Ein Uniformierter in einem Flüchtlingscamp in Algerien schwenkt die Flagge der Demokratischen Arabischen Republik Sahara – dieses Gebiet beansprucht allerdings Marokko für sich.
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Die marokkanische Regierung legt Medienberichten zufolge ihre diplomatischen Beziehungen zu Deutschland auf Eis. In einem Schreiben von Außenminister Nasser Bourita, das in Onlinemedien des Landes verbreitet wurde, ordnet dieser an, dass "alle ministeriellen Abteilungen und die Gesamtheit der ihnen unterstehenden Organisationen (…) alle Kontakte und jede Interaktion (…) sowohl mit der deutschen Botschaft in Marokko als auch mit den mit ihr verbundenen Organisationen und den deutschen politischen Stiftungen abbrechen". Jedwede Ausnahme müsse vom Außenministerium genehmigt werden.

Als Grund nennt Bourita in dem halbseitigen Schreiben "tiefe Missverständnisse in grundlegenden Fragen des Königreichs Marokko". Das Schreiben wurde zuerst auf sozialen Netzwerken geleakt, um dann von traditionellen Medien aufgegriffen zu werden.

"Dringendes Gespräch"

Christofer Burger, Sprecher des deutschen Außenamtes, wollte am Mittwoch nicht von einer "Kappung" der Beziehungen sprechen. Deutschland und Marokko würden seit Jahrzehnten eng zusammenarbeiten, "das ist aus unserer Sicht nach wie vor im Interesse beider Seiten", sagte er im Rahmen der Bundespressekonferenz. Das Ministerium habe die marokkanische Botschafterin in Berlin zu einem "dringenden Gespräch" ins Außenamt zitiert und sie um Erläuterungen gebeten. "Aus unserer Sicht gibt es keinen Grund zur Beeinträchtigung der diplomatischen Beziehungen." An der deutschen Position habe sich nichts geändert.

Eigentlich unterhält Marokko gute politische und wirtschaftliche Beziehungen zu Deutschland. Doch spätestens seit Dezember ist Rabat über die Außenpolitik "made in Germany" empört. Damals erkannte der ehemalige US-Präsident Donald Trump die Hoheit Marokkos über die Westsahara an. Für die Vereinten Nationen ist die militärische Annexion der ehemaligen spanischen Kolonie durch Marokko 1975 völkerrechtswidrig. Berlin kritisierte deshalb die Trump-Linie.

Wenige Wochen vor Trumps Erklärung hatte die Unabhängigkeitsbewegung in der Westsahara, die Polisario, den seit 1990 gültigen Waffenstillstand gekündigt und greift seither regelmäßig marokkanische Stellungen an. Die Polisario verlangt, dass endlich das 1990 ausgehandelte Referendum über die Zukunft der Westsahara abgehalten wird.

Schritt kommt nicht überraschend

Aus dem Umfeld der deutschen Stiftungen vor Ort hieß es in Reaktion auf das Schreiben Rabats: "Eine solche Anordnung des Außenministeriums muss auf eine Initiative von ganz oben zurückgehen." Unter anderem sind die Parteistiftungen der SPD, FDP, CDU und der Grünen in dem nordafrikanischen Land vertreten.

Dass sie jetzt unter der diplomatischen Strategie von König Mohammed VI. leiden, kommt nicht wirklich überraschend. "Die Stiftungen, die viel zu Menschen- und Bürgerrechten arbeiten, stehen seit Jahren unter Druck", erklärt der Kenner der Szene. Die Anträge von Mitarbeitern auf Aufenthaltsgenehmigungen würden gezielt verschleppt, Steuerprüfungen würden als Repressalien genutzt, Veranstaltungen immer wieder abgesagt.

Bereits 2019 war es zu Verstimmungen zwischen Rabat und Berlin gekommen. Damals wurde Marokko nicht zu einer Konferenz über die Zukunft Libyens geladen. König Mohammed VI. sieht sein Land als Regionalmacht, die ein Mitspracherecht habe. (Reiner Wandler aus Madrid, 3.3.2021)