Sputnik V ist etwa in Ungarn bereits in Verwendung.

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Nach langem Hin und Her ist es nun tatsächlich so weit. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) prüft eine Zulassung des russischen Corona-Impfstoffs Sputnik V. Wie die Agentur und auch der russische Staatsfonds am Donnerstagvormittag bekanntgaben, befindet sich der Impfstoff nun im sogenannten Rolling-Review-Verfahren der EMA. Das bedeutet, dass laufend Ergebnisse aus Studien und aus der praktischen Anwendung des Vakzins bei der EMA einlangen, die diese dann für ihr Prüfverfahren verwendet – auch wenn noch nicht alle Resultate vorliegen und auch kein Zulassungsantrag gestellt wurde.

Sputnik V ist auf Basis von Notfallzulassungen bereits in zahlreichen Staaten im Einsatz. Neben Russland selbst etwa in mehreren Ländern Lateinamerikas, am Westbalkan und im Nahen Osten. Auch die EU-Staaten Ungarn und Slowakei haben auf Basis nationaler Notzulassungsverfahren den Einsatz des Impfstoffs erlaubt und Dosen erworben. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte mehrfach darauf gedrängt, sich auch mit Sputnik V zu beschäftigen und unter anderem die Möglichkeit in den Raum gestellt, den Impfstoff auch in Österreich herstellen zu lassen.

Die EU-Kommission teilte allerdings am Donnerstag mit, es fänden derzeit keine Gespräche über einen Kauf des Impfstoffes statt. Allerdings würde eine Zulassung durch die EMA einzelnen Mitgliedsstaaten den Einsatz des Vakzins erleichtern. Solange es keine Gespräche oder Verträge der Kommission mit einem Hersteller gibt, steht es den einzelnen Ländern frei, diesen Impfstoff selbst zu beziehen.

Hohe Wirksamkeit

An der Wirksamkeit und der Verträglichkeit des Impfstoffs gab es lange Zweifel, nachdem ihn Russland bereits im Sommer ohne größere Feldstudien zum Einsatz zugelassen hatte. Diese wurden allerdings in Teilen später nachgeliefert. Eine Untersuchung, die Anfang Februar in der angesehenen Medizinzeitschrift "The Lancet" veröffentlicht wurde, weist dem Impfstoff eine Wirksamkeit von rund 92 Prozent aus.

Mit einer Wirksamkeit von 91,6 Prozent hätte der russische Impfstoff in etwa die gleiche Wirksamkeit wie sie jene von Moderna (95 Prozent), Biontech/Pfizer (95 Prozent) und Novavax (89 Prozent) gegen die bisher kursierende Variante des Virus hatten – und eine höhere als das Mittel von Astra Zeneca (zwischen 60 und 90 Prozent) und jenes von Johnson & Johnson/Janssen (72 Prozent). Allerdings gab es auch Kritik an gewissen Ungereimtheiten und an der Datengrundlage der Studie über Sputnik V.

So hielten sowohl der italienische Molekularbiologe Enrico Bucci als auch der russische Epidemiologe Wassili Wlassow die damals präsentierten Grunddaten bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit für zum Teil lückenhaft. Und die österreichische Impfstoffexpertin Christina Nicolodi ergänzt, dass man in Russland etwa bei der Rekrutierung der Studienteilnehmer weniger streng sei als in der EU und oft auch Mitarbeiter heranziehe.

Noch weniger bestätigt sind russische Angaben, dass der Impfstoff gegen die britische und die südafrikanische Virusvariante gut wirken würde. Genau das hatte Denis Logunov, stellvertretender Direktor des Gamaleya-Instituts, das den Impfstoff entwickelt, am Samstag behauptet.

Bei den anderen Impfstoffkandidaten Novavax und Johnson & Johnson hatte sich gezeigt, dass die Wirksamkeit der Impfung beim Einsatz gegen die neuen Varianten des Virus, insbesondere gegen jene aus Südafrika, B.1.351, sinke (Novavax: 60 Prozent, Johnson & Johnson: 57 Prozent). Noch schlechter schnitt AZD1222 von Astra Zeneca und der Universität Oxford ab.

Mögliche Kooperationen

Auch deshalb ist eine Kooperation des Gamaleja-Instituts mit Astra Zeneca im Gespräch. Beide benützen für ihre Impfungen einen sogenannten viralen Vektor. Im Falle von Astra Zeneca ist dies ein genetisch veränderter Schimpansen-Erkältungsvirus, ein Adenovirus, mit dem als Vektor Erbmaterial von Sars-CoV-2 in menschliche Zellen eingeschleust wird. Auch Sputnik V nützt einen Adenovirus, allerdings einen menschlichen – wobei in diesem Fall für erste und zweite Dosis unterschiedliche Adenoviren verwendet werden.

Damit wird unter anderem die Gefahr eingeschränkt, dass es zu einer Immunität gegen das Trägervirus kommt, das dann das Corona-Erbgut nicht mehr in die Zellen befördern könnte. Bei einer Kombination der beiden Impfstoffe – eine Dosis Astra Zeneca, eine Dosis Sputnik – wäre diese Gefahr ebenfalls gebannt. Und Astra Zeneca könnte im Gegenzug Türen für eine Zulassung in der EU öffnen helfen, hieß es schon vor Wochen. Neuigkeiten zur Zusammenarbeit gab es seither aber nicht mehr.

Vage Andeutungen von russischer Seite und auch von Bundeskanzler Sebastian Kurz, dass der Impfstoff in Österreich produziert werden könnte, ließen sich bis jetzt ebenfalls nicht erhärten. Ein Produktionsstandort in der EU wäre jedenfalls sehr von Vorteil, bestätigt auch Christina Nicolodi, da es in Sachen Impfstoffherstellung keine wechselseitige Anerkennung guter Produktionspraxis zwischen Russland und der EU gebe.

Frage des Zeitpunkts

Doch wie viel Impfstoff könnte Russland überhaupt in die EU liefern? Nach Angaben von Kirill Dmitriew, dem Chef des Staatsfonds für Direktinvestitionen (RFPI), könnte Russland Impfstoff für rund 50 Millionen Menschen in der EU bereitstellen, wenn ein Kaufvertrag mit der EU-Kommission zustande käme – über den, wie erwähnt, laut Kommission aber gar nicht verhandelt wird. Dmitriew sprach von 100 Millionen Dosen. Wann genau diese Vakzine zur Verfügung stehen würden, sagte er nicht – nur dass es sich um einen Zeitpunkt "später im Jahr" handeln würde. Als Beginn der Lieferungen sei im Fall eines Abschlusses der Juni avisiert.

Die EU geht bisher davon aus, dass bis zum Sommer durch die bisherigen Verträge mit den Impfstoffherstellern Biontech/Pfizer, Moderna, Astra Zeneca, Johnson & Johnson (vermutliche Zulassung: 11. März), und Curevac (voraussichtliche Zulassung im Mai) ausreichend Impfstoff zur Verfügung stehen werde. Außerdem verhandelt die EU laut mehreren Meldungen seit Weihnachten intensiv mit der Firma Novavax über die Lieferung von 200 Millionen Dosen. Berichte zum Abschluss dieser Verhandlungen lassen aber auf sich warten. (mesc, tasch, 4.3.2021)