Arabella Kiesbauer moderiert die Abgänge sehr verständnisvoll.

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Die ORF-Castingshow Starmania wurde 2002 das erste Mal ausgestrahlt. Jetzt sind die Karaokezombies aktuell im Lockdown ohne Opfer live ins Sendestudio zurückgekehrt. Es ging und geht gerade aktuell in diesem Showformat wieder darum, dass Leute um die Wette singen. Das Ziel ist das Nichts. Das Herz des Publikums soll allerdings mit der möglichst intensiven oder wahrhaftigen und von einer im Hiesigen beamteten Studiomucker-Band nachgestellten Nachstellung internationaler Hits gewonnen werden. Schau einmal, die singt ja wie diese Adele! Wenn ich nicht grad hingeschaut hätte auf den Mühlviertler Akzent, dann hätte ich jetzt fast gedacht, dass der Bruno Mars selber über das Heiraten zu mir singt!

Wir sehen schon, nach beinahe 20 Jahren funktioniert das für das Publikum im Fernsehen immer noch besser als komplizierte Rezepte mit Karpattschio von roten Rüben sowie selbstgebackenem Rosmarinbrot zu Tiefkühlpizza. Wettsingen und Mikrowelle. In einen Sauerteig gibt man halt im besten Fall noch Gewürze hinein. Der Gesang hingegen: nicht zu viel Geschmacksexplosion, bitte. Andere Liga!

Dieter Bohlen, der Großmeister der Szene der Gesangswettbewerbsshows im deutschsprachigen Raum, führt das in "Deutschland sucht den Superstar" seit gefühlten 50 Jahren im grässlichen Camp-David-Outfit eindrücklich vor.

Die Zombies reiten wieder

Es geht, und jetzt sind wir bei der aktuellen Ausgabe von Starmania 2021 im ORF, bekanntlich nicht um die Kandidaten. Wer kann sich selbst als mittlerweile im Frührentenalter befindlicher Analogfernsehender noch an frühere Stars der Show wie Michael Tschuggnall (2003) oder gar Nadine Beiler erinnern? Ok, Nadine Beiler war als damalige Gewinnerin von Starmania 2007 im Vorjahr, also 2020 oder irgendwann kurz vor der Durchimpfung, gerade das süße Yeti bei der österreichischen Lebensmittelmarkenausgabe der koreanischen Verkleidungs-Singshow "The Masked Singer" auf Puls 4.

Selbst die damals 2003 hinter Tschuggnall platzierte und von da an als Musikerin erfolgreiche Christl Stürmer kennt man heute, nach einer seit Jahren im Stillen ablaufenden Karriere vor allem auch im norddeutschen und skandinavischen Raum als deutschsprachige Lesbenikone, eher noch vom hiesigen Donauinselfest, weniger vom Powerplay auf Ö3.

Wer tut sich dieses nun wiederbelebte Format Starmania also 2021 noch an? Selbst den unbedarften und naiven Menschen, bei denen der Lift nicht generell in das oberste Stockwerk fährt, müsste seit 20 Jahren eines klar sein: Es gibt im Bereich der Castingshows nichts zu holen. Die einzigen Gewinner im Geschäft nennen sich zu einem Gutteil Dieter Bohlen. Er ist der Zuchtmeisterbei bei "Deutschland sucht den Superstar." Den Rest staubt der haarige Deutsch-Ire Rea Garvey als Juror über Gut und Böse bei der vergleichbaren Casting-Show "The Voice of Germany" ab. Garvey ist mit seinem eigenen Bon-Jovi-Rock immer dann auf Radio Burgenland zu hören, wenn man denkt, dass Chris Rea zu Weihnachten nach Hause oder zur Hölle fährt. Immerhin.

Neues Altes aus dem Karaokelokal

Die Neuigkeiten bei Starmania 2021 sind alt und weniger gefährlich: Das singende und klingende Österreich wird von einer mit begleitenden Medien und großen Plattenfirmen bestens vernetzten Jury bewertet, bevor man auch nur über eventuelles Publikums-Voting (Clicks, Clicks, Clicks!) einen Finger rühren kann. Die mehrheitlich bundesdeutschen Schlagersänger- und Hip-Hopper_innen Tim Bendzko (Sony und kurz noch die Welt retten) und Fiva (FM4 und überhaupt) sowie Ina Regen aus Oberösterreich (Universal Music und Schlager trotz allem) bewerten eine Auswahl absolut langweiliger, aber ambitionierter Karaokesänger_innen. Das Karaokelokal nebenan regiert. Es klingt, wie es sich liest. Als Kriterien gelten persönlicher Einsatz, den Song leben, eine eigene Note hinzufügen oder gar Wahrhaftigkeit. Die Jury-Wertungen klingen wie ein Kündigungsgespräch bei Ikea: Super hast du das gemacht, Ivar, aber der Billy hat es noch viel realer gesungen! Und jetzt schleich dich, bitte.

Kurz, wer als 16-jährige, hübsch anzusehende Teilnehmerin mit Zielgruppenbonus teilnimmt, und es allein schon aufgrund des jungen Daseinsalters in die nächste Runde schafft (So süß!), wird im späteren Leben trotzdem arbeiten gehen müssen. Wohl oder übel. Ein 40-jähriger alter weißer Mann, der tatsächlich singen konnte, wurde jetzt gleich einmal in der ersten Folge von Starmania aussortiert. Zu alt, das ist der Terror der Mittelalten. Aber, um Gottes Willen, wer von den Jungen schaut heute noch fern?!

"I bin Schlogzeiga"

In Starmania 2021 wird übrigens neben der unvermeidlichen Bekenntnisschlagergöttin Adele die 2011 verstorbene Amy Winehouse als Göttin verehrt. Vielleicht hat es auch sein Gutes, wenn nicht alle Menschen so bekannt und talentiert werden müssen.

Das berührendste Zwischenspiel während der ersten Folge der wiederbelebten Zombie-Show Starmania auf ORF am Wochenende war die über Einspielvideo gezeigte Kurzvorstellung eines hörbar oberösterreichischen Teilnehmers. Er hatte einen vermeintlichen Narren an US-amerikanischem R’n’B gefressen. Macht nix. "I bin Schlogzeiga. Des hod net kloppt, singst hoid."

Ach ja, Arabella Kiesbauer moderiert. (Christian Schachinger, 27.2.2021)