Straff und begehrenswert sind zwei Paar Schuhe.

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Ein Bekannter, Fondsmanager von Beruf, wird kommende Woche fünfzig. An sich keine große Sache – der Typ hat alles, wovon Leute wie ich derzeit träumen: viel Wohnraum und Geld wie Heu.

Die neue Jahreszahl allerdings scheint ihm nicht zu bekommen. "Er denkt ernsthaft über eine Augenlidstraffung nach!", klagt Rudi, sein Lebensgefährte, am Telefon. Wir zeigen uns beide alarmiert. Fachkundig warne ich: "Seine testosterongeschwängerte Manager-Sexyness wird mit den gestrafften Augenlidern natürlich total verlieren."

Generalüberholung

All den Damen und Herren, die durch die Innenstadt wandeln, könnte man Ähnliches sagen. Man braucht nur genau hinzusehen: Aktuell tragen viele von ihnen nicht nur Designerhandtaschen spazieren, sondern auch dezente Augenklappen, Nasenpflaster und Kinnverbände. Was nicht weiter verwundert: Laut Wirtschaftsexperten zählen Dermatologen und Schönheitschirurgen zu den großen Corona-Gewinnern. Glücklich, wer in diesem Frühjahr noch einen OP-Termin bekommt.

"Wann, wenn nicht jetzt?", scheinen sich all die paarungswilligen Klienten zu sagen – sobald Bars, Restaurants und Theater endlich wieder geöffnet haben, will man sich möglichst straff und begehrenswert zeigen. Wobei straff und begehrenswert natürlich zwei Paar Schuhe sind – jahrelange Recherchen im erweiterten Freundeskreis haben das ganz klar ergeben.

Da wäre zum Beispiel Max, der Kameramann. Ein charmefreier Typ, mit einem bleichen Gesicht wie ein Lebenslänglicher. Trotzdem hat Max am laufenden Band die aufregendsten Liebesabenteuer. "Hast du Lust auf einen Dreier?", lautete vor ein paar Tagen eine SMS von zwei schwedischen Programmiererinnen. – "Das passt leider schlecht, mir fehlen im Moment zwei Zähne", antwortete Max. – "Na und?"– Wenn es um verspielten Sex geht, scheint in Schweden das ordentlich sanierte Klavier im Mund keine Kategorie zu sein.

Bereitschaftsdienst

"Wer von klein auf hört, wie hübsch er ist, lebt später in der ständigen Angst, sein Gegenüber zu enttäuschen", erklären Psychologen das Problem.

Kein volles Haupthaar, kein flacher Bauch – sondern: Wer ist bereit, und wer ist unkompliziert? Das scheinen die erfolgversprechendsten Signale im Spiel um Lust und Begehren zu sein. Oder, wie Hanno Pöschl, Schauspieler, Gastronom und König des Wiener Schmähs, einmal erklärte: "Ich schlafe lieber mit Frauen aus der Vorstadt. Die haben keine Angst, dass sie ins Schwitzen kommen." (Ela Angerer, RONDO, 15.3.2021)