Winterzeit ist Seeigelzeit, und die ist eine der besten Zeiten des Jahres. Seeigel sind vielleicht meine liebste Kreatur aus dem Meer. Sie schmecken ein wenig wie die ganz frischen Pfützen auf Felsen in der Brandung, riechen nach Jod, Salz, Seegras und Meer – und haben gleichzeitig eine unverschämt cremige Konsistenz, die jedem Pot de Crème zur Ehre gereichen würde. Michael Booth, Fressbeauftragter von Monocle, hat sie einmal mit einem "Zungenkuss mit einer Meerjungfrau" verglichen.

Es gibt weltweit über 900 Arten, von denen wiederum knapp 20 gegessen werden. In Japan, wo der Seeigel Uni heißt und geschätzt und gefeiert wird wie sonst nirgendwo, werden ausschließlich Seeigel aus dem Pazifik serviert: Sie sind größer, cremiger und, man muss es kleinlaut gestehen, einfach noch einmal besser als ihre europäischen Mittelmeerkollegen. An denen ist deutlich weniger dran, und ihr Geschmack ist mitunter etwas herausfordernder – nichtsdestotrotz aber umwerfend gut. Und sie haben jetzt, in den Wochen vor Ostern, Hochsaison.

Am allerbesten sind sie frisch vom Felsen geschlagen, im Meer gewaschen und dann ausgelöffelt, idealerweise in einer sizilianischen Bucht in der Abendsonne. Die zweitbeste, weil fast so gute und einfache Version ist, sie als Pasta-Sauce zu servieren. Das hat auch den Vorteil, dass ihre nicht so perfekte Konsistenz weniger stört.

Foto: Tobias Müller

Der Seeigel gehört wie der Seestern zur Familie der Stachelhäuter. Er sieht nicht nur entsprechend ungewöhnlich aus, er ist auch das vielleicht einzige Tier, von dem nur die Geschlechtsteile gegessen werden. Das klingt nach nicht viel, macht beim Seeigel aber ungefähr zwei Drittel seines Innenlebens aus. Eier und Samen – für Laien ist das nicht zu unterscheiden – liegen wie fünf Zungen innen an der stacheligen Hülle, manche eher gelblich, fast weiß, andere schon ins Dunkelorange gehend. Sie bestehen zu bis zu 25 Prozent aus Fett und enthalten eine beachtliche Menge köstlicher Aminosäuren, was ihren fantastischen Geschmack erklärt.

Auch am Karmelitermarkt erhältlich

Im Gegensatz zu manch anderen Köstlichkeiten aus dem Meer sind sie auch weit davon entfernt, gefährdet zu sein: In manchen Gegenden wuchern sie wie Unkraut und müssen dringend verspeist werden. Harold McGee schreibt gar, dass sie und ihre Verwandten vielleicht für 90 Prozent aller Biomasse auf dem Meeresboden verantwortlich sind.

Die Seeigel auf dem Foto stammen aus Neapel, wo mein Fischhändler sie bereits ausgelöst im Glas verkauft. Corona sei Dank ist es aber nun auch in Wien leichter geworden, an frische Ware zu kommen: Der neue Shop von Eishken Estate am Wiener Karmelitermarkt hält auf Bestellung frische Seeigel zu wohlfeilen 13 Euro das Kilo bereit. Rechnen Sie pro Person etwa zehn Stück, und lernen Sie zum Beispiel hier, wie man sie auslöst (oder bitten Sie den netten Herrn Zinter am Karmelitermarkt, es Ihnen zu erklären).

Pasta con Ricci di Mare, Seeigel-Pasta

Seeigel sind so gut, dass es nicht schwer ist, köstliche Pasta con Ricci zu machen. Essenziell ist meiner Meinung nach bloß, die Pasta vor dem Servieren noch mit reichlich rohem Seeigel zu toppen – das gibt ihr geschmacklich den nötigen Kick.

  • 15–20 Seeigel, idealerweise bereits ausgelöst
  • 1 große Knoblauchzehe, in feine Scheiben geschnitten
  • 1 Prise Chili
  • Ein wenig geriebene Zitronenschale (optional)
  • Ein wenig Petersil, gehackt
  • 250 g Pasta, am besten frisch und mit Ei, Linguine tun's aber auch.

Pasta nach Packungsangaben al dente kochen. Vor dem Abgießen etwas Pastakochwasser abschöpfen und aufheben.

Währenddessen Knoblauch, Zitronenschale und Chili kurz in Olivenöl anbraten, aber nicht Farbe nehmen lassen. Mit Pastakochwasser sämig einkochen. Hitze abschalten.

Pasta, Petersil und die Hälfte der Seeigel im heißen Topf gut durchrühren, bis die Nudeln mit sämiger Sauce überzogen sind. Eventuell die Konsistenz mit etwas Pastawasser regulieren.

Foto: Tobias Müller

In Tellern anrichten, mit den restlichen Seeigeln toppen und sofort servieren. (Tobias Müller, 28.2.2021)

Anmerkung:

Die Seeigel, die im Fisch am Markt in Wien zu haben sind, sind tolle, französische Atlantikware, und damit zwar sicher köstlich, aber nur bedingt für Pasta zu haben, bzw. dafür etwas schade. Essen Sie sie lieber pur, wie sie sind, und mischen die kleinen, eher schmutzigen Mittelmeer-Seeigel unter die Nudeln.