Gervasio Sánchez verlässt Sarajevo und verabschiedet sich von Amer und Edo.

Foto: ORF/Lukimedia

Heute spielen die Kinder Fußball, damals spielten sie Krieg: Edo hat seine Kindheit im bombardierten Sarajevo der 1990er-Jahre verbracht – inmitten von Ruinen und ständiger Lebensgefahr. Er lebte im Herzen der bosnischen Hauptstadt, die 1.425 Tage von der Jugoslawische Volksarmee belagert wurde und wo von 1992 bis 1996 rund 11.000 Menschen starben, darunter 1.600 Kinder.

Fast 30 Jahre nach Kriegsausbruch fallen sich der spanische Kriegsfotograf Gervasio Sánchez und Edo in die Arme. Sánchez ist im Winter 2019/20 nach Sarajevo zurückgekehrt, um Edo zu treffen. Er hat ihn im Krieg fotografiert – wie viele andere Kinder auch. Irgendwann habe er aufgehört, die Toten zu fotografieren, und sich auf die Lebenden konzentriert, erzählt der Fotograf in der ORF-Doku Kinderbilder aus Sarajevo, die Sonntagabend in ORF 2 ausgestrahlt wurde und in der TVthek zu sehen ist.

Sánchez war selbst in Sarajevo eingeschlossen, das Resultat sind eindringliche Bilder von Mädchen und Jungen, die ihre Kindheit und noch viel mehr verloren haben. Edo kämpft mit posttraumatischen Belastungsstörungen und sagt heute über den Neunjährigen von einst: "Ich war damals schon ein Mann." Psychologische Hilfe gab es nie.

Mit einigen Protagonisten seiner Fotos blieb Sánchez in Kontakt, andere konnte er später aufspüren. Zum Beispiel Alma, die er mit ihrer Schwester auf einer Schaukel fotografiert hatte. Gleich dahinter parkt ein UN-Panzer. Kinder belagern ihn, weil sie sich Süßigkeiten erhoffen. Sánchez’ Fotos sind für viele Familien die einzigen, die aus der Zeit des Krieges existieren. Wer täglich ums Überleben kämpft, hat andere Sorgen. Sehenswert! (Oliver Mark, 28.2.2021)