Die Ansprüche, die Männer und Frauen hinsichtlich Gehalt und Position an ihren Arbeitgeber stellen und kommunizieren, unterscheiden sich deutlich.

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Sowohl im bestehenden als auch bei Antritt eines neuen Jobs haben 41 Prozent der Frauen nicht über ihr Gehalt verhandelt, wohingegen der Anteil unter Männern nur 26 Prozent beträgt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des beruflichen Netzwerks Linkedin, für die vom Marktforschungsinstitut Censuswide zwischen dem 5. und 18. Februar 2021 über 2.000 deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zwischen 25 und 55 Jahren befragt wurden.

Ein ähnliches Verhältnis zeigt sich bei Fragen nach einer Gehaltserhöhung außerhalb eines dafür vorgesehenen Rahmens: 43 Prozent der Frauen haben dies noch nie gemacht, bei den Männern sind es 32 Prozent. Außerdem fühlt sich ein Drittel der Frauen unsicher, was die Regeln in einem Gehaltsgespräch anbelangt – auch dieser Anteil ist mit 23 Prozent unter Männern geringer. Fast die Hälfte der befragten Männer hat bereits abseits eines Jahresgesprächs nach einer Beförderung gefragt. Unter den Frauen beläuft sich dieser Anteil nur auf 37 Prozent.

Fehlendes Bewusstsein

Die Ansprüche, die Männer und Frauen hinsichtlich Gehalt und Position an ihren Arbeitgeber stellen und kommunizieren, unterscheiden sich deutlich, wie die Daten der Umfrage zeigen. Allerdings ist auch das Bewusstsein für diese Diskrepanz, der sogenannte Entitlement-Gap, bei Männern und Frauen unterschiedlich ausgeprägt. Mehr als ein Drittel der Männer gibt an, dass diese Lücke nicht existieren würde, unter den Frauen glaubt das nur jede Vierte.

41 Prozent der Arbeitnehmerinnen haben das Phänomen entweder bereits selbst erlebt oder bei Kolleginnen beobachten können. Ein Aspekt, bei dem es kaum einen Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt, ist hingegen der eigene Anspruch: Drei Viertel der Männer (76 Prozent) und Frauen (74 Prozent) bezeichnen sich selbst als ehrgeizig im Beruf. Auch die britische Organisation "The Female Lead" beschäftigte sich näher mit dem Entitlement-Gap. Aus ihrem Report "Women at Work" geht hervor, dass dieses Phänomen bestehende Ungleichheiten in der Bezahlung von Männern und Frauen verschärft.

Zusätzlich zur repräsentativen Studie hat Linkedin eine Auswertung von Mitgliederdaten in mehreren europäischen Märkten zwischen Januar 2020 und Januar 2021 durchgeführt. Daraus geht hervor, dass Deutschland europaweit auf dem letzten Platz liegt, was den prozentualen Anteil von Frauen bei Neueinstellungen betrifft. Während die meisten Länder nahe an die 50-Prozent-Marke kommen, liegt der Anteil in Deutschland lediglich bei 41 Prozent. In Schweden lag der Anteil dagegen fast das gesamte vergangene Jahr bei über 50 Prozent.

Tipps für die Gehaltsverhandlung

Monika Sieverding von der Universität Heidelberg forscht zu Geschlechtern und Gesundheitspsychologie und gibt Frauen folgende fünf Tipps:

  • Frauen, die ihre Karriere – auch nach der Familiengründung – verfolgen wollen, sehen sich oftmals durch ihr soziales Umfeld gehemmt – besonders durch junge Mütter, die ihr eigenes berufliches Commitment zurückstellen. Sie sollten sich daher mit weiblichen Peers vernetzen, die Familie und Karriere miteinander vereinbaren.
  • Es ist wichtig, sich auch mal probeweise auf andere interessante Stellen zu bewerben. Dadurch testen Sie ihren "Marktwert", üben reale Bewerbungsgespräche und lernen, souverän und authentisch aufzutreten. Wenn dabei ein attraktives Stellenangebot rausspringt, umso besser. Wenn man gar nicht wechseln möchte: Ein Stellenangebot eines anderen Arbeitgebers kann äußerst hilfreich sein, um die Bedingungen und das Gehalt der eigenen Stelle neu zu verhandeln.
  • Eine gute, selbstbewusste und authentische Einschätzung der eigenen Qualifikationen ist vor allem in Bewerbungsgesprächen und Verhandlungssituationen sehr wichtig. Übermäßige Bescheidenheit wird in diesen Kontexten nie belohnt.
  • Es hilft, sich verschiedene Perspektive einzuholen und Bewerbungs- und Verhandlungsgespräche zu üben. Dabei ist es wichtig, sich auch den "schwierigen" Fragen zu stellen und selbstbewusste Antworten darauf vorzubereiten.
  • Informieren Sie sich über übliche Gehälter und Spielräume in der relevanten Branche und Position sowie über Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten. Das ist die Grundlage für eine erfolgreiche Verhandlung. (red, 5.3.2021)