"House"-Sprecherin Nancy Pelosi macht sich für H.R.1 stark.

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Was als Gesetzesvorschlag H.R.1 eher technisch anmutet, macht in seinem vollen Namen "For the People Act" schon mehr Eindruck: Zum zweiten Mal binnen zweier Jahre wollen die US-Demokraten das verkrustete und in ihren Augen korrumpierte Wahlsystem der USA aufbrechen – dank neuer Mehrheiten nun allerdings unter zumindest etwas besseren Vorzeichen.

Nie zuvor hatten so viele Menschen an Präsidentschaftswahlen teilgenommen wie 2020, als die Corona-Pandemie viele zur vorzeitigen Stimmabgabe oder E-Voting motivierte. Um ganze sieben Prozentpunkte ist die Wahlbeteiligung gestiegen: Für die Demokraten ein klarer Auftrag, diesen Menschen das Wählen auch künftig von Gesetzes wegen zu erleichtern.

Mit 220 zu 210 Stimmen nahm das 800 Seiten starke Papier am Mittwoch die erste Hürde im Repräsentantenhaus. "H.R.1 soll die Stimmen der Amerikaner wieder zu Gehör bringen, die sich viel zu lange schon ausgegrenzt fühlen", erklärte der Abgeordnete John Sarbanes, der den Vorschlag 2019 erstmals eingebracht hatte, vor der Abstimmung. Im Senat sieht die Sache aber ganz anders aus.

Wahlrecht, Finanzierung und Steuerakten

Die wichtigsten Punkte des demokratischen "Bill": US-Bürgerinnen und -Bürger sollen künftig automatisch für die Wahl registriert werden, tätig werden muss nur, wer sicher nicht wählen will – im Moment ist es eher umgekehrt. Bei Bundeswahlen sollen die Staaten 15 Tage vor dem Termin schon Stimmabgaben ermöglichen, Briefwahlen können von den Bundesstaaten nicht mehr so einfach untersagt werden wie bisher. Strafgefangenen wollen die Demokraten aber auch in Hinkunft kein automatisches Wahlrecht zugestehen, das soll Sache der Bundesstaaten bleiben. Allerdings: Wer wieder aus der Haft entlassen ist, soll auch wählen dürfen. Das ist bisher in vielen Staaten nicht der Fall.

Dem sogenannten Gerrymandering, also dem Zuschneiden von Wahlbezirken nach den jeweils dominanten Parteien, wollen die Demokraten ein Ende setzen. Müssen neue Bezirke geschaffen werden – was gewöhnlich zumindest immer nach dem zehnjährlichen Zensus der Fall ist –, sollen dies nach ihrem Willen unabhängige Kommissionen erledigen.

Auch in Sachen Wahlkampffinanzierung schwebt den Demokraten ein großer Schlag vor: Jeden Dollar, den Präsidentschafts- oder Kongresskandidatinnen und -kandidaten aus Kleinspenden bis zu 200 Dollar einnehmen, soll die Bundesregierung versechsfachen – die Mehrkosten sollen aber nicht aus dem Steuertopf finanziert werden, sondern etwa mittels erhöhter Geldbußen, etwa jene, die Banken und Konzernen auferlegt werden.

Wer Präsidentin oder Präsident ist oder noch werden will, soll künftig ihre oder seine Steuerakten der letzten zehn Jahre öffentlich machen müssen – ein Wink mit dem Zaunpfahl Richtung Donald Trump.

Schmaler Pfad

Auch wenn Umfragen dem Vorhaben schon 2019 eine breite Unterstützung in der Bevölkerung nachsagten, scheiterte es damals am republikanisch dominierten Senat. Und auch heute, wo die Demokraten dank der Vizepräsidentin Kamala Harris eine hauchdünne Mehrheit in der Kammer ihr Eigen nennen, stehen die Chancen nicht allzu gut: 60 der 100 Senatorinnen und Senatoren müssten zustimmen, um ein "Filibustern" der Republikaner zu verhindern – also das Verhindern der Abstimmung mittels endloser Reden.

Nun mehren sich die Stimmen unter den Demokraten, die mit dieser Regel brechen und ein Filibustern künftig verbieten wollen. Dafür würde eine einfache Mehrheit reichen – allerdings geht in den Reihen der Demokraten auch die Angst um, in Zukunft könnte ein dann womöglich wieder republikanisch beherrschter Senat seinerseits leichter kontroverse Gesetzesvorschläge durchpeitschen.

Amy Klobuchar, im Vorjahr selbst demokratische Präsidentschaftskandidatin und nun Vorsitzende des Senate Rules Committee, will gleichwohl erst einmal ausloten, wie groß die Chancen von H.R.1 überhaupt sind, bevor man sich über eine mögliche Änderung der Spielregeln den Kopf zerbricht: "Wir schlagen es mal vor und schauen dann, wo wir stehen." (flon, 4.3.2021)