Frans Poelstra: Aufblähungen einer Selbstheroisierung kommen erst gar nicht auf.

Foto: Elizabeth Ward

In zwei Keller muss Frans Poelstra gehen. Der erste enthält sein Archiv, aus dem er Erinnerungsmaterial holt. In Nummer zwei, dem Studio des Theaters Brut, filmt er dann sein neues Stück this body of stories. the lockdown version als Online-Uraufführung. Den einen Gang unternimmt er allein, den zweiten mit der Tänzerin Elizabeth Ward.

Der Niederländer Poelstra (65) hat unzählige internationale Auftritte hinter sich, lebt und arbeitet seit 2004 in Österreich und gilt unter anderem als begehrter Kooperationspartner in der Wiener Tanzszene. Begonnen hat seine Laufbahn in den Siebzigern, als der postmoderne Tanz Europa erreichte. Die Protagonisten des berühmten New Yorker Judson Dance Theater kamen und ließen die Möglichkeiten im Tanz schier grenzenlos erscheinen.

Für unsere Gegenwart heißt das: Weil es gerade eher in Richtung künstlerischer Verengung geht, gewinnen Untersuchungen an der damaligen Aufbruchsbewegung neue Bedeutung. Noch bevor ein Verdacht aufkommt: Sentimental wird Frans Poelstra keine Sekunde lang.

Exzellenter Improvisateur

Befragt und moderiert von Ward, wagt er den Blick zurück: Wie er die Schule abbrach und es tunlichst vermied, in einen "ordentlichen Beruf" abzugleiten. Erst war er Jungspund am Scheinwerfer im Revuetheater, danach Theatertechniker, bevor er die Performance für sich entdeckte.

Frans Poelstra kann, wie in this body of stories zu sehen ist, exzellent improvisieren. Und Elizabeth Ward hält seine Neigung auszuufern mit Bravour im Zaum. Dabei kommt nebenbei auch heraus, warum nicht alles so großartig war in den Seventies – mit Schaudern denkt Poelstra etwa an das damals übliche endlose Diskutieren zurück.

Ermutigung für angehende Tänzer

So nähert sich das Duo Poelstras Studienzeit an der Amsterdamer School for New Dance Development und gipfelt im Reenactment dessen erster Soloarbeit. Dabei wird deutlich, dass zwei versteckte Ebenen eingebaut sind. Erstens die Darstellung der völligen Unplanbarkeit einer Künstlerbiografie und die Ermutigung für angehende Tänzer, sich möglichst nicht den Zwängen einer kalkulierenden Professionalität auszuliefern.

Und zweitens erhält das Publikum wiederum realitätsnahe Einblicke in eine künstlerische Risikozone, von der es den Stücken oft nur als Endprodukt begegnet. Auch hier bleiben Poelstra und Ward souverän: Aufblähungen einer Selbstheroisierung lassen sie erst gar nicht aufkommen. (Helmut Ploebst, 2.3.2021)