Der ermordete Dissident und der Kronprinz, der Blut an seinen Händen hat: Seit dem Tod Jamal Khashoggis fordern viele US-Demokraten Konsequenzen für das saudische Regime.

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Es war ein Spagat höchsten Schwierigkeitsgrades. Nachdem das State Department Reisebeschränkungen gegen 76 Bürger Saudi-Arabiens verfügt hatte, begab sich US-Außenminister Antony Blinken auf eine rhetorische Gratwanderung. Was man getan habe, bedeute keinen Bruch im Verhältnis zu Saudi-Arabien, betonte der Außenminister. Vielmehr bedeute es, das Verhältnis neu zu kalibrieren, sodass es besser mit den Werten und Interessen Amerikas in Einklang stehe. "Die Beziehungen zu Saudi-Arabien sind größer als eine einzelne Person, wer immer diese Person sein mag."

Damit begründete Blinken eine Entscheidung, die bei Menschenrechtsaktivisten wie auch in seiner eigenen Partei, bei den Demokraten, auf Widerspruch stößt. Gegen Mohammed bin Salman, den Kronprinzen des Königreichs, in den USA meist nur MbS genannt, wird es keine Sanktionen geben, obwohl ihm ein freigegebener Geheimdienstbericht die Verantwortung für den Tod des Journalisten Jamal Khashoggi zuschreibt. Die Restriktionen, mit denen die Bluttat bestraft werden soll, gelten für 76 saudische Staatsangehörige, von denen man annimmt, dass sie an der Bedrohung von Dissidenten im Ausland beteiligt waren. Fürs Erste bleibt die Liste unter Verschluss, lediglich das Finanzministerium nannte einen Namen, als es Strafmaßnahmen verkündete. Was Ahmed al-Asiri, zur Zeit des Mordes an Khashoggi Vizegeheimdienstchef, in den Vereinigten Staaten an Guthaben besitzt, wird eingefroren.

Demokraten fordern Strafe

Vorangegangen war am Freitag die Veröffentlichung einer von Donald Trump unter Verschluss gehaltenen Analyse, in der die CIA bereits 2019 zu eindeutigen Schlüssen gekommen war. Der saudische Kronprinz, heißt es darin, habe den Einsatz zur Ergreifung oder Tötung Khashoggis im Oktober 2018 in Istanbul genehmigt. Seitdem ist die Debatte in Washington in vollem Gange. Biden, fordern prominente Demokraten, möge dem ersten Schritt einen zweiten folgen lassen und den Kronprinzen zur Persona non grata erklären. Auch für MbS müsse es ein Einreiseverbot geben, verlangt Ron Wyden, ein Senator aus Oregon. Und solange er dem Kabinett angehöre, müsse sein Land die Folgen zu spüren bekommen.

Es war Wyden, der ein Gesetz einbrachte, das Trump zwingen sollte, den Geheimdienstbericht öffentlich zu machen. Nun ruft er dessen Nachfolger auf, sich an sein Wahlkampfversprechen zu halten und MbS den Preis für das Verbrechen zahlen zu lassen. Es sieht nicht so aus, als könnte er sich damit durchsetzen.

Zwar hat Biden einst, im Laufe einer Kandidatendebatte, Klartext geredet. Er wolle die Saudis "zu den Parias machen, die sie sind", kündigte er an, nachdem er erklärt hatte, Khashoggi sei auf Anweisung des Thronfolgers ermordet und zerstückelt worden. Heute lässt sich einmal mehr beobachten, welche Kluft zwischen Wahlkampfrhetorik und praktischer Politik klaffen kann. Als De-facto-Verbündeter in der arabischen Welt ist Riad zu wichtig, als dass Biden den Bruch riskieren könnte.

Durchbruch erhofft

Auch Biden hofft, dass der von Trump vermittelten Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie Bahrain der tatsächliche Durchbruch folgt: die Aufnahme diplomatischer Beziehungen Israels mit Saudi-Arabien. Will er wie bereits avisiert zum Atomabkommen mit Teheran zurückzukehren, muss er parallel dazu Gespräche mit Riad führen, dem misstrauischen Rivalen des Iran am Golf. Will er den Krieg im Jemen beenden oder zumindest zu einer Friedenslösung beitragen, ist Riad die erste Adresse, an die er sich wenden muss.

Die USA nutzen zudem fünf Stützpunkte in Saudi-Arabien und sind der mit Abstand größte Rüstungslieferant des Königreichs. Nach einer Übersicht des Thinktanks Brookings Institution entfielen 73 Prozent aller saudischen Waffenimporte der vergangenen fünf Jahre auf sie. Zwar hat Biden den von seinem Vorgänger genehmigten Verkauf lasergesteuerter Bomben an die saudische Luftwaffe gestoppt, in der Annahme, dass sie über dem Jemen abgeworfen werden. Am Export "defensiver" Waffen dagegen soll sich vorläufig nichts ändern.

Am Kronprinzen, glauben Nahostexperten in Washington, führt bei alledem kein Weg vorbei. Die Vorstellung, König Salman könnte ihn seiner Macht berauben, gilt als unrealistisch. Dazu scheint der 35-Jährige zu fest im Sattel zu sitzen. Allerdings soll er nicht mehr auf so peinliche Weise hofiert werden, wie es unter Trump der Fall war. (Frank Herrmann aus Washington, 28.2.2021)