Den 27. Februar 2019 hat Teresa Stadlober, so gut es eben geht, aus dem Gedächtnis gestrichen. "Ich denke nur zurück, wenn ich danach gefragt werde", sagt die 28-jährige Salzburgerin mit leicht gequältem Lächeln im sonnigen Oberstdorf. Erwünscht sind eher Fragen nach ihrem heutigen WM-Auftakt, nach dem Skiathlon über je 7,5 Kilometer Langlauf in klassischer und Skatingtechnik. Das Seefelder Desaster ist aber zwangsläufig gegenwärtig, wenn es um den österreichischen Langlauf geht. Stadlober weiß das.

Teresa Stadlober in und ...
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Verstörte ÖSVler

Um die Mittagszeit war am 27. Februar 2019, einem Mittwoch, ruchbar geworden, dass im Tiroler WM-Ort Dopingrazzien stattgefunden hatten. Verstörte Medienbetreuer des österreichischen Skiverbands (ÖSV) nährten die schlimmsten Befürchtungen, bald machten die Namen Dominik Baldauf und Max Hauke die Runde, stand Österreichs Langlauf im Zentrum eines Skandals, der einem veritablen Wintermärchen von WM albtraumhafte Szenen bescherte. Auch für Teresa Stadlober, deren Lebensziel quasi eine Medaille bei der Heim-WM gewesen war.

"Ich bin total enttäuscht", sagte sie damals und legte ein Bekenntnis zum sauberen Sport ab. Peter Schröcksnadel war zunächst nicht nach Differenzierung. Der ÖSV-Präsident wetterte gegen "Trottln" im Langlauf und stellte die Streichung aller Mittel für die gesamte Sparte in Aussicht. Mit der Zeit kam die Einsicht, dass ein Skiverband ohne Langlauf nicht gut denkbar ist. Stadlober mit zu bestrafen verbot sich ohnehin.

Nur ein Schnittchen

Die Läuferin selbst sah sich über Monate in der Luft hängen. Schröcksnadel fand eine auch für sich gesichtswahrende Lösung ohne radikalen Schnitt. Die Sparte wurde in einen Verein ausgelagert, der allerdings vom ÖSV finanziert wird – ehrenamtlicher Obmann: Teresa Stadlobers Vater Alois, der Staffelweltmeister von 1999, der seine Tochter auch trainiert und dem ORF als wortgewaltiger Experte dient. Die Pressearbeit, auch bei der WM in Oberstdorf, erledigt Ehefrau Roswita Stadlober, einst als Roswitha Steiner 1987 Slalom-Vizeweltmeisterin. Das Serviceteam hat sich nur zum Teil verändert, Hilfe kann bei den Kombinierern in Anspruch genommen werden.

... neben der Loipe.
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Sportlich spurlos konnte die inzwischen gerichtlich weitgehend aufgearbeitete Dopingcausa Seefeld auch an Stadlober nicht vorübergehen. Die Läuferin, die 2018 in Südkorea nur wegen kurzzeitiger Orientierungslosigkeit eine olympische Medaille über die klassischen 30 Kilometer verpasst hatte, war erst wieder Ende Jänner 2020 auf der Höhe ihrer Schaffenskraft, als sie ausgerechnet bei der Oberstdorfer WM-Generalprobe im Skiathlon über 15 Kilometer als Dritte ihren insgesamt dritten Podestplatz im Weltcup erreichte – gegen stärkste Konkurrenz.

Fernes Podest

Die aktuelle Saison selbst geriet auch pandemiebedingt nicht sonderlich. Weshalb Stadlober über Podesthoffnungen auch nur reflektiert, wenn sie in Oberstdorf darauf angesprochen wird. "Ich gehöre sicher nicht zu den Medaillenfavoritinnen, so gut war meine Saison nicht, ich war ja nie am Stockerl." Zumindest nah dran als Vierte war Stadlober im Rahmen der Tour de Ski am 8. Jänner über zehn Kilometer klassisch in Val di Fiemme. Allerdings fehlten da die Norwegerinnen, allen voran Superstar Therese Johaug. Angesichts der Dichte wäre ein Platz unter den besten zehn zum Auftakt sehr zufriedenstellend, die klassische 30er eine Woche später ist Stadlobers größte Hoffnung. Bis dahin sind auch sicher alle Fragen nach der "Operation Aderlass" gestellt und beantwortet.

Teresa Stadlober (1,68 m, 52 kg) könnten die Verhältnisse in Oberstdorf entgegenkommen. Leicht ist aber bei tiefer Spur nicht alles: "Es ist auch eine Technik-Sache, man muss es auch können." (Sigi Lützow aus Oberstdorf, 26.2.2021)