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Jane Fonda fordert mehr "Herz und Verstand" in den US-amerikanischen Film- und Fernsehproduktionen.

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Regisseurin Chloé Zhao steht mit dem Hauptpreis für "Nomadland" als bester Film des Jahres für mehr Vielfalt im Geschäft.

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"Mitgefühl lässt alle Grenzen zwischen uns zusammenbrechen" ("Compassion is the breakdown of all the barriers between us"): Das war der Kernsatz der kleinen Dankesrede, mit der Chloé Zhao in der Nacht auf Montag den Golden Globe für den besten Film, Nomadland, in Empfang nahm. Die in Peking geborene, inzwischen in den USA arbeitende Filmemacherin wurde auch noch für die beste Regie ausgezeichnet. Sie erzählt von Menschen ohne festen Wohnsitz am Rande der amerikanischen Gesellschaft.

Die Hollywood Foreign Press Association (HFPA) entschied sich damit in zwei zentralen Kategorien für eine weitgehend unabhängig arbeitende, politische Künstlerin und ließ das Establishment leer ausgehen. So könnte man jedenfalls auf den Punkt bringen, dass die Netflix-Produktion Mank, die das Hollywood der 1940er-Jahre neu heraufbeschwört, trotz sechsfacher Nominierung nicht prämiert wurde.

Reporter simulierten Gala-Stimmung

Chloé Zhao machte auch noch in einer anderen Hinsicht einen Unterschied: Sie war, wie alle anderen Kreativen, zu der Zeremonie zugeschaltet und wirkte dabei dezidiert alltäglich gekleidet. Die Globes fanden dieses Jahr in einer digitalen Form statt. Trotzdem hatten es sich die meisten Teilnehmenden nicht nehmen lassen, sich in Schale zu werfen. Es gab auch so etwas wie einen roten Teppich. Der bestand im Wesentlichen darin, dass im Beverly-Hilton-Hotel einige Reporter Gala-Stimmung simulierten und per Liveschaltung die Roben abfragten, die je nach gewähltem Bildausschnitt vor dem Zoom-Fenster unterschiedlich gut zu sehen waren. Bei den Anzügen tat sich Josh O’Connor hervor, der Darsteller des Prinz Charles aus der Serie The Crown. Er trug eine Art weißes Joker-Revers auf der schwarzen Jacke.

Jane Fonda's Passionate Diversity Plea At Golden Globes0 Zeichen

Bei den Fernsehpreisen holte The Crown vier der sechs möglichen Globes, darunter Beste Serie, beste Hauptdarstellerin (Emma Corrin spielt Prinzessin Diana in der vierten Staffel, sie setzte sich unter anderem gegen Olivia Colman durch, die die Queen selbst spielt), beste Nebendarstellerin (Gillian Anderson als Margaret Thatcher), und eben O’Connor, der so vielen für seine Interpretation des gepeinigten weißen Privilegierten Charles, Prince of Wales, ans Herz gewachsen ist, als bester Hauptdarsteller.

Golden Globes

Sieht man von den beiden Preisen für Nomadland ab, war eine auffällige Politisierung der Globes nicht zu erkennen. Dabei stand die auslobende Organisation gerade in der Woche vor der 78. Verleihung der Globes wieder einmal im Fokus: Da fiel plötzlich auf, dass die schwarze Community unter den Abgesandten der internationalen Medienwelt in Los Angeles nicht repräsentiert ist. Die HFPA gelobte während der Sendung mit einer eigenen Goodwill-Einlage ausdrücklich eine diversere Zukunft.

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Übertragungstechnisch mussten die ersten "zweiküstlichen" Globes einige Schwierigkeiten überwinden: Dass die beiden Präsentatorinnen Tina Fey und Amy Poehler von der Ostküste und der Westküste (als "bicoastal") zusammengeschaltet wurden, klappte ganz gut. Aber schon einer der ersten Preisträger, Daniel Kaluuya, bester Nebendarsteller in Judas and the Black Messiah, musste nach einem Tonausfall noch einmal ansetzen. Dass jemand mit der Rolle eines marxistisch-leninistischen Revolutionärs, des Aktivisten Fred Hampton von der Black Panther Party, einen der höchsten amerikanischen Filmpreise erlangen kann, ist sicher nicht mehr revolutionär, zeugt aber doch auch von den massiven Veränderungen des öffentlichen Bewusstseins, das sich bei den Globes manifestiert.

Erhoffter Wandel in Herz und Hirn

Es blieb schließlich der früheren Protestikone Jane Fonda vorbehalten, die Botschaft des Abends in einem leidenschaftlichen Plädoyer zusammenzufassen: Sie erhielt einen Cecil-B.-DeMille-Award für ihr Lebenswerk und ließ in ihrer Dankesrede erkennen, dass sie umfassend über die aktuelle Film- und Serienproduktion informiert ist. Sie hob I May Destroy You hervor, die radikale britische Serie von Michaela Coel über eine Vergewaltigungserfahrung, die nach vielfacher Auffassung unbedingt bei den Globes nominiert hätte sein müssen, es aber nicht war. Sie äußerte Hoffnung auf einen Wandel in "Hearts and minds". "Herz und Verstand", das ist eine Formulierung, die in Amerika ihren Kontext in den Auseinandersetzungen um den Vietnamkrieg hatte, in denen Fonda stark engagiert war.

1973 heiratete sie den Aktivisten Tom Hayden, der 1969 wegen seiner Opposition gegen den Krieg vor Gericht stand. An diesen Prozess erinnert wiederum The Trial of the Chicago 7 von Aaron Sorkin, der für fünf Globes nominiert war, aber nur in der Kategorie bestes Drehbuch gewann. "Lasst uns das Zelt größer machen", plädierte Fonda. Sie meinte damit, dass mehr und unterschiedlichere Positionen unter dem Dach der amerikanischen Erzählindustrie Platz haben sollten. Mit Chloé Zhao ist da immerhin schon einmal ein guter weiterer Schritt gemacht. (Bert Rebhandl, 1.3.2021)