Die beiden Parteivorsitzenden Norbert Walter-Borjans (links) und Saskia Esken präsentierten das Wahlprogramm gemeinsam mit Olaf Scholz. Der Finanzminister ist Kanzlerkandidat der SPD.

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Olaf Scholz schaut am Montagnachmittag ziemlich zufrieden drein. "Die SPD steht als Erstes auf dem Platz", sagt der deutsche Finanzminister. Im Sommer schon wurde er zum Kanzlerkandidaten der Sozialdemokraten für die Bundestagswahl am 26. September ernannt.

Damit hatte er die Nase vorn, die Union weiß immer noch nicht, mit wem sie antritt. Und nun, bei der Vorstellung des Wahlprogramms, sind die Sozialdemokraten wieder die Ersten. Viel ist bei der Präsentation von "Respekt" die Rede. "Wir haben Respekt vor der Arbeit und Respekt vor unterschiedlichen Lebensentwürfen", sagt Scholz.

Über Koalitionen möchte Scholz nicht sprechen. Er macht aber klar: "Wer will, dass ich der nächste Kanzler werde, muss auch die SPD wählen." Der Union dürfte das Wahlprogramm nicht gefallen, viele Forderungen entsprechen dem Gegenteil, wofür sie eintritt.

So fordert die SPD eine Einkommensteuerreform, "die kleine und mittlere Einkommen besserstellt" und, im Gegenzug, "die oberen fünf Prozent stärker für die Finanzierung der wichtigen öffentlichen Aufgaben" heranzieht. Außerdem will die SPD einen Steuersatz von einem Prozent auf "sehr hohe Vermögen".

Zwölf Euro Mindestlohn

Auch am unteren Ende der Einkommensskala plant die SPD Änderungen. Sie tritt für einen Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde ein (derzeit 9,50 Euro) und möchte zudem die staatliche Grundsicherung auf Sozialhilfeniveau für Langzeitarbeitslose (Hartz IV) abschaffen.

An diese Stelle soll ein "Bürgergeld" treten. Es werde zwar weiterhin "Mitwirkungspflichten" der Empfängerinnen und Empfänger geben, "sinnwidrige und unwürdige Sanktionen" aber sollen abgeschafft werden.

Weit vorne steht im Wahlprogramm der Klimaschutz. Bis zum Jahr 2050 soll Deutschland klimaneutral werden, dafür soll es ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen geben. Eine Forderung lautet zudem: Bis 2030 sollen mindestens 15 Millionen E-Autos auf den Straßen Deutschlands unterwegs sein.

Bürgerversicherung

Erneut tritt die SPD für eine Bürgerversicherung im Gesundheitswesen ein. Dann würden alle in eine Versicherung einzahlen, es gäbe kein Nebeneinander von privaten und gesetzlichen Kassen.

"Aus sozialpolitischer Sicht ist das Programm sehr dicht bei uns", sagt Grünen-Chef Robert Habeck. Den umweltpolitischen Teil allerdings nennt er "verzagt".

SPD-Chefin Saskia Esken ist hingegen nicht nur mit dem Inhalt zufrieden, sondern auch mit dem Umfang des Programms. Es hat nur rund 60 Seiten und sei "kein telefonbuchdicker Wälzer", sagte sie bei der Präsentation im Willy-Brandt-Haus in Berlin.

Dritter Platz in Kanzlerfrage

Ihre Eile hat der SPD, was die frühe Kanzlerkandidatur betrifft, allerdings in Umfragen noch nichts gebracht. Sie liegt derzeit bei 15 bis 16 Prozent – hinter der CDU (35 bis 37 Prozent) und den Grünen (18 bis 20 Prozent).

Wann die Union ihren Kanzlerkandidaten kürt, ist unklar. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der neben Armin Laschet (CDU) aus Nordrhein-Westfalen der aussichtsreichste Kandidat ist, erklärte zuletzt, es werde eher "später als früher" passieren.

Die Bundestagswahl ist der Höhepunkt des deutschen Superwahljahres 2021, in dem Angela Merkel abtritt. Doch es finden auch sechs Landtagswahlen statt. Am 14. März sind die Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zu den Urnen gerufen.

Winfried Kretschmann, der einzige grüne Ministerpräsident von Deutschland, will es noch einmal wissen. Er kam 2011, kurz nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima, ins Amt und tritt zum dritten Mal an. Seine Juniorpartnerin ist die CDU, diese würde natürlich gerne die Verhältnisse umkehren, aber es sieht in Umfragen derzeit nicht danach aus.

In Rheinland-Pfalz möchte die oppositionelle CDU gern die Amtszeit von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) beenden. Sie regiert mit einer Ampelkoalition aus SPD, Grünen sowie FDP und ist im Land sehr beliebt. In Umfragen liegen CDU und SPD Kopf an Kopf.

CDU tendiert zur AfD

In Sachsen-Anhalt, am 6. Juni, wird sich der Blick auf die AfD richten. Diese hat dort bei der letzten Wahl 24,3 Prozent erreicht. Um sie in Opposition zu halten, bildeten CDU, SPD und Grüne eine "Kenia-Koalition". Doch in der CDU von Ministerpräsident Reiner Haseloff gibt es Kräfte, die sich von der AfD nicht mehr so stark abgrenzen wollen.

Das gilt auch für Thüringen, wo die Wahl des FDP-Mannes Thomas Kemmerich am 5. Februar 2020 mit Stimmen der AfD für große Aufregung gesorgt hat. Er war dann nur ein paar Tage im Amt, jetzt regiert wieder Bodo Ramelow (Linke). Neuwahlen waren das Zugeständnis an die CDU. Eigentlich hätten diese im April stattfinden sollen, wurden wegen Corona aber auf den 26. September 2021 verlegt.

Zeitgleich wählt Berlin, wo die SPD in Umfragen hinter den Grünen und hinter der CDU liegt. Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat viel von seiner anfänglichen Beliebtheit eingebüßt. Besser ergeht es der Regierungschefin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), die nach dem 26. September gerne weiter mit der CDU koalieren möchte. (Birgit Baumann aus Berlin, 2.3.2021)