Verdächtige und Beschuldigte haben die gleichen Verfahrensrechte.

APA/dpa/Boris Roessler

Angezeigte, Verdächtige, Beschuldigte, Angeklagte: Das Strafrecht kennt unterschiedlichste Begriffe für Verfahrensbeteiligte. Auch die Justiz scheint die Abgrenzung zwischen Verdächtigen und Beschuldigten oftmals nicht trennscharf zu sehen. Wie differenziert wird, zeigt der folgende Überblick.

Angezeigte

"Angezeigte" sind Personen, die von einer strafrechtlichen Anzeige oder einem Strafverfahren betroffen sind. Der Begriff ist zwar Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs, kommt in der Strafprozessordnung allerdings nicht vor und spielt daher juristisch keine große Rolle. Eine Anzeige kann sowohl von Behörden als auch von Privatpersonen erstattet werden und einen Anfangsverdacht begründen, der zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft führt.

Verdächtige und Beschuldigte

Schwieriger ist die Abgrenzung zwischen Verdächtigen und Beschuldigten. Die verschiedenen Rollen werden in § 48 Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Laut Gesetz ist ein "Verdächtiger" jede Person, gegen die aufgrund eines Anfangsverdachts ermittelt wird. Ein Anfangsverdacht liegt vor, wenn angenommen werden kann, dass eine Straftat begangen wurde. "Beschuldigter" ist jeder Verdächtige, sobald er konkret verdächtigt wird, eine strafbare Handlung begangen zu haben, und Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt werden.

So weit, so unkonkret. Auch der renommierte "Wiener Kommentar" zur StPO wird nicht wirklich deutlicher. Bei einem Verdächtigen muss nur ein "vager täterbezogener Verdacht" vorliegen, heißt es dort. Zur Begründung der Beschuldigtenstellung bedarf es dagegen einer "hinzutretenden, weiteren Konkretisierung" durch die Ermittlungen. Laut Alexia Stuefer, Strafverteidigerin und Mitautorin am "Wiener Kommentar", wird nach der Verdachtslage differenziert: "Solange sich der Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung gegen eine Person nicht zu einer konkreten Beschuldigung verdichtet, bleibt sie Verdächtige."

Schutz vor "öffentlicher Brandmarkung"

Für die Rechtspraxis ist die Unterscheidung allerdings nicht relevant, sagt Stuefer: "Die Rechtsschutzvorschriften der Strafprozessordnung gelten gleichermaßen für Beschuldigte wie für Verdächtige. Eingriffsintensive Ermittlungsmaßnahmen wie Hausdurchsuchungen oder Festnahmen setzen ohnehin einen konkreten oder gar dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung voraus." Sowohl Verdächtige als auch Beschuldigte müssen so bald wie möglich über ein Ermittlungsverfahren verständigt werden.

Laut Stuefer ist der Grund für die Unterscheidung der Schutz vor "öffentlicher Brandmarkung", wenn noch kein konkreter Verdacht vorliegt. Es soll gegenüber der Öffentlichkeit also auch sprachlich klargestellt werden, dass bei bloß Verdächtigen nur eine vage Verdachtslage besteht. Die Unschuldsvermutung ist durch die Strafprozessordnung, die Menschenrechtskonvention sowie das Datenschutz- und Mediengesetz geschützt. "Mediale Vorverurteilungen und Anprangerungen können damit, wie sich regelmäßig zeigt, freilich nicht verhindert werden", sagt die Strafverteidigerin.

Angeklagte

Angeklagter ist laut § 48 StPO jeder, gegen den die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt. Ermittlungsverfahren können auf unterschiedliche Weise beendet werden. Zur Anklage kommt es dann, wenn die Strafverfolgungsbehörde eine Verurteilung als wahrscheinlicher ansieht als einen Freispruch. Ist das nicht der Fall, stellt sie das Verfahren ein. Mit der Einbringung der Anklage bei Gericht endet das Ermittlungsverfahren. Es folgt die öffentliche Hauptverhandlung bei Gericht. (Jakob Pflügl, 3.3.2021)