Da ziehst du artig die kurvige, kilometerweit unbefahrene Landstraße hoch, um dir einen Eindruck zu machen von den Fahrwerksqualitäten, von Beschleunigungs- und Bremsverhalten, und das Ding liegt wie Brett, röhrt und brabbelt wie ein guter alter Small Block und – nein, falscher Film, hier wird nur leise gesurrt, im RS-Fall auch noch … davon gleich mehr, erst einmal ein paar prinzipielle Vorbemerkungen.

Foto: Audi / Christian Houdek

Dieses Auto ist purer Muskel. Sieht atemberaubend gut aus, lässt Leuten beim Ansichtigwerden die Kinnlade nach unten rutschen, so diese nicht von der omnipräsenten Maske oben gehalten wird. Das jedenfalls zählt zu unseren Beobachtungen, die wir in Niederösterreich neben den ersten Fahreindrücken vom Audi e-tron GT sammeln konnten, nach Unterzeichnung der Geheimhaltungsunterklärung. Ein Handschlag als Zusicherung, sich an die Sperrfrist zu halten, ist in Zeiten von Corona sichtlich verpönt, der Ellbogengruß passt ohnehin viel besser zur gleichnamigen Gesellschaft.

Foto: Audi / Christian Houdek

Audi e-tron GT also. Der R8 e-tron, erste seriöse Einübung in die E-Mobilität bei Audi, ist schon eine Weile her, 2012 sollte es in Serie gehen, die Sache wurde erst einmal auf Eis gelegt (2016 kam es immerhin zu einer Kleinserie) – prügelte man den auf Elektro umgemodelten Supersportwagen um den Rundkurs, war gleich einmal Sense mit Strom. VW-Ex-Konzernchef Martin Winterkorn soll geschäumt haben seinerzeit, als Tesla selben Jahres mit dem Model S debütierte (und Audi und alle anderen düpierte): "Meine Herren, so ein Auto hätte ich von Ihnen erwartet!"

Foto: Audi

Spät, aber doch scheint die Forderung doch noch erfüllt zu werden, mit dem e-tron GT, der in Österreich demnächst, im Mai, auf den Markt kommt. Mit 4,99 m Länge, 1,96 Breite und 1,41 Höhe (Radstand: 2,90 m) ist er kein kleines Auto, fährt sich aber mit der optionalen Allradlenkung so. Für den Kofferraum gilt: Große Klappe, kleiner Platz. 405 Liter, ist halt letztlich der Coupé-Silhouette gestundet. Vorne unter der Haube findet sich übrigens ein weiteres Kompartiment mit 85 Liter Volumen, und aber hallo, so was kennt man von Porsche, vom 911 und auch vom Taycoon – Pardon: Taycan.

Foto: Audi / Christian Houdek

Wer es nicht schon wüsste, könnte daraus und aus weiteren Daten (Taycan Länge / Breite / Höhe: 4,96 / 1,97 / 1,38 m, Radstand: 2,90 m; Kofferraum hinten/vorne: 366 / 81 l) schließen, dass da eine gewisse Verwandtschaft vorliegt, die sich in Zweiganggetriebe, gleich großer Batterie (93,4 kWh) und 800 Volt Systemspannung (mit phänomenalen Lade- und Rekuperationsleistungen) und je einem Elektromotor vorne und hinten fortsetzt.

Der Respektabstand zu Porsches Topmodell, dem Turbo S (460 kW / 625 PS; mit Overboost: 560 kW / 761 PS), bleibt gewahrt: Der Audi e-tron quattro leistet 350 kW (476 PS; Overboost: 390 kW / 530 PS), der RS 440 kW (598 PS; Overboost: 475 kW / 646 PS). Allerdings bleibt die technische Zusammenarbeit kein Solitär, die gemeinsam von Porsche und Audi entwickelte reine Elektroplattform PPE (Premium Plattform Elektro) steht kurz vor dem Serieneinsatz.

Foto: Audi / Christian Houdek

Um nicht abzuschweifen. Wir haben uns da zur Fahrzeugpräsentation eine hübsche Referenzstrecke zurechtgelegt: mit Start-Ziel ÖAMTC Fahrtechnikzentrum Teesdorf, Schwarzensee, Mayerling, Heiligenkreuz und zurück via Autobahn, A21 / A2.

Erst einmal das Basismodell. In Weiß. Prachtvolle Erscheinung. 2351 kg Leergewicht, Jungejunge, aber das glaubt man ebenso wenig wie die fünf Meter Länge. Die Erwartungen, die das Design weckt, werden fahrdynamisch einwandfrei eingelöst. Fantastisch abgestimmtes Fahrwerk, komfortabel auf der reichlich straffen Seite, und das leise Surren wird bei höherem Tempo fließend von Windgeräuschen abgelöst, ansonsten herrscht Stille.

Foto: Audi / Christian Houdek

So. Und jetzt das Ganze nochmal. Mit dem RS e-tron GT. Unglaublich, aber nicht unerwartet. Noch einmal ein Sprung bei Beschleunigung und Verzögern, noch einmal schärfer zugespitzt. Hier wie dort in segensreicher Wirkung unter anderem die geregelte Hinterachs-Differenzialsperre, die für optimale Traktion, Stabilität und verringerte Lastwechselreaktionen sorgt.

Und dann war da noch dieses Klangbild, anders als beim quattro. Im Dynamik-Modus gibt es nämlich einen (optionalen) Sportsound, der einen Hauch von verbrennungsmotorischem Gänsehaut-Vibrato vermittelt, Mazda macht im MX-30 was ähnliches auf ganz anderem Niveau.

Auch hierin zeigt sich: Audi und Porsche haben jeder ein klares eigenes Profil, im Taycan wird, anders als im e-tron GT, der surrende Elektromotor-Generatorklang demonstrativ hervorgehoben, um die Art des Antriebs nicht zu verschleiern, wie es heißt.

Mit dem e-tron GT quattro geht die Reise übrigens bis zu 487 km weit, mit dem RS bis zu 472.

Foto: Audi / Christian Houdek

Im automatischen Betriebsbereich sucht sich der e-tron GT das jeweils passende Profil zwischen Segeln und Rekuperieren aus. Will man manuell eingreifen, über die Wippen am Lenkrad, zeigt sich, dass die schärfste Rekuperationsstufe meilenweit vom Einpedalbetrieb entfernt ist. Audi begründet das mit dem Umstand, dass man auf keinen Fall nahe der Tesla-Philosophie verortet werden möchte.

Weiters aufgefallen ist uns die schwache Heizleistung, da reguliert man schnell manuell nach – und das trotz serienmäßiger Wärmepumpe. Und die hinteren Insassen finden prinzipiell ausreichen Platz vor, nach oben hin aber weniger.

Kurz noch die Infos zu Stromverbrauch und Ladezeiten. Der quattro kommt auf einen kombinierten Wert von 18,8 bis 19,6 kWh/100 km, der RS genehmigt sich 19,3 bis 20,2 kWh. Und wenn die volle Schnelladeleistung von 270 kW genutzt wird, bei einer der sündteuren Ionity-Stationen etwa, ist die Batterie in zweiundzwanzigeinhalb Minuten wieder auf 80. Prozent nämlich.

Foto: Audi / Christian Houdek

Der e-tron kommt als quattro (350 kW / 476 PS) auf 101.400 €, als RS (440 kW / 598 PS) auf 140.400 – dafür erhielte man mehr oder weniger zwei Mirai, womit wir bei der anderen, exotischeren Art der Elektromobilität wären, der mit Wasserstoff-Brennstoffzelle.

Die neue Generation ist erstmals für jedermann und -frau erhältlich, kostet 59.900 bis 74.900 Euro, leistet 134 kW (182 PS), kommt auf eine Normreichweite von 650 km (30 Prozent mehr als beim Vorgänger) und ist in fünf Minuten geladen – äh: betankt. So viel zu den gut 22 beim Audi.

Endlich Wasserstoff

Toyota hat ja stets betont, Hybrid bloß als Brückentechnologie für das Wasserstoffzeitalter zu sehen, und nun geht es also wirklich in so etwas wie eine Großserie: Derweil von der ersten Generation (2014 bis 2020) insgesamt etwa 10.000 Mirai produziert wurden, peilt Toyota bei der Neuauflage 30.000 an – pro Jahr.

Foto: Toyota

Der Neue steht auf der GA-L-Plattform, die unter anderem auch der Lexus LS benutzt. Daraus wäre auch ohne direkten Augenschein schon ablesbar, dass es sich um was Großes handeln muss. Und in der Tat, mit 4,98 cm Länge, 8,5 cm mehr als bisher, kratzt der Mirai nun an der Fünfmetermarke, streckt sich fast auf dieselbe Länge wie Audis e-tron GT.

Stilistisch setzen die Japaner auf die mit dem Prius eingeführte Fließheck-Silhouette (Audi letztlich aber auch, nur flacher), die seit seligen Citroën-Zeiten irgendwie avantgardebehaftet und jedenfalls längst auch bei Toyota bestens eingeführt ist. Der große Wagen sieht in natura recht gut aus, und wie er sich im Fahrbetrieb macht, konnten wir bei einer Präsentation erproben, zu der die Leute von Toyota Motor Europe tiefwinters extra mit ein paar Fahrzeugen angereist waren.

Foto: Toyota

Start-Ziel im Radisson Blu-Park Royal Palace Hotel beim Technischen Museum Wien, die Route führte über Süd- und Westautobahn und dazwischen reichlich Bundesstraße und Ortsgebiet, Rohrer Sattel, Kalte Kuchl (machte dem Namen Ehre, zehn, zwölf Grad minus), Wienerwald, super Strecke, und da fiel uns zweierlei auf.

Zunächst einmal: Kälte war bei Wasserstoff-Brennstoffzelle lange Zeit problematisch. Das hat man durch ausgefuchstes Wärmemanagement längst gut im Griff. Und dann gönnt sich der Mirai in beherzt gefahrenen Kurven – was nun freilich nicht zum intendierten Fahrprofil gehört, aber probieren wollte wir es schon auch – ein leichtes Einnicken, aber bestimmt nicht dramatisch.

Foto: Toyota

Leise, leichtfüßig, aber nicht leichtsinnig, hatten wir im Notizblock alliterierend festgehalten: In der Tat geht es im Mirai so leise zu, wie man das in der Toyota-Markenwelt sonst nur von Lexus her kennt. Selbst das Surren des E-Motors beim Beschleunigen oder Verzögern ist kaum zu hören. Und klar, solchen Wumms wie der e-tron GT kann der Mirai nicht bieten, seine 134 kW und 300 Newtonmeter Drehmoment machen dem Japaner aber dennoch Beine, jedenfalls im Sport-Modus. In Normal und Eco gibt er sich zugunsten der Reichweite zurückhaltender.

Mit einem Leergewicht von 1900 bis 1950 kg bleibt der Mirai freundlicherweise unter zwei Tonnen, die die großen Batterieelektriker mühelos und oft auch weit überschreiten, siehe wiederum e-tron GT. Entsprechend der Eindruck einer gewissen Leichtfüßigkeit, die der Wagen vermittelt. Und auf Leichtsinnigkeit verzichtet Toyota generell schon, hier aber besonders, da Wasserstoff an Bord.

Foto: Toyota

Statt zwei sind nun drei 700-Bar-Hochdrucktanks an Bord, sie werden, wie auch die Brennstoffzellen, mit hohem Aufwand geschützt. Die drei Tanks fassen 5,6 kg Wasserstoff, und wenn sich im Fahrbetrieb eine richtig gute Balance feststellen ließ, so liegt das auch an der Verteilung der einzelnen Komponenten.

Die Brennstoffzelle findet unter der Motorhaube Platz, Lithium-Ionen-Batterie (1,24 kWh Kapazität, stehend hinter der Rückbank), Elektromotor und Antrieb befinden über der Hinterachse, zwei Wasserstofftanks zwischen Vorder- und Hinterachse, der dritte unterm Kofferraum (der mit seinen 271 Litern Volumen entsprechend bescheiden ausfällt). Ergibt in Summe jedenfalls eine 50:50-Prozent-Achslastverteilung.

Foto: Toyota

Aufgefallen ist weiters: Windgeräusche ab 150 km/h, auch das haben wir interessehalber kurz ausprobiert. Großzügiger, luftiger Innenraum, da fühlt man sich wohl an Bord. Die Heizleistung hingegen ist eher mau, selbst wenn man die Klimaautomatik auf hoch einstellt, haucht es eher warm aus den Düsen denn dass es bläst.

"Turn left towards NJUULÄNGBÄHTSCH": Danke für das launige Unterhaltungsprogramm der englischsprachigen Navi-Ansage bei der Fahrzeugpräsentation, so hübsch sind wir noch selten nach Neulengbach und anderswo eingebogen.

Und wenn das schnelle Tanken gegenüber dem Laden von batterieelektrischen Autos positiv zu vermerken bleibt, so wäre die Infrastruktur der Pferdefuß. In Österreich gibt es derzeit nur fünf (ÖMV-)Wasserstofftankstellen – in Wien, Wr. Neudorf, Graz, Asten und Innsbruck.

Foto: Toyota

Der Zwänge der Zeit wegen bringt Toyota jetzt auch batterieelektrische Fahrzeuge auf den Markt. Heuer im Herbst den Lexus-SUV UX 300e, nächstes Jahr dann einen Toyota – Gerüchten zufolge ebenfalls ein SUV, größenmäßig womöglich angesiedelt zwischen C-HR und RAV4.

Schlusswort zum Mirai: super Auto. Und zur Wasserstoff-Brennstoffzelle: funktioniert tadellos. Nur müsste die Wasserstoff-Gewinnung halt tatsächlich auf Basis sauberer Energie erfolgen und schon gar nicht aus Erdgas. Wie es aussieht, hat der batterieelektrische Antrieb kurz- und mittelfristig bei der Individualmobilität die Nase vorn, Wasserstoff-Brennstoffzelle sieht man eher für den Schwerverkehr geeignet. Langfristig? Wer wagt da schon Prognosen zu stellen. (Andreas Stockinger, 3.3.2021)