Facebook gerät wegen der Sperre der Facebook-Seite der kurdischen Volksverteidigungseinheiten in Kritik.

Foto: AFP/Alastair Pike

Als die Türkei im Frühjahr 2018 die im Nordwesten Syriens gelegene Region Afrin besetzte, wurde der Social-Media-Gigant Facebook vor eine Wahl gestellt. Denn unter Androhung, die Plattform als Ganzes zu sperren, forderte die türkische Regierung Facebook zur Blockierung von Inhalten der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) auf. Facebook stimmte der Anfrage zu, wie E-Mails bestätigen sollen, die "Propublica" vorliegen.

"Ich bin damit einverstanden", habe Sheryl Sandberg, Co-Geschäftsführerin des Internetkonzerns, in einer E-Mail an das Team geschrieben. Eine Entscheidung, die es Facebook-Nutzern innerhalb der Türkei bis heute unmöglich macht, Beiträge der YPG zu sehen – und die der öffentlichen Kommunikation Facebooks widerspricht.

Freie Meinungsäußerung ist Menschenrecht

Denn erst im vergangenen Jänner veröffentlichte der Konzern folgenden Blogpost zur Situation in der Türkei: "Wir glauben, dass freie Meinungsäußerung ein grundlegendes Menschenrecht ist, und wir arbeiten hart daran, diese Werte auf der ganzen Welt zu schützen und zu verteidigen." Der Beitrag war eine Reaktion darauf, dass ein neues Gesetz Social-Media-Firmen dazu verpflichtet, einen juristischen Sitz in der Türkei zu haben.

Im Fall der Facebook-Seite der YPG entschied sich Facebook offenbar trotz allem für das Geoblocking, wodurch Nutzer in bestimmten Regionen ausgewählte Inhalte nicht mehr aufrufen können. Gegenüber "Propublica" soll Facebook die Entscheidung bestätigt haben, die Seite nach Aufforderung der türkischen Regierung eingeschränkt zu haben.

Sperre aufgrund lokaler Gesetze

Im Rahmen eines Statements erklärte Facebook-Sprecher Andy Stone das Vorgehen zudem folgendermaßen: "Wir bemühen uns, so vielen Menschen wie möglich eine Stimme zu geben. Manchmal schränken wir jedoch Inhalte aufgrund lokaler Gesetze ein, auch wenn sie nicht gegen unsere Community-Standards verstoßen. In diesem Fall haben wir die Entscheidung auf Grundlage unserer Richtlinien bezüglich staatlicher Anfragen zur Einschränkung von Inhalten getroffen."

Transparenzbericht

Jegliche Beiträge, die eingeschränkt werden, würden jedoch zweimal Jährlich im Rahmen eines Transparenzberichts öffentlich gemacht und anschließend von unabhängigen Experten bewertet, so Stone. Eigenen Aussagen nach habe der Konzern alleine in der ersten Hälfte des Jahres 2018 weltweit in etwa 15.300 Regierungsanfragen erhalten.

Ungefähr 1.600 dieser Anfragen wurden offenbar von der Türkei gestellt. 1.106 Postings will Facebook als Reaktion auf ebendiese Anfragen gesperrt haben. Dabei habe es sich unter anderem um die Verletzung von Persönlichkeitsrechten, die Verletzung der Privatsphäre oder die Verleumdung des ersten türkischen Präsidenten (Atatürk) gehandelt. (mick, 1.3.2021)