchem Impfstoff? Hat er/sie eine Erkrankung hinter sich und daher Antikörper gegen Covid-19? Und wann war der letzte PCR-Test?

Frage: Was sagen Datenschützer dazu?

Antwort: Für eine Bewertung seien die Pläne noch zu unkonkret, sagte Thomas Lohninger von der Grundrechts-NGO Epicenter Works zum STANDARD. Eine harmonisierte Datenspeicherung gebe es unionsweit nicht – und eine solche einzurichten wäre "ein Identitätssystem, wie es sonst niemals durchgehen würde". Wenn es nicht richtig konzipiert werde, dann drohe, dass "jeder Kinobesuch, jeder Restaurantbesuch und so weiter an zentraler Stelle gespeichert wird". Eine weitere Gefahr sei, dass auch Private Zugriff auf diese Daten erhalten könnten – und dann beispielsweise erfahren, wer ihre Gäste waren. Dabei sei der gelbe Impfpass der WHO sicherer und "viel billiger als jede App".

Frage: Wie wird dieses Problem derzeit in Österreich diskutiert?

Antwort: Es gibt Kritik hinsichtlich der geplanten Spiegelung der Daten aus der elektronischen Gesundheitsakte (Elga) ins Bundesrechenzentrum (BRZ). Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ), die Neos und die Elga GmbH selbst meldeten Bedenken an, das BRZ betonte den strengen Fokus auf Datenschutz. Eine Arbeitsgruppe bestehend aus Vertretern des Bundes, der Länder und der Kassen soll sich nun mit dieser Frage beschäftigen.

Frage: Wann wäre der "grüne Impfpass" praktisch einsetzbar?

Antwort: Schwer zu sagen, denn ein solcher Impfpass wirft neben dem Datenschutz noch andere Fragen auf, etwa im Bezug auf Diskriminierung. Menschen ohne Impfpass müssten eingeschränkter leben. In Frankreich und Deutschland hat man Sorge, dass dies de facto den Druck in Richtung Impfpflicht erhöht. Gemäß dem Gipfelbeschluss soll die EU-Kommission bis Juni alle technischen Fragen zum Impfpass abklären. Dann wollen die Staats- und Regierungschefs politisch entscheiden, ob der Pass kommt und was man damit tun darf oder nicht.

Frage: Welche Varianten sind bezüglich dieser Rechte im Spiel?

Antwort: Jene Staaten, die sich für den Impfpass starkmachen, wollen freie Fahrt in den Sommerurlaub erzielen – ohne Ein- oder Ausreisebeschränkungen. Vor allem Tourismusländer wie Italien, Griechenland, Zypern, Kroatien, Spanien und Portugal, aber auch Österreich stehen dahinter. Ob das so einfach ist, wird man erst sehen. Denn da die Wissenschaft bisher wenig darüber weiß, ob und wie Impfungen oder Vorerkrankungen auch bei Virusmutationen wirken, gibt es keine absolute Sicherheit. Zudem sind in Europa noch relativ wenige Bürger geimpft, vor allem unter den jungen Reiselustigen. Die EU-Kommission will nur den technischen Rahmen und die rechtlichen Voraussetzungen für den Impfpass garantieren. Was man konkret mit ihm machen kann, wozu er also Zugang erlaubt, darüber dürften am Ende die Nationalstaaten entscheiden.

Frage: Gibt es dazu schon konkrete Vorhaben in Österreich?

Antwort: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass alle Beschränkungen fallen würden. Sehr wohl könnte es aber punktuelle Erleichterungen geben. Das Gesundheitsministerium betont stets, dass Lockerungen nur auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgen können. Hier spielt vor allem eine Rolle, dass noch nicht gesichert ist, ob eine Impfung die Virusweitergabe verhindert.

Frage: Was, wenn aus den EU-Plänen nichts wird?

Antwort: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kündigte im Falle des Scheiterns der EU-Pläne an, die Idee national umsetzen zu wollen. Was die Reisefreiheit angeht, macht das naturgemäß wenig Sinn, weshalb Abkommen mit einzelnen Staaten in Aussicht gestellt wurden. Doch nachdem im "grünen Pass", wie Kurz ankündigte, ohnehin generell Nachweise über den Immunisierungsstatus gespeichert werden sollen, könnte er eben als eine Art Eintrittskarte in verschiedene gesellschaftliche Bereiche dienen. Der digitale Nachweis für Tests und Genesungen ist bereits in Umsetzung, dieser könne "jederzeit auch auf Impfnachweise erweitert werden", heißt es aus dem Gesundheitsministerium.

Grundsätzlich unterstützt Österreich aber den Plan auf EU-Ebene. Es sei ein "wichtiges Signal", dass es beim Videogipfel der Staats- und Regierungschefs Unterstützung dafür gegeben habe, und dass die EU-Kommission nun konkrete Vorschläge ausarbeite, erklärte Kurz am Freitag. "Wir müssen hier möglichst schnell in die Umsetzung kommen. Denn wir wollen so rasch wie möglich wieder zurück zur Normalität, unser altes Leben wiederhaben und ein Maximum an Freiheit." (Muzayen Al-Youssef, Vanessa Gaigg, Thomas Mayer, Gerald Schubert, 27.2.2021)