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Der Fall Nawalny hat zu diplomatischen Verstimmungen zwischen dem Westen und Russland geführt.

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Brüssel – Die EU und die USA haben am Dienstag wegen der umstrittenen Inhaftierung des Kremlkritikers Alexej Nawalny neue Sanktionen gegen Russland verhängt. In einer koordinierten Aktion wurden in Brüssel und Washington Strafmaßnahmen gegen mehrere ranghohe Staatsfunktionäre beschlossen. Moskau reagierte kritisch und erklärte, das Vorgehen des Westens werde wirkungslos bleiben.

Für die USA sind es die ersten Sanktionen in diesem Fall seit dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Joe Biden. Dessen Amtsvorgänger Donald Trump hatte im Fall Nawalny von Strafmaßnahmen gegen Moskau abgesehen.

Die EU verhängte Einreise- und Vermögenssperren gegen vier leitende Vertreter des Justiz- und Strafverfolgungssystems, wie sie am Dienstag im EU-Amtsblatt mitteilte. Betroffen sind Generalstaatsanwalt Igor Krasnow, der Direktor der Gefängnisverwaltung, Alexander Kalaschnikow, der Chef des Ermittlungskomitees, Alexander Bastrykin, und der Leiter der Nationalgarde, Viktor Solotow.

Vorwarnungen

Die EU setzte nun erstmals ihren neuen Sanktionsrahmen gegen Menschenrechtsverletzungen ein. Die Namen der Betroffenen waren schon in den vergangenen Tagen bekannt geworden. Dies löste bei mehreren Mitgliedstaaten Verärgerung aus, weil es die Wirksamkeit der Sanktionen untergraben könnte. Denn durch die Vorwarnung könnten Betroffene Vermögen aus der EU abziehen, bevor dieses eingefroren werden kann.

Nawalny und das Europaparlament hatten auch Sanktionen gegen russische Oligarchen gefordert, die Präsident Wladimir Putin nahestehen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte aber darauf verwiesen, dass es "eine klare Verbindung" zu Nawalnys Festnahme und Verurteilung geben müsse. Sonst könnten die Sanktionen vor dem Europäischen Gerichtshof angefochten werden.

Nach dem Giftanschlag hatte die EU bereits sechs Russen auf ihre Sanktionsliste gesetzt. Unter ihnen waren Vertraute von Staatschef Putin wie der stellvertretende Leiter der Präsidialverwaltung, Sergej Kirijenko, und der Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB, Alexander Bortnikow.

Moskau spricht von Sackgasse

Vertreter der US-Regierung nannten am Dienstag zunächst keine Namen der Betroffenen ihrer Sanktionen. Sie betonten aber, die Strafmaßnahmen spiegelten im Wesentlichen jene der Europäer wider. Man werde auch das weitere Vorgehen eng mit den europäischen Verbündeten abstimmen. Es gehe darum, Russland für den Anschlag auf Nawalny und für dessen Inhaftierung zur Rechenschaft zu ziehen. Die Regierungsvertreter betonten, die Biden-Administration schlage einen generell anderen Kurs gegenüber Moskau ein.

Ein russisches Gericht hatte ungeachtet internationaler Forderungen nach einer Freilassung Nawalnys am 20. Februar dessen Verurteilung zu mehreren Jahren Straflager bestätigt. Nach Berechnungen seiner Anwälte könnte er in rund zweieinhalb Jahren im Sommer 2023 freikommen. Die russische Justiz wirft Nawalny einen Verstoß gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren vor, während er sich in Deutschland von dem Giftanschlag erholte. Das Urteil steht im Westen als politisch motiviert in der Kritik.

Der 44-Jährige soll inzwischen in die Strafkolonie von Pokrow rund 100 Kilometer östlich von Moskau im Gebiet Wladimir verlegt worden sein. Eine offizielle Bestätigung dazu gab es allerdings noch nicht.

Die russische Regierung tat die Sanktionen der EU und der USA am Dienstag als wirkungslos ab. Es sei an der Zeit, darüber nachzudenken, ob diese Politik effektiv sei, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge in Moskau. "Die Antwort ist offensichtlich: Diese Politik erreicht ihre Ziele nicht." Russland betont immer wieder, sich von Strafmaßnahmen der EU und USA im Zuge zahlreicher Konflikte nicht beeindrucken zu lassen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow kündigte Gegensanktionen an. (APA, red, 2.3.2021)