"Ohne Kunst und Kultur wird's still" nennt sich eine Protestinitiative während der Corona-Pandemie. Die prekären Bedingungen in der Branche sind seit jeher bekannt.

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Eintausend Euro monatlich – mehr ist es nicht, womit Kulturschaffende laut Studien aus Österreich und Deutschland im_Schnitt über die Runden kommen müssen. Gut belegt ist auch, dass gerade der Kulturbetrieb, in dem so gerne für mehr Gerechtigkeit geworben wird, ein Paradebeispiel für Einkommens- und Vermögensungleichheit darstellt: Einige wenige Spitzenverdiener in Kunst und Management stehen einer Heerschar an Geringverdienern gegenüber. Sie arbeiten in prekären wechselnden Arbeitsverhältnissen, müssen mit Zusatzjobs aufstocken, hanteln sich von Projekt zu Projekt, fahren auch ohne Pandemie "auf Sicht".

Corona hat diese strukturellen Probleme noch einmal verschärft, aber auch sichtbarer gemacht. Die Politik ist seither mehr denn je gezwungen hinzuschauen. Unter dem Schlagwort "Fair Pay" versprachen Österreichs Kulturpolitiker schon vor der Pandemie, sich dem Thema soziale Absicherung Kulturschaffender nachdrücklicher anzunehmen.

Was in der unerwartet hereingebrochenen Krise schnell gehen sollte, gestaltete sich dennoch eher zäh: Nach und nach wurde an einem Flickenteppich aus Hilfsprogrammen gewoben, der der vielgestaltigen, komplexen Szene gerecht werden sollte. Und noch immer dürfte vieles nicht funktionieren, wenn man Interessenvertretern Glauben schenkt: Der Start eines seit fünf Monaten versprochenen NPO-Fonds wurde auf März verschoben, der Schutzschirm für Veranstalter fokussiert nur auf kommerzielle Großfestivals, gänzlich vermisst wird vor allem ein konkreter Fahrplan für die Wiederöffnung des Betriebs.

Untergrenzen, Kollektivverträge

Was aber passierte abseits der Covid-19-Hilfen? Viel, wenn man die Versprechen der Politik heranzieht, noch nicht allzu viel, wenn man auf deren Umsetzung schaut. Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) hat immerhin eine Arbeitsgruppe im Ministerium eingesetzt, die sich mit allen Fragen detailliert auseinandersetzen soll. Man sei im ständigen Austausch mit Vertretern aus Ländern und Gemeinden, heißt es, um für die stark föderalistisch strukturierte Kulturförderung soziale Mindeststandards zu schaffen.

Parallel dazu wurde ein "Forum Fairness" gegründet, in dem mit der freien Kulturszene im direkten Dialog Verbesserungen erarbeitet werden sollen. Getragen wird das von einem Netz berufsspartenspezifischer Interessengruppen, kurz IGs, das sich in der Krise noch stärker aufgestellt hat: So gründeten sich etwa zu bereits bestehenden Gruppen wie IG Freie Theater und IG AutorInnen neue IGs der Freien_Sänger oder Kabarettisten.

Das meiste Gehör fanden die Interessenvertreter bislang in Wien, wo mit Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) eine Theaterexpertin die Strippen zieht. 2020 wurde nach Berliner Vorbild eingeführt, dass Subventionen nur dann fließen dürfen, wenn gewisse Untergrenzen für Künstlerhonorare eingehalten werden. Das könnte Schule machen.

Noch 2021 will auch Andrea Mayer auf Bundesebene konkrete Maßnahmen liefern, wie sie dem STANDARD mitteilt. Im Regierungsübereinkommen steht etwa die Errichtung einer Holdingstruktur für die großen Bundesmuseen. Dieses gemeinsame Dach für Kunsthistorisches Museum, Albertina und Co würde es schließlich erlauben, den mehr als 1400 Mitarbeitern der Staatsmuseen einen seit 15 Jahren geforderten Kollektivvertrag zu bringen.

Als Genossen durch die Krise

Für jene, denen die Mühlen der Politik zu langsam mahlen, gibt es aber auch Abhilfe durch neue Modelle der Solidarwirtschaft: "Coops" nennen sich die Zusammenschlüsse, in denen sich Freiberufler und Kleinunternehmer der Kreativbranche gegenseitig unter die Arme greifen. Die größte und erfolgreichste Kreativ-Coop in Österreich ist Smart Austria: Von engagierten IG-Vertretern unter dem Motto "Sie machen die Kunst, wir den Papierkram" 2015 gestartet, ist man seit fünf Jahren als Genossenschaft aktiv. Kreative können entweder Genossenschafter, also Mitglied und Teilhaber, werden oder als "User" projektbezogen mit Smart zusammenarbeiten – 1200 haben Letzteres bereits getan.

Die Genossenschaft hilft nicht nur bei Papierkram, sie kann vor allem den großen Luxus einer Anstellung bieten, auch dauerhaft. Künstler, die etwa in einem Monat mehr und im anderen weniger verdienen, können auf Basis der Solidargemeinschaft auf ein regelmäßiges Einkommen vertrauen. Außerdem sammeln sie Versicherungszeiten und konnten während der Pandemie sogar teils Kurzarbeit in Anspruch nehmen. Mit 220 Mitgliedern ist Smart Austria noch ausbaufähig – dass das Konzept funktioniert, zeigt aber die Mutter aus Belgien: 20.000 Genossen zählt man dort. In ganz Europa gibt es mittlerweile unabhängige Ableger.

Die Zukunft der sozialen Absicherung – sie könnte also auch in der Neuerfindung einer alten Idee liegen. (Stefan Weiss, 26.2.2021)