Seit dem Tod des Paradelandeshauptmannes und der Ikone der Rechten, Jörg Haider, ist es nach dem Wechsel von Blau zu Rot eher still um den Wörthersee geworden. Bis zu den kürzlich stattgefundenen Urnengängen auf Gemeindeebene, die durchaus interessante Resultate mit Symbolcharakter für den Bund lieferten. Die sonst dominante und erfolgsverwöhnte Landeshauptmannpartei SPÖ von Peter Kaiser wurde mit einem differenzierten Ergebnis konfrontiert. Eine emotionale Achterbahn spiegelt sich in den verschiedenen Gemeinden und größeren Städten Kärntens wider. Während ewige SPÖ-Bastionen wie Villach oder St. Veit respektabel gehalten werden konnten, sieht es in der Landeshauptstadt Klagenfurt und in Spittal an der Drau etwas anders aus. Hier sind die herrschenden Ortskaiser(innen) unter Druck geraten. Doch welche Relevanz haben die Provinzergebnisse für den Bund?

Was sagen die Bundesländer aus über den Bund?
Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Kärnten als Indikator für den Bund

Auch wenn die Verluste der SPÖ in Kärnten en gros nicht gravierend sind, sollte einem die Schwächung der Bewegung in der Landeshauptstadt Klagenfurt, in welcher die amtierende Bürgermeisterin Marie-Luise Mathiaschitz (SPÖ) in die Stichwahl mit Christian Scheider (Team Kärnten) gehen muss, zu denken geben. In Spittal an der Drau wackelt in einer weiteren einstigen roten Hochburg der Bürgermeistersessel. Hier konnte der ehemalige SPÖ-Bürgermeister und Nationalrat und jetzige Team-Kärnten-Chef Gerhard Köfer in die Stichwahl gegen Gerhard Pirih (SPÖ) einziehen.

Jetzt könnte man auf die Idee kommen, dass der erfahrene Polithaudegen Köfer sowie der einstige Tennispartner von Haider, Scheider, gestählt durch jahrzehntelange Erfahrung ihr Heu einfahren konnten, was sicher nicht ganz falsch ist. Beide eint ebenso die Tatsache, dass sie die Sprache des Herzens sprechen oder, um es etwas fachlicher auszudrücken, über die notwendige soziale und emotionale Intelligenz verfügen. Das ist aber nicht die ganze Wahrheit. Kärnten ist seit Haiders Zeiten ein spezielles Exerzierfeld für neue politische Entwicklungen und Trends. Möglicherweise öffnet die Coronakrise ein Zeitfenster für Veränderungen, die nun die regierenden Parteien, basierend auf sozioökonomischen Frustrationen der Bürger, treffen können. Diese Genese sollte der Bundeskanzler im Auge behalten, denn Corona ist die ganz große neue Unbekannte für kommende Urnengänge.

Ein Zeitfenster für neue Bewegungen geht auf

So schnell wie einst Kurz die “Neue Volkspartei“ ausrief, können nun im Rahmen der Pandemie und ihrer Folgeerscheinungen wieder neue Polit-Start-ups entstehen. Gerade wenn durch den kalten Hauch der Realität die Fassade von Polithoffnungsträgern zu bröckeln beginnt. Für die anderen etablierten Fraktionen ist dies kein Grund zu jubilieren. Sie haben sich in der Wahrnehmung der Wählerinnen und Wähler über die Jahre zusehends abgenützt. Wollen die Altparteien in Zukunft beim Souverän eine Chance haben, müssen sie sich inhaltlich und personell komplett neu aufstellen und das Prinzip des Nach-Oben-Sitzens, in dem nicht der Fähigste Karriere macht, sondern der Angepassteste, rasch ablegen. Die Bundespräsidentenwahlen 2022 sind der nächste relevante Stimmungstest. 2016 waren die Präsidentschaftswahlen schon einmal ein signifikanter Indikator für den Frust der Menschen mit den beiden Volksparteien. Im kommenden Jahr wird sich zeigen, wie sehr die Österreicher mit der türkis-grünen Bundesregierung zufrieden sind oder ob sie ihr einen Denkzettel verpassen wollen. Kärnten ist vielleicht nur ein kleines Lüftchen, das einen kommenden politischen Sturm anzeigt. (Daniel Witzeling, 9.3.2021)

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