Der Rückgang ist schleichend, aber unaufhaltsam. Die spanische Modekette Zara schloss in der Grazer Innenstadt Ende 2020 die Pforten. Davor hat mit dem Papier- und Schreibwarengeschäft Schediwy eine echte Institution nach 82 Jahren in der Sporgasse den Laden dichtgemacht. Die Hausherren beklagten Onlinehandel, schlechte Erreichbarkeit – und vermehrt Leerstände.

In Krems brach wohl aus ähnlichen Gründen so mancher Geschäftsinhaber in der pittoresken Altstadt seine Zelte ab. Der Drogerieriese Müller verließ die Fußgängerzone und siedelte ins Bühl-Center, andere zog es ins rundum erneuerte Einkaufszentrum Steiner Tor. Dort war es die Jahre davor zu sichtbaren Abgängen gekommen. Ein großer Bekleidungs- und ein Sporthändler hinterließen leere Schaufenster.

Die Abwanderung der Kunden hat besonders der Modehandel gespürt.
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Österreichweit geben Friseurketten ganz auf oder überarbeiten ihr Konzept, verabschieden sich Modehändler, andere sperren ihre Filialen zu und konzentrieren sich ganz auf das Onlinegeschäft. Wachsender E-Commerce, gestiegene Mieten und ein verändertes Mobilitätsverhalten halten den Handel seit Jahren auf Trab. Die Lockdowns in Pandemiezeiten haben erneut für heftige Bewegung gesorgt. In manchen Gegenden mehr, in anderen weniger, wie die neue City-Retail-Analyse von Standort + Markt zeigt.

Verlierer der Krise

Seit 2013 erhebt der Standortberater die wichtigsten Entwicklungen in den Citygeschäftszonen der zwanzig größten Städte Österreichs. Einmal mehr zeigt sich, dass der Modehandel Verlierer in der Krise ist. Pimkie, Airfield, Stefanel und Forever 18 haben sich vom Markt zurückgezogen. Seit 2014 ist der Anteil der Bekleidungshändler von einem Drittel auf 28,8 Prozent gefallen. In den letzten sieben Jahren verlor der Bekleidungssektor rund 72.500 Quadratmeter Verkaufsfläche.

Mancherorts schrumpfen die Verkaufsflächen kräftig. In krisengeschüttelten Innenstädten mit hohen Leerstandsraten wie Steyr, Villach und Wiener Neustadt wurden Handelsflächen in Büros, Arztpraxen, Betreuungsreinrichtungen umgewandelt oder Dienstleister angesiedelt.
Grafik: Standort + Markt

113 Millionen Euro Umsatz pro Tag wurden im Einzelhandel während der Lockdowns nicht erwirtschaftet. Das sind eine Menge Waren, die gar nicht oder über andere Wege wie internationale Onlineriesen konsumiert worden sind.

Das hat Folgen. Händler ziehen sich zurück. 1.080 Shops oder 133.800 Quadratmeter Shoppingfläche werden derzeit nicht genutzt. Seit dem Jahr 2017 ist ein Rückgang an Shoppingflächen zu verzeichnen. Die Erkenntnis "Hilfe, wir schrumpfen" habe sich durchgesetzt, sagt Standortberater Hannes Lindner.

Die Boomphase, was neue Einkaufsflächen betrifft, ist schon lange vorbei. Die Jahre zwischen 2000 und 2007 haben den Österreichern allerdings viel Beton beschert: Die Alpenrepublik hat heute doppelt so viele Shoppingflächen wie vor zwei Jahrzehnten. Europaweit liegt man damit im Spitzenfeld.

Geschlossene Gastronomie – auch das hält Menschen vom Flanieren und Konsumieren ab.
Foto: APA/Scheriau

Der Rückzug erfolgt langsam und in unterschiedlichem Tempo. Minus 1,2 Prozent beträgt der Flächensaldo bei den im City-Retail-Report betrachteten Flächen zum Vorjahr, die Leerstandsquote ist – allen Unkenrufen zum Trotz – mit 5,9 Prozent im Schnitt nahezu stabil.

Während kleinere Städte schon vor Corona größere Probleme mit Leerständen und verödeten Innenstädten hatten, kamen in Pandemiezeiten neue Problemzonen dazu. Salzburg, Innsbruck, die Wiener City – allesamt Tourismus-Hochburgen mit entsprechend hoher Passantenfrequenz – kamen im Corona-Jahr 2020 die meisten Kunden abhanden. Die Leerstandszuwächse sind hier besonders hoch. Agglomerationen wie die Mariahilfer Straße in Wien überstehen hingegen auch die Krise gut.

Ab in die Peripherie

Kleinere Städte wie Wiener Neustadt, Dornbirn, Steyr oder Krems kämpfen hingegen teilweise immer noch mit der Abwanderung der Händler an die Peripherie. In Wiener Neustadt haben Erweiterung von Fischapark und Merkurcity zu einer regelrechten Entleerung der Innenstadt geführt.

Leerstandsraten von über einem Fünftel oder mehr sind da und dort keine Seltenheit. Doch vielerorts wurde das Problem auch erkannt. So manche Stadtoberhäupter stecken derzeit viel Hirnschmalz in ihre Innenstadt-Masterpläne und Nachnutzungsprojekte. In Krems gibt es Pläne, großflächige Leerstandsobjekte an der Oberen Landstraße abzureißen beziehungsweise umzubauen. In manchen Wiener Straßenzügen haben sich Dienstleister in ehemaligen Geschäftslokalen angesiedelt. Da und dort scheitern Umzugspläne in die Stadt an Parkgebühren, die außerhalb der Citys wegfallen.

Langsam, aber stetig werden die Shoppingflächen weniger. Das bedeutet, dass man neue Ideen für die Nutzung der Gebäude braucht. Mancherorts ist das gar nicht einfach. Wer will schon in einem fast verwaistem Fachmarktzentrum wohnen?

Die Standortberater Hannes Lindner und Roman Schwarzenecker sehen derzeit aber ohnehin die "Ruhe vor dem Sturm". Die staatlichen Corona-Hilfen halten wohl einige "Zombie-Unternehmen" am Leben, die noch von der Bildfläche verschwinden dürften. Der Umbruch im Handel werde wohl in der näheren Zukunft noch viel deutlichere Furchen hinterlassen.

Ist noch mehr Gastronomie die Lösung – eine Innenstadt wie die slowakische Hauptstadt Bratislava mit vielen Beisln und Restaurants, aber kaum Geschäften? Ein bisschen mehr Gastronomie würden die heimischen Städte wohl vertragen, findet Lindner. Immerhin würden Lokale Menschen anziehen und kaum dem wachsenden E-Commerce zum Opfer fallen. Schwierig gestalte sich wohl vielerorts die Frage in welchen Zonen zum geordneten Rückzug geblasen werden und wo man im Gegenzug Energie investieren sollte, um ein komplettes Erodieren der Shopflächenlandschaft zu vermeiden. (Regina Bruckner, 3.3.2021)