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Die Gesetzeslage und die fehlende Transparenzkultur stehen der Forschung in Bezug auf die Frage nach der Effizienz der Corona-Maßnahmen im Weg.

Foto: Getty Images / filo

Im Frühjahr vorigen Jahres meinte Clemens Martin Auer, Sonderbeauftragter des Gesundheitsministeriums, sinngemäß, Wissenschafter könnten mit vorhandenen Daten doch sehr gut zu Corona arbeiten, ihre Schlüsse über notwendige Maßnahmen ziehen und müssten sich nicht beklagen.

Damals zweifelte so manch einer der angesprochenen Forscher, richtig gehört zu haben. Auer habe, "wenn er das ernst gemeint hat, nicht verstanden, welche Daten für tiefergehende Forschungen nötig sind", sagt fast ein Jahr später Martin Halla, Gesundheits- und Arbeitsökonom an der JKU Linz. Die Daten liegen zwar in Registern. Um aber zu relevanten Ergebnissen zu kommen, müssten die Register verknüpft werden.

Ein Beispiel: Corona-Erkrankungsfälle etwa sind aufgrund des Epidemiologiegesetzes im Gesundheitsministerium verzeichnet. Um aber Rückschlüsse auf Berufsgruppen, auf die mögliche Gefährdung in diesem Bereich, auf die Gefahr von Clustern durch Ansteckung und Weitergabe in der Familie ziehen zu können, müssten diese Daten mit den Registern der Sozialversicherung verknüpft werden.

Aber genau das wird nicht gemacht, obwohl es laut Forschungsorganisationsgesetz 2019 grundsätzlich erlaubt ist – und eine Anonymisierung der sensiblen Datensätze technisch sofort möglich wäre, sagt Halla. "Wir könnten jederzeit damit startet, bräuchten keinen Vorlauf – der Nutzen wäre sofort gegeben."

Kommen die Hilfen an?

Gerade jetzt, angesichts schwerfällig anlaufender Impfkampagnen und weitverbreiteter Mutanten des Virus, die infektiöser sind als der Wildtyp, könnte man mit Mikrodaten zu Corona-Clustern sehr gut nachvollziehen, wo man Feinjustierungen bräuchte, sagt der Wirtschaftswissenschafter Harald Oberhofer von der WU Wien.

Er ist Gründungsmitglied der Plattform Registerforschung, die sich für die Möglichkeiten der Datenverknüpfung einsetzt. Man könnte, sagt Oberhofer, auch feststellen, welche Maßnahmen zur Unterstützung der durch Corona und Lockdowns gebeutelten Wirtschaft welche Effizienz erzielten. Kommen die Gelder wirklich an, werden sie nachhaltig verwendet, oder werden damit Jobs erhalten, die es in ein, zwei Jahren womöglich gar nicht mehr gibt?

Veränderungsprozesse am Jobmarkt

Michael Strassnig, Programmmanager beim Wiener Wissenschaftsfonds (WWTF) und ebenfalls Gründungsmitglied der Plattform, sieht besonders im Tourismus und in der Flugbranche notwendige Änderungen. "Hier sind schon jetzt die Einbrüche so stark, dass es womöglich weit weniger und auch andere Jobs geben dürfte."

Er ergänzt: "Auch die Digitalisierung wird zwangsläufig voranschreiten und andere Jobs schaffen." Um über die Veränderungsprozesse mehr zu erfahren, könnte man verschiedene Register wie die Daten des AMS mit beispielsweise Unternehmensdaten und weiteren Datensätzen verknüpfen." Auch das ist nicht möglich.

Oberhofer sieht dafür ein ganzes Bündel an Ursachen. "In Österreich gibt es keine wirklich ausgeprägte Transparenzkultur." In Skandinavien sei das Gegenteil der Fall. Allein in Dänemark gibt es 400 Forschungsprojekte jährlich, die Registerdaten nützen. In Österreich müsse man, um datenbasierte Forschungen zu betreiben, auf das Ausland zurückgreifen.

Oberhofer: "Was bringt es uns, wenn ich mir die Unternehmensdaten aus Belarus ansehe, nicht aber die von Österreich?" Der Forscher glaubt, dass den Politikern hierzulande schon bewusst sei, dass Mikrodatenanalysen auch eine Evaluierung ihrer Arbeit ermöglichen. Er sagt: "Womöglich ist das hierzulande gar nicht erwünscht. Das Primat der Politik würde hinterfragt werden."

Zugriff via Remote-Verbindung

Der Wissenschafter räumt ein, dass es noch zu einer Gesetzesänderung kommen müsste. Die Statistik Austria, Österreichs oberste Datenbehörde, müsste den Zugriff auf die jeweiligen Register bereitstellen und könnte über das im türkis-grünen Regierungsprogramm angekündigte Microdata-Center Wissenschaftern unter strengen Auflagen diesen Zugang gewähren – selbstverständlich über eine Remote-Verbindung.

Dabei könne gewährleistet werden, dass Forscher, die mit Registerdaten arbeiten, ebendiese nicht auf ihren Computern abspeichern. Auch bei jedem anderen Missbrauch würde es Strafen geben.

Oberhofer betont, dass die Finanzierung des Projekts etwa 500.000 Euro pro Jahr kostet, "vergleichsweise wenig, wenn man den Nutzen durch bessere Forschungsergebnisse in Betracht zieht". Die Umsetzung des Centers braucht allerdings länger als erhofft, was auch Halla bestätigt. Auf Eis gelegt? Nein, sagen die Wissenschafter. Es werden im Moment Gesetzesentwürfe zwischen den Ministerien und Parteien verhandelt.

Erhöhte Vorsicht

Herwig Ostermann, Chef von Gesundheit Österreich, einer Organisation des Gesundheitsministeriums, meint, es gebe in dieser Frage Fortschritte. Er stimme mit vielen Argumenten der Plattform Registerforschung überein, was Gesundheitsdaten und ihre Freigabe betrifft, sei er aber weit weniger euphorisch als die beteiligten Wissenschafter.

Man sei da schnell in persönlichen Bereichen, wo es eine erhöhte Vorsicht braucht, die müsse gewährleistet werden. Vertreter der Plattform Registerforschung sehen das genauso, betonen aber, dass es genug technische und legistische Möglichkeiten gäbe, Missbrauch zu verhindern.

Dem Vernehmen nach sieht auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) die Vorteile der Registerforschung und würde sich dafür einsetzen, die Verknüpfung der anonymisierten Daten zu ermöglichen. Seine Pressestelle war zu dieser Frage nicht erreichbar. JKU-Ökonom Martin Halla vermutet, dass in einigen "nicht sehr innovationsfreundlichen Institutionen Blockaden bestehen".

Und stellt die provokante Frage: "Hat man vielleicht Angst vor Machtverlust?" (Peter Illetschko, 27.2.2021)