Klassische Produktfotos werden immer mehr von Computergrafik verdrängt.

Foto: Robert Forster/Pixabay

Die Fotografie ist stets im Wandel. In den 2000er-Jahren etablierten sich Digitalkameras und konnten in vielen Bereichen ihre analogen Vorgänger weitgehend aus dem Markt verdrängen. Im vergangenen Jahrzehnt begannen sich Fotomodule auf Smartphones vom Gimmick zur Hauptattraktion zu entwickeln. Dass heute fast jeder auf seinem Handy einen für viele Situationen absolut tauglichen Fotoapparat in der Hosentasche mitführt, kostete wiederum die Kompaktkameras empfindlich Marktanteile.

Einzig aus dem Bereich der Hobbyisten und Berufsfotografen ist eine gute Spiegelreflexausrüstung weiterhin nicht wegzudenken. Doch letzterer Gruppe droht nun Ungemach von anderer Seite: Produktfotografie, gerade im Bereich des Handels, ist im Rückzug begriffen. Immer öfter ersetzen computergenerierte Bilder echte Fotos.

Der Kiefernholzsessel "Bertil" war 2006 das erste je von Ikea in einem Katalog verwendete Computerrendering eines Produkts.
Foto: Ikea

Ikea krempelte Produktfotografie komplett um

Beispielhaft steht dafür der Einrichtungsriese Ikea. 2006 tauchte erstmals eine Computerabbildung eines Möbelstücks in einem Katalog des Konzerns auf. 2012 wurde bereits ein Viertel des Angebots nicht mehr per Foto, sondern mit digital gebastelten Bildern präsentiert. Nur zwei Jahre später, so berichtete "Fast Company", lag der Anteil schon bei 75 Prozent. Möglich gemacht durch immer besser werdende Hardware und Software und die Einbindung von Techniken wie Raytracing, um Renderings zu erschaffen, die zumindest auf den ersten Blick kaum von einem nachbearbeiteten Foto zu unterscheiden sind.

Auch viele andere Händler und Hersteller sind dazu übergegangen, ihr Sortiment mit nur noch wenig Kameraeinsatz zu präsentieren. Gut nachzuvollziehen ist das bei Tech-Produkten. Smartphones, Kopfhörer und andere Geräte werden fast schon standardmäßig als Rendering abgebildet. Einzig Aufnahmen, die auch Menschen beinhalten, sind noch schwer glaubwürdig und kosteneffizient realisierbar.

Augmented Reality

Am nächsten Schritt, der auch Kunden viel stärker erreichen soll, arbeiten Firmen wie CG Trader. Sie nutzen Augmented Reality, also die Verflechtung von realer Welt und digitalen Inhalten, um einerseits den Preis für computererzeugte Produktabbildungen zu senken und andererseits die Einkaufserfahrung zu verbessern.

CGTrader

Mithilfe der Plattform des Unternehmens zeigen Händler nicht mehr nur zweidimensionale Bilder von Möbeln oder Dekorationsgegenständen, sondern 3D-Modelle. Das ermöglicht nicht nur, wie es manche Anbieter ohnehin schon pflegen, eine Rundumbetrachtung des jeweiligen Gegenstands, sondern dank eines Smartphones auch eine größengetreue Platzierung in den eigenen vier Wänden, um einen praktischen Eindruck davon bekommen zu können, wie gut sich etwa ein neuer Sessel ins Wohnzimmer einfügt. "Traditionelle Fotografie wird im E-Commerce immer schneller obsolet", gibt sich CG-Trader-Mitgründerin Dalia Lasaite gegenüber "Gizmodo" überzeugt.

Auch hier schreitet die Technologie munter voran, die Produktmodelle sehen immer realistischer aus, die Sensorenausstattung von Handys wird immer besser, und durch den Einsatz von Technologie, wie sie sonst für Deepfakes verwendet wird, sieht auch die Kombination von digitalem Inhalt und realer Umgebung immer glaubwürdiger aus.

Der Trend hin zu digitalen Produktfotos wurde aber auch durch die Pandemie beschleunigt. Hygieneauflagen und Lockdowns verkomplizieren die Durchführung von Fotoshootings, was mehr und mehr Firmen zur digitalen Alternative greifen lässt. (gpi, 3.3.2021)