Vivian (Hadley Robinson mit "Moxie".

Foto: Netflix

Wien – Nicht gesehen zu werden, hat seine Vorteile – oder? Während ihre Mutter als Jugendliche gegen das Patriarchat ankämpfte, durchlebt die 16-jährige Vivian den Highschoolalltag als Mauerblümchen. Bis eine neue Mitschülerin ihre rebellische Ader weckt. In Amy Poehlers Komödie "Moxie" (ab 3. März bei Netflix) schlagen die Mädchen zurück und schreien lauthals gegen Sexismus und Ausgrenzung an der Schule an.

Es ist ein Ablauf, wie er schon tausendfach in US-Filmen vorkam: Breitbeinig schreiten die Alphatiere in ihren Sportjacken durch die Schulflure, die Kids sind streng in Cliquen unterteilt, und wie jedes Jahr wartet auch diesmal auf die jungen Frauen eine "Beurteilung" durch ihre Mitschüler. Wer ist diesmal die Heißeste, wer hat das beste Hinterteil, und so weiter und so fort. Vivian (Hadley Robinson) und ihre beste Freundin Claudia (Lauren Tsai) sind bei all dem außen vor. Hauptsache, nicht ins Schussfeld der dominanten Machos geraten.

Hoch erhobener Kopf

Aber genau damit räumt "Moxie", eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Jennifer Mathieu, ziemlich schnell auf. Denn die Mädels entdecken ihren Mut, wie sich der Titel übersetzen lässt. Als die toughe Lucy (Alycia Pascual-Peña) bereits an ihrem ersten Tag an der Schule von Football-Kapitätin Mitchell (Patrick Schwarzenegger als aalglatter Macho) bedrängt wird, lässt sie das nicht auf ihr sitzen. Von Vivian erhält sie den Rat: Kopf einziehen und durchtauchen. Woraufhin Lucy entgegnet: "Danke, aber meinen Kopf lass' ich erhoben – hoch!"

Es ist der Startschuss für eine Rebellion, die die Schule ordentlich durcheinanderwirbeln wird. Plötzlich sieht Vivian die vielen Übergriffe, die sexistischen Anmerkungen, die Grapscher und vor allem das darüber Hinwegsehen, selbst beim Lehrpersonal. Angestachelt durch die Vergangenheit ihrer kämpferischen Mutter (Poehler), startet sie das Zine "Moxie", das sie anonym an der Schule verteilt und damit den Spieß umdreht. Diesmal sind es nicht die Burschen, die anzügliche Listen führen, sondern die Mädchen, die das toxische Klima an den Pranger stellen. Robinson bringt diese Wandlung ihrer Figur mit jeder Faser zum Ausdruck.

Selbstermächtigung

Unterlegt mit einem wunderbaren Riot-Grrrl-Soundtrack inklusive der obligatorischen Bikini-Kill-Verehrung, bietet "Moxie" eine wohltuende Abwechslung im weiten Feld der Highschool-Filme. Die Komikerin Poehler beweist ihr Gespür für den richtigen Ton sowie eine ausgewogene Balance, wenn sie Humoristisches und Ernstes wunderbar unter einen Hut bekommt. Dabei bricht sie eigentlich kaum aus dem bekannten Kosmos aus, nutzt allerdings eine schöne, den Film rahmende Bildmetapher für die Selbstermächtigung ihrer Protagonistinnen.

Auch fehlt die klassische Romanze der Hauptfigur nicht, wobei gerade in der langsam keimenden Beziehung zwischen Vivian und dem ebenso liebenswürdigen wie aufmerksamen Seth (Nico Hiraga) eine Neudeutung der Wertigkeiten gelingt. Denn letztlich ist das ganz ein Abenteuer von und für junge Frauen, die einfach die Schnauze voll haben. Da ist selbst der meist überflüssige deutsche Zusatztitel gut gewählt: "Zeit, zurückzuschlagen."

Dass der Weg zu Empowerment und Anerkennung kein einfacher ist, verschweigt "Moxie" glücklicherweise nicht. Genauso wenig, dass es nicht jederfraus Sache ist, mit lautstarken Ansagen oder freigelegten Schultern gegen Ungerechtigkeit und eine völlig verdrehte Kleiderordnung aufzubegehren. Die Welt von "Moxie" ist in diesen Punkten vielfältig genug, dass unterschiedlichste Stimmen Platz und Gehör finden. Und selbst wenn einige Klischees auf dem Weg zum befreienden Schrei nicht vermieden werden: Dieser lange überfällige Ausbruch aus der Highschoolhölle ist in jeder Hinsicht eine Wohltat. (APA, 2.3.2021)