Vierhauben-Packerl in Silber: Im Lockdown kennt die Obauer’sche Hingabe zu den Kulturen des Orients kein Halten mehr.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Es wird noch dauern, bis "unsere" Inder und Araber wieder auf Sommerfrische kommen dürfen. In Werfen, tief drin in den Alpen, ist man darauf vorbereitet. Zumindest kulinarisch: So hinreißend wie Rudi Obauer seine Küche mit Raz el Hanout und Passionsfrüchten, Galgant und Kreuzkümmel aufhusst, dürfen sich die Fremden aus dem Morgenland mit offenen Armen und ebensolchen Gaumen empfangen wissen. Als Touristen wohlgemerkt – wir Österreicher sind, gerade wenn es um Menschlichkeit geht, schließlich auch nur Menschen.

Bis dahin gibt es Obauer-Küche nur für Österreicher und Deutsche – an die werden Gläser und Viktualien in aufsehenerregenden, mit Spiegelfolie beschichteten Kartons verschickt. Seit Monaten wird in der Obauer-Küche eingerext und Brot (von archaisch dichter, nicht nur dem Aussehen nach an Rundsteine gemahnender Form!) gebacken, wird zart käsige Rohmilchbutter in Modeln gepresst und Preiselbeeren zu unfassbar ätherischer, mineralisch dichter Marmelade gerührt.

Gänsestopfleber kommt mit Madeira-Rosinen in die Terrine, um zu aristokratisch geilem Schmelz zu werden – ein rares Vergnügen, seit immer mehr Köche meinen, sich einer zusehends kulturfernen, von geifernden Shitstorms befeuerten Idee des Tierschutzes beugen zu müssen. Man kann den Obauers nicht genug danken, dass sie unbeirrt ethisch korrekte Lieferanten und Lebensmittel aufspüren und dieser von Fake-News und billigem Populismus verunglimpften, großen Delikatesse die Stange halten.

Die Pflege der französischen Hochküche ist aber nur ein Grund, warum man in besseren Zeiten den Abstecher ins enge Tal nehmen wollte. Rudi Obauers Virtuosität im Umgang mit fremdländischen Gewürzen und Früchten war stets der andere – und keineswegs nur, weil sie im Kontrast zur biederen Bauernschläue umso faszinierender zu schillern scheint.

Wobei – manch ein Gericht kann den unter Stubenarrest stehenden Feinspitz auch ratlos zurücklassen. Couscoussalat mit Papaya z. B.: Trotz des fruchtig sauren Dressings, trotz reichlich zu feinster Brunoise geschnittenen Gemüses und zart schmelziger Papaya-Chunks, trotz reichlich Sojasauce und Ingwer, Currypulver und Liebstöckel schmeckt beim Weizengrieß ein seltsam ranziger Ton vor.

Le Curry de Paris

Die winzigen Obauer-Weißwürstel sollten dank Curry und Kurkuma eigentlich Gelbwürstel heißen.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Dafür ist die Wintersuppe mit saftigen Stücken von Forelle, Stör und Saibling, vor allem aber mit Schwarzwurzel, knackiger Topinambur und Galgant ein echter Zaubertrank von einer Suppe, irrsinnig reichhaltig und doch leicht, kraftvoll gewürzt und doch von zarter, belebender Sanftheit.

Gemüsecurry mit Kokosmilch ist dann überhaupt ein Erlebnis: Obauer versteht es, den Knack und das Aroma jedes einzelnen Gemüses (Romanesco, Kürbis, Sellerie, Karfiol, Champignons …) herauszumeißeln, ohne deshalb bei der Curry-Power Abstriche zu machen. So entsteht ein Gericht, wie man es sonst nur aus den besseren Brasserien von Paris kennt, in denen Curry seit jeher einen Fixplatz auf den Speisekarten hat.

Melanzaniragout, gar knackig, ohne Schmelz, gerät überraschend süßlich, dafür ist der geschmorte Radicchio mit Gölles-Essig ein wunderbarer Begleiter des schneeweißen, fettgleißenden Specks, den die Obauers aus dem Burgenland beziehen (Triebaumer-Mangalitzas!).

Die Auswahl der Glasln im Webshop ist groß – was man aber auf jeden Fall dazupacken lassen sollte, sind die winzigen Obauer-Weißwürstel, die, siehe Bild, dank Curry und Kurkuma eigentlich Gelbwürstel heißen sollten: So schrankenlos, multikulti köstlich wie diese Obauer-Würsteln wird man die bajuwarische Delikatesse nämlich nie mehr bekommen. Den Rotweinsenf mit Schwarzbeeren will man zu so feinem Wurstwerk gar nicht, aber stören tut er auch nicht wirklich. (Severin Corti, RONDO, 5.3.2021)