"Angst, die fremden Arbeiten abzugeben, hatte ich noch nie. Auch keine Schuldgefühle. Ich schade ja keinem damit", sagt David, der eigentlich anders heißt.

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Wieso beauftragen Studierende Ghostwriter? Dieser Frage ist der UniStandard, die Hochschulbeilage des STANDARD, in mehreren Artikeln nachgegangen. Dieses Protokoll steht im Zusammenhang mit dem Hintergrundtext: Wieso Studierende ghostwriten lassen.

"Seit dem ersten Semester lasse ich mir Uniarbeiten von anderen schreiben. Ich habe im ganzen Studium erst sechs Seminararbeiten selbst verfasst, doppelt so viele haben mir Freunde oder Familienmitglieder geschrieben. Für ihre Arbeiten bekomme ich oft Einser und Zweier, selten Dreier.

Dafür zahle ich ihnen bis zu 70 Euro pro Arbeit. Das ist ein guter Freundschaftspreis. Ich weiß nicht, wie viel ich am Markt zahlen würde, aber ich könnte es mir sicher nicht leisten. Insgesamt ist das trotzdem nicht so wenig Geld: 600 Euro habe ich schon für Ghostwriting ausgegeben. Daher schreiben mir auch meine Schwester und Mutter Arbeiten. Sie machen das oft gratis; meiner Schwester gebe ich vielleicht mal 20 Euro dafür. Sie helfen mir gerne, weil sie meine Gründe verstehen.

Ich lasse ghostwriten, weil ich neben der Uni im politischen Bereich tätig war, vor allem für die Österreichische Hochschülerschaft. Während des Wahlkampfs habe ich bis zu 60 Stunden die Woche gearbeitet, da blieb kaum Zeit für das Studium. Aber auch in ruhigeren Phasen habe ich Texte oft nicht selbst verfasst, weil ich mich einfach nicht dazu motivieren konnte. Wohl auch, weil es mich stört, dass ich im Studium bereits um die 20 Arbeiten schreiben musste und mich nicht gut auf das wissenschaftliche Schreiben vorbereitet fühle. Im ersten Semester wurde kurz erklärt, wie man zitiert, danach wurde nie wieder darüber gesprochen.

Keine Angst, fremde Arbeiten abzugeben

Ich kann in den Seminararbeiten auch keinen Sinn erkennen: Ich habe dabei nichts gelernt, das mir im Job etwas bringt. Seit kurzem arbeite ich als Reporter. Beim Vorstellungsgespräch konnte ich zwar sagen, dass ich mein Studium der Kommunikationswissenschaften fast fertig habe, Skills für den Job bringe ich dadurch aber noch keine mit. Es geht nur darum, diesen blöden Titel zu haben. An sich wäre es mir egal, ob vor meinem Namen ein Bachelor oder Master steht. Aber für Arbeitgeber ist der Titel wichtig.

Angst, die fremden Arbeiten abzugeben, hatte ich noch nie. Auch keine Schuldgefühle. Ich schade ja keinem damit. Für mich hat sich die Abgabe immer wie ein Verbrechen ohne Opfer angefühlt. Und da ich keinen professionellen Ghostwriter engagiert habe, würde ich mich –wenn es auffliegt– darauf ausreden, dass mir meine Freunde geholfen haben, weil ich mich nicht ausgekannt habe. Viele meiner Freunde studieren auch Kommunikationswissenschaften, und ich weiß, dass ich nicht der Einzige bin, der Arbeiten nicht selbst verfasst.

Meine Abschlussarbeit werde ich aber selber schreiben: Da hätte ich doch Sorge, sie ghostwriten zu lassen, da sie öffentlich einsehbar sein wird. Und es ist die für mich wichtigste Arbeit, weil sie meinen Studienabschluss darstellt. Das würde sich für mich wie Betrug anfühlen." (Allegra Mercedes Pirker, 7.3.2021)