Bild nicht mehr verfügbar.

Viele Viehtransporte aus der EU über das Mittelmeer erfolgen unter prekären, kaum zu verantwortenden Bedingungen, wie etwa aktuell an Bord der Karim Allah (Bild).
Foto: Reuters / Tallia Shipping Line

Es ist das traurige Ende einer monatelangen Odyssee auf hoher See: 895 Kälber, die sich auf dem Transportschiff Karim Allah befanden, sollten am Dienstag im spanischen Mittelmeerhafen Cartagena an Land gebracht und dort sofort per Injektion getötet werden. Die qualvolle Seereise ist die Folge eines Kompetenzwirrwarrs, in das mehrere Länder verwickelt sind – sowie einer EU-Norm.

Eigentlich sollten die Tiere in die Türkei verkauft werden. Die Charge wurde dort allerdings abgelehnt: Es bestehe der Verdacht auf Blauzungenkrankheit, lautete die Begründung – obwohl für alle Tiere gültige Gesundheitsatteste und Exportpapiere der spanischen Behörden vorlagen. Das spanische Landwirtschaftsministerium erklärte dazu, die "türkischen Behörden lehnen das Konzept der Zoneneinteilung der EU ab".

Überall in der EU werden Produktionsgebiete ausgewiesen. Kommt es in einem dieser Gebiete zu einem Seuchenfall, darf aus dieser Zone nicht mehr exportiert werden. Nach Medienberichten stammten einige der fraglichen Tiere wohl aus einer Nachbarregion eines Gebietes, in dem erst kürzlich Fälle des Blauzungenvirus bekannt wurden.

Planlose Weiterfahrt

Also musste die Karim Allah abdrehen und fuhr nach Libyen weiter. Doch der Ruf, verseuchte Tiere an Bord zu haben, eilte ihr voraus. Auch die libyschen Kunden ließen das Geschäft platzen. Danach irrte das Schiff durchs Mittelmeer. Tunesien verweigerte Futter und Wasser. Erst auf Sizilien wurde das Schiff wieder versorgt. Letztendlich landete die Karim Allah wieder im Ursprungshafen ihrer Fracht, im südostspanischen Cartagena an.

Obwohl die Tiere aus Spanien stammen, dürfen sie nicht reimportiert werden. Denn die EU liefert zwar Lebendtiere an Drittländer, führt aber keine ein. Ein erneuter Verkauf, der schließlich ebenfalls mit dem Tod im Schlachthof enden würde, sei nicht möglich. "Die tierärztliche Inspektion ergab, dass der Zustand der Kälber eine erneute Reise für den Export in ein Drittland unmöglich macht", hieß es aus dem Ministerium.

Ein zweites Schiff, die Elbeik, ist mit sogar 1.776 Tieren auf dem Mittelmeer unterwegs, derzeit vor Zypern mit Ziel Cartagena, wo sie am 8. März ankommen soll. Die Tiere, die im Dezember im katalanischen Tarragona verladen worden waren, sollten nach Libyen verkauft werden. Der Deal platzte ebenfalls, aus denselben Gründen.

Danach fuhr das Schiff über Lampedusa (Italien) nach Ägypten, ohne dort die Fracht löschen zu können. "Wie der Gesundheitszustand der Tiere tatsächlich ist, wissen wir nicht", sagt Iris Baumgärtner, Sprecherin der Animal Welfare Foundation in Deutschland (AWF). Die spanischen Behörden hätten unabhängige Untersuchungen unterbunden. Auch sei nicht klar, wie viele Tiere auf der wochenlangen Irrfahrt bereits verendet seien.

Hauptexporteur Spanien

Laut Baumgärtner komme es immer wieder zu Zwischenfällen bei Tiertransporten. "Lkws voller Tiere stehen oft tagelang im Niemandsland, zum Beispiel zwischen Bulgarien und der Türkei", weiß sie zu berichten. Da der von der EU eigentlich versprochene Tierschutz bei Lebendtransporten in Drittländer nicht gewährleistet werden könne, fordert AWF ein völliges Verbot dieser Exporte.

Spanien ist eines der Hauptexportländer für Lebendtiere aus der EU in Drittländer. Dort werden nicht nur heimische Tiere verkauft. Lkws aus der gesamten EU bringen Kälber kurz nach ihrer Geburt zum Mästen ins nordostspanische Katalonien. Die Anfahrt aus Mitteleuropa dauert oft über 20 Stunden.

2019 verschiffte Spanien rund 147.000 Rinder und rund 750.000 Schafe in Länder auf der anderen Seite des Mittelmeeres. Nur 24 Prozent der dafür eingesetzten Schiffe fahren laut AWF unter "Qualitätsflaggen". Das gilt weder für die in Togo gemeldete Elbeik noch für die Karim Allah, die unter libanesischer Flagge fährt. Die Schiffe sind meist völlig veraltet, Strom und Wasserversorgung an Bord prekär. Bei der Karim Allah handelt es sich um eine 1965 vom Stapel gelaufene Autofähre, die später zum Tiertransporter umgebaut wurde. (Reiner Wandler, 2.3.2021)