In der Antarktis ist Ende vergangener Woche ein gigantischer Eisberg abgebrochen. Durch einen enormen Riss im Brunt-Schelfeis im östlichen Weddel-Meer wurde eine Eisfläche von rund 1.270 Quadratkilometern abgetrennt, wie das Polarforschungsprogramm British Antarctic Survey (BAS) mitteilte. Der Eisberg ist damit mehr als doppelt so groß wie der Bodensee. Forscher hatten den wachsenden Riss im 150 Meter dicken Schelfeis schon in den vergangenen Monaten genau beobachtet, zuletzt verlängerte er sich um bis zu einen Kilometer täglich.

Luftaufnahme des Risses aus dem Jänner.
Foto: BAS

Auf dem Brunt-Schelfeis befindet sich die vom BAS betriebene Halley Research Station. Forscher rechnen damit, dass sich die gigantische Kalbung auch auf die Station auswirken könnte, die sich nur elf Kilometer von der Bruchstelle entfernt befindet und schon seit mehreren Jahren aus Sicherheitsgründen nicht mehr ganzjährig betrieben wird. Das aktuell zwölfköpfige Forscherteam verließ die Station Mitte Februar.

Trennung mit Vorlauf

An den Rändern der westantarktischen Schelfeise kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Rissen und großen Eisabbrüchen. Im Juli 2017 brach etwa vom Larsen-C-Schelfeis der größte je beobachtete Eisberg ab: Eine 5.800 Quadratkilometer große Eisfläche trennte sich von ihrer Mutterplatte, das Schelf verlor dadurch fast zwölf Prozent seiner Fläche. Doch auch im Brunt-Schelfeis mehren sich seit Jahren Hinweise auf eine bevorstehende Kalbung, wie das Abbrechen größerer Eismassen wissenschaftlich bezeichnet wird.

Einen ersten Riss im Brunt-Schelfeis entdeckten Forscher schon 2012, vier Jahre später kam ein weiterer dazu. Vor diesem Hintergrund wurde die Forschungsstation damals verlegt, seither bleibt sie während des antarktischen Winters, in dem Evakuierungen schwierig wären, unbesetzt. Die beiden Risse blieben jedoch in den vergangenen eineinhalb Jahren weitgehend stabil.

Im Zentrum dieser Karte des Brunt-Schelfeises befindet sich die Halley-Forschungsstation. 2012 bildete sich der erste Riss (Chasm 1), 2016 kam der "Halloween Crack" dazu. Geburtshelfer eines riesigen Eisbergs wurde aber nun der North Rift.
Grafik: BAS

Rasanter Riss

Im November entdeckten Glaziologen dann einen dritten und äußerst aktiven Riss, der sich von der Schelfeiskante nordwestlich der Station gen Norden auftat. Die zunehmende Geschwindigkeit, mit der er sich durch das Eis fraß, deutete auf eine bevorstehende Kalbung hin. Im Jänner wuchs der Riss rund einen Kilometer pro Tag. Am 26. Februar war es dann so weit: Der Riss erreichte eine Einkerbung im Norden der Eisplatte, klaffte innerhalb weniger Stunden hunderte Meter auseinander – und schuf damit einen riesigen Eisberg, der nun vom Schelfeis wegdriftet.

British Antarctic Survey

"Unser Team ist schon seit Jahren auf ein solches Ereignis vorbereitet, wir beobachten die Entwicklungen täglich sehr genau", sagte Jane Francis, die Direktorin des British Antarctic Survey. Auch im nun beginnenden antarktischen Winter würden genaue Vermessungen mithilfe von Satelliten der Esa und der Nasa vorgenommen, zusätzlich komme der deutsche Erdbeobachtungssatellit Terrasar-X zum Einsatz. Ob und inwiefern das Eis rund um die Halley Research Station von dem Ereignis beeinflusst wird, soll ebenfalls laufend eruiert werden.

Im Lauf der nächsten Wochen und Monate könnte sich der Eisberg weiter wegbewegen, er könnte aber auch auf Grund laufen und in der Nähe des Brunt-Schelfeises bleiben, sagte Simon Garrod, Leiter des Missionsbetriebs am BAS: "Das ist eine sehr dynamische Situation, wir haben die Forschungsstation schon vor vier Jahren verlegt, damit sie nicht von einem Eisberg weggerissen wird. Jetzt müssen wir genau beobachten, welche Auswirkungen die Kalbung auf das verbliebene Schelfeis hat." (David Rennert, 1.3.2021)