Bewaffnete Angreifer hatten in der Nacht auf Freitag das Mädcheninternat in Jangebe überfallen und 317 Schülerinnen verschleppt

Foto: AFP / KOLA SULAIMON

Abuja – Fünf Tage nach ihrer Entführung aus einem Internat im Norden Nigerias sind alle 279 Schülerinnen wieder frei. Die Mädchen seien Dienstag früh freigelassen worden und bei guter Gesundheit, sagte der Gouverneur des Teilstaates Zamfaralo Matawalle, der Nachrichtenagentur AFP. Unterdessen überfielen Kämpfer des westafrikanischen IS-Ablegers ISWAP im Nordosten einen UNO-Stützpunkt und ein humanitäres Hilfszentrum.

Bewaffnete Angreifer hatten in der Nacht auf den vorigen Freitag das Mädcheninternat in Jangebe überfallen. Zunächst hatten die Behörden angegeben, dass 317 Schülerinnen verschleppt worden seien. Rund 50 sei die Flucht gelungen. Matawalle sagte am Dienstag, die "Gesamtzahl der aus der Schule entführten Mädchen" sei bei 279 gelegen. "Sie sind alle hier bei uns, wir danken Allah." Ein AFP-Journalist an Ort und Stelle sah die jungen Schülerinnen, die alle hellblaue Kopftücher trugen, im Regierungsgebäude von Zamfara.

Beinschmerzen und Todesdrohungen

Einige der freigekommenen Schülerinnen wurden zum Sitz der Regierung von Zamfara gebracht, wo zu ihren Ehren eine kleine Zeremonie abgehalten wurde. Die zwölf bis 16 Jahre alten Mädchen wirkten müde. "Sie haben uns stundenlang zum Gehen gezwungen", berichtete eines von ihnen, Hafsat Umar Anka. "Einige von uns hatten solche Beinschmerzen, dass wir sie tragen mussten." Die Entführer hätten gedroht, alle umzubringen, die einen Fluchtversuch unternähmen.

Nigerias Präsident Muhamadu Buhari schrieb auf Twitter: "Diese Nachricht bringt große Freude: Ich freue mich, dass ihr Leiden glücklich ohne Zwischenfall endete." Polizei und Militär würden die Täter verfolgen. Sie bräuchten aber die Unterstützung der Bevölkerung, um solchen Verschleppungen endlich ein Ende zu bereiten.

Entführungen häufen sich

Seit Jahren mehren sich die Angriffe krimineller Banden im Norden und im Zentrum Nigerias. Die in Nigeria als "Banditen" bezeichneten Gangs entführen Menschen, um Lösegeld zu erpressen, und sind für Plünderungen und Vergewaltigungen verantwortlich. Bereits im Dezember waren mehr als 300 Buben einer Schule in Kankara im Teilstaat Katsina verschleppt worden. Sie kamen ebenfalls später wieder frei.

Die Banden handeln vornehmlich aus finanziellen Motiven und haben keine bekannten ideologischen Ausrichtungen. Es gibt jedoch wachsende Bedenken, dass sie mit Jihadisten aus dem Nordosten kooperieren könnten. Diese kämpfen seit Jahren für die Errichtung eines islamistischen Staats.

Die Entführungen in den betroffenen Regionen führen nach Angaben der International Crisis Group (ICG) zu einer wachsenden Zahl von Kindern und darunter besonders Mädchen, die keine Schule besuchen können. Schon heute leben in den Regionen demnach die weltweit meisten Kinder ohne jede Schuldbildung.

Angriff von Jihadisten

Jihadisten stürmten nach Angaben aus Sicherheitskreisen am Montag den Ort Dikwa in Nordostnigeria und brachten ihn zunächst unter ihre Kontrolle. Das Hilfszentrum sei in Brand gesteckt und vollständig zerstört worden, hieß es. 25 Helfer befänden sich nun in einem Sicherheitsbunker. Militärische Verstärkung aus der 40 Kilometer entfernten Stadt Marte sei angefordert worden, um die Angreifer zurückzudrängen. Zwei Kampfjets und ein Kampfhubschrauber seien im Einsatz "mit dem Hauptziel, die Terroristen aus dem niedergebrannten humanitären Zentrum zu entfernen".

Der Angriff ereignete sich genau drei Jahre nach einer Iswap-Attacke auf ein UN-Zentrum in der Stadt Rann. Damals wurden drei humanitäre Helfer getötet und eine Helferin entführt.

Der Nordosten Nigerias gilt als Hochburg für Iswap-Kämpfer. Der westafrikanische Ableger der Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) hatte sich 2016 von der Miliz Boko Haram abgespalten, die bereits seit 2009 gewaltsam für einen islamistischen Staat im Nordosten Nigerias kämpft. Durch die Angriffe der Milizen und ihre Kämpfe mit der Armee wurden in den vergangenen Jahren rund 36.000 Menschen getötet, zwei Millionen ergriffen die Flucht. (APA, 2.3.2021)