Es gibt etwa 50 Singvogelarten, die Europa in der kalten Jahreszeit verlassen, um in Afrika, südlich der Sahara-Wüste, zu überwintern. Zwischen Februar und Mai machen sie sich auf den Rückweg in die Gebiete, in denen sie brüten und ihren Nachwuchs aufziehen. Es ist eine ein- bis zweimonatige Reise durch oft unwirtliche Landschaften, wie die etwa 2.500 Kilometer lange Durchquerung der Sahara oder die mindestens 500 Kilometer lange Überquerung des Mittelmeers. Um zu überleben und in der Lage zu sein, sich in geeigneten Gebieten niederzulassen und einen Partner zu finden, folgen die Vögel bestimmten Strategien, die von Art zu Art variieren. Jeder Halt auf dem Weg dient einem bestimmten Zweck, und wir beginnen gerade erst zu verstehen, welche Rolle diese Zwischenstopps für eine erfolgreiche Migration spielen.

Das Nest eines Halsbandschnäppers (Ficedula albicollis). Er ist ein Langstreckenzieher, der im Wienerwald brütet und den Winter im tropischen Afrika verbringt.
Foto: Wolfgang Vogl

Zwischenstopps zur Vermeidung von Flügen bei Tageslicht

Die meisten Singvögel, die aus Afrika zurückkommen, sind nachtaktive Zugvögel. Das bedeutet, dass sie dazu neigen, ihre Langstreckenzüge nur unter dem Sternenhimmel durchzuführen. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Einer der wichtigsten hängt wahrscheinlich mit der Vermeidung von Dehydrierung zusammen: Wenn die Vögel während der Bewegung niedrigeren Temperaturen ausgesetzt sind, können sie Wasser sparen. Unsere jüngsten Studien zeigen, dass das Wassermanagement ein entscheidender Aspekt ist, um die Herausforderungen der Migration zu überstehen – insbesondere, wenn die Vögel die Sahara-Wüste durchfliegen. Neben der Vermeidung der Hitze ist die Luft in der Nacht außerdem oft weniger turbulent. Das Fliegen in strömungsgünstiger Luft spart den Vögeln wertvolle Energie. Eine der größten Bedrohungen für kleine fliegende Singvögel sind räuberische Greifvögel, die oft zur gleichen Zeit ziehen. Diese größeren Vögel benötigen jedoch thermische Strömungen, um in der Luft zu bleiben, und ziehen daher meist tagsüber. Durch das Fliegen in der Nacht vermeiden die Singvögel somit das Risiko, eine Mahlzeit für sie zu werden.

Treibstoff verwalten

Zugvögel sind auf die unter der Haut gespeicherten Fettreserven angewiesen, um die Energie für den Antrieb ihrer Muskeln zu gewinnen. Das Fliegen ist viel energieaufwendiger als Laufen oder Schwimmen, und Fett bietet den idealen Verbrennungsstoff für diese Bewegung. Singvögel sind jedoch zu klein, um genügend Fett für den gesamten Flug mitzuführen. Daher brauchen sie auf ihrer Reise einige zusätzliche Boxenstopps, um ihren Tank wieder aufzufüllen. Meistens tun sie das in Erwartung eines langen Reiseabschnitts, wo die Nahrung knapp sein wird, wie zum Beispiel die Überquerung einer Wüste oder eines Meeres. Selbst unerfahrene Individuen scheinen ein angeborenes Wissen darüber zu haben, wo und wann es notwendig ist, mehr Fett anzusammeln. Erwachsene Vögel sammeln im Laufe der Zeit die nötige Erfahrung, um diesen Prozess zu optimieren und nicht zu viel Zeit mit dem Nachtanken zu verbringen. Zeit ist eine wichtige Währung in Sachen Migration: Die schnelleren Vögel werden zuerst in den Brutgebieten ankommen und die besten Partner finden. Daher ist die optimale Verwaltung der Fettreserven einer der Hauptfaktoren, die ein wanderndes Individuum mehr oder weniger erfolgreich machen können.

Eine kleine Oase in der marokkanischen Wüste. Diese wenigen Büsche sind ein sehr wichtiger Rastplatz für Zugvögel.
Foto: Leonida Fusani

Sich ausruhen

Beim Fliegen in der Nacht und der Nahrungssuche am Tag bleibt wenig Zeit für eine der wichtigsten physiologischen Anforderungen des Körpers: den Schlaf. Daher werden Zwischenlandungen von vielen Vögel hauptsächlich dazu genutzt, sich auszuruhen und sich von Müdigkeit und Schlafmangel zu erholen. Offensichtlich beeinflusst die Menge an Treibstoff, die Vögel bei ihrer Ankunft haben, ihre Aktivität. Magere Vögel müssen auf Nahrungssuche gehen, indem sie sich fortbewegen, und vergrößern damit das Risiko, auf Raubtiere zu treffen, die an Zwischenlandungsplätzen immer präsent sind. Vögel mit größeren Fettspeichern können sich dagegen erlauben, sitzen zu bleiben, zu ruhen und zu schlafen.

Neuere Studien haben gezeigt, dass die letztgenannten Vögel in der Regel einen leichteren Schlaf haben, der es ihnen ermöglicht, schneller auf potenzielle Raubtiere zu reagieren. Vögel in schlechter Verfassung schlafen tiefer und mit dem Kopf ins Gefieder gesteckt, was zwar gut in Bezug auf Energieeinsparung ist, sie aber einem höheren Risiko aussetzt, von Raubtieren erbeutet zu werden. Wie in vielen anderen Fällen auch machen Zugvögel einen Kompromiss zwischen dem Bedürfnis, sich zu erholen, und dem Ziel, Angriffe von Raubtiere zu überleben.

Die Insel Ponza zieht während des Frühjahrszugs eine Vielzahl von Vögeln an. Sie nutzen sie meist für eine kurze Rast.
Foto: Leonida Fusani

Vorbereitung auf die Brut

Der Jahreszyklus eines europäisch-afrikanischen Zugvogels ist sehr straff. Neben der Brutsaison müssen sie zwei Wanderungen, eine oder zwei Perioden der Federmauser (das Ersetzen der alten, abgenutzten Federn durch frische) und die Überwinterungssaison unterbringen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie den nächsten Schritt "vorausplanen". Wenn sie sich auf ihrer Frühjahrswanderung den Brutgebieten nähern, beginnen sie bereits mit dem Aufbau ihrer Fortpflanzungsmaschinerie. Wie üblich ist die Verteilung der Energie auf die verschiedenen physiologischen Systeme eine heikle Angelegenheit.

Wenn man zu viel Energie in die Fortpflanzungsorgane und die Hormone investiert, die für die Aktivierung des Sexualverhaltens notwendig sind, könnte das auf Kosten des Immunsystems oder der Fettspeicher gehen, die für die Migration benötigt werden. Etappengebiete in der Nähe der Brutplätze scheinen daher "Parkplätze" zu sein, auf denen die Vögel den Übergang vom Zug- zum Brutzustand vollziehen – um bereit zu sein, partnerschaftlichen und elterlichen Geschäften nachzugehen, sobald sie ihre Brutplätze erreichen.

Ein farbberingtes Weißbart-Grasmücken-Männchen (Sylvia cantillans). Diese mediterrane Art zeigt gegen Ende ihrer Wanderung ein territoriales Verhalten an Rastplätzen.
Foto: Armando Aispuro

Nicht nur Routen

In den letzten Jahrzehnten haben uns die Fortschritte in der Technologie geholfen, die Zugrouten vieler Vogelarten zu entdecken und besser zu verstehen, wie wir die Orte erhalten können, die von Zugvögeln während ihrer Reise passiert werden. Viel weniger wissen wir über die Mechanismen, die es ihnen ermöglichen, ihren Körper und ihr Verhalten während der Reisen zu verändern. Zugvögel werden extrem fett, verdoppeln(!) manchmal ihr Gewicht vor dem Zug und kehren nach dem Zug auf wundersame Weise in ihrer gewohnten fitten Form zurück. Wir lernen eine Menge von den kleinen Vögeln, die Tausende von Kilometern zwischen ihrem Sommer- und Winterquartier zurücklegen, einschließlich unerwarteter und überraschender physiologischer Anpassungen, die für die menschliche Gesundheit relevant sein könnten. (Leonida Fusani, Ivan Maggini, 5.3.2021 )