OGH-Präsidentin Lovrek spricht sich zudem gegen "dissenting opinion" am VfGH aus und sieht falschen Zeitpunkt für Etablierung eines Bundesstaatsanwalts.

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Für eine Präsidentin des Obersten Gerichtshof überaus scharf kritisiert Elisabeth Lovrek die Politik für ihre Angriffe auf die Justiz: "Es scheint fast so, als hätten manche Politiker ein gestörtes Verhältnis zu den Gerichten und Staatsanwaltschaften", meint die Spitzenjuristin in der "Presse". Abgelehnt wird von Lovrek der Plan der Regierung, abweichende Meinungen am VfGH zu veröffentlichen. Der Bundesstaatsanwalt an der Weisungsspitze komme zur falschen Zeit.

Dass sich die Staatsanwaltschaften bei der ÖVP mit Hausdurchsuchungen und ähnlichem für die Kritik der Volkspartei revanchieren, schließt die OGH-Präsidentin aus: "Rache ist keine Kategorie im Denken von Richtern und Staatsanwälten."

Kritik ohne Namen zu nennen

Lovrek greift, ohne Namen zu nennen, Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen dessen Kritik an der WKStA an, aber auch Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) wegen dessen harscher Worte bei der Einstellung des Eurofighter-Verfahrens an. Man gehe zwar nicht so weit, pauschal den Rechtsstaat anzugreifen, aber man kritisiere mit drastischen Worten Einzelmaßnahmen dort und da, sagt die Präsidentin und folgert: "Eigentlich meint man die Justiz gesamt. Salopp gesagt: Man schlägt den Sack und meint den Esel."

Die Öffentlichkeit müsse bei den Angriffen auf die Strafverfolgungsbehörden den Eindruck gewinnen, dass damit versucht werde, eine unliebsame Staatsanwaltschaft zu diskreditieren, um die eigenen Leute zu schützen: "Dieser Eindruck ist nicht eben positiv und entspricht ja hoffentlich auch nicht der Wahrheit." Dieses aufgeheizte Klima ist auch die Hauptursache, wieso sie die Diskussion über den Bundesstaatsanwalt an der Weisungsspitze zum gegenwärtigen Zeitpunkt für ungünstig hält.

Skeptisch gegenüber Vorschlägen zum VfGH

Veröffentlichte Minderheitsvoten beim VfGH könnten laut der Präsidentin wiederum dafür genützt werden, die mit Mehrheit getroffene Entscheidung des Höchstgerichts als politisch motiviert darzustellen. Gegen den Willen der Verfassungsrichter sollte ein solche Regelung jedenfalls nicht getroffen werden. Als überschießend abgelehnt wird von Lovrek ein zuletzt diskutiertes Zitierverbot für Medien aus Ermittlungsakten.

Die ÖVP reagierte über ihre Justizsprecherin Michaela Steinacker auf Lovreks Vorhalten. Sachliche Kritik auch an geschätzten Institutionen wie Justiz, Verwaltung und Religionsgemeinschaften, sei ein Grundrecht im liberalen Rechtsstaat. Es müsse erlaubt sein, Ermittlungsbehörden darauf hinzuweisen, wenn diese unrichtige Fakten in ihren Akten haben oder wenn ein Beschuldigtenstatus medial bekannt werde, bevor die Betroffenen informiert würden. (APA, 26.2.2021)