Die Supererde Gliese 486b ist eine unwirtliche Welt. Forscher sind aber von ihrer Entdeckung begeistert.
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Im Jahr 1995 konnten Astronomen zum ersten Mal einen Planeten außerhalb des Sonnensystems nachweisen. Michel Mayor und Didier Queloz erhielten für die Entdeckung des Exoplaneten 51 Pegasi b 2019 den Physiknobelpreis. Seit ihrer bahnbrechenden Entdeckung ist die Exoplanetenforschung regelrecht explodiert, aktuell kennen wir 4352 Exoplaneten und tausende Kandidaten, die noch nicht einwandfrei klassifiziert werden konnten.

Die wenigsten der bisher bekannten Exoplaneten sind erdähnlich, also Gesteinsplaneten mit einer festen Oberfläche. Und von diesen erdähnlichen Welten besitzt nur ein Bruchteil eine Atmosphäre oder gar flüssiges Wasser. Ein internationales Forscherteam hat nun eine sogenannte Supererde in unserer kosmischen Nachbarschaft entdeckt, die wissenschaftlich besonders interessant erscheint.

Günstige Gelegenheit

Obwohl der Planet seinen rund 26 Lichtjahre von uns entfernten Stern Gliese 486 in geringer Distanz umkreist und höllische Temperaturen aufweist, könnte er einen Teil seiner ursprünglichen Atmosphäre behalten haben. Wie die Wissenschafter aktuell im Fachblatt "Science" berichten, eignet sich die Gliese 486b genannte Welt besonders gut für künftige Atmosphärenanalysen mit weltraum- und bodengestützten Teleskopen.

Der Planet umrundet seinen Mutterstern alle 1,5 Tage.
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"Die Nähe dieses Exoplaneten ist spannend, weil wir ihn mit leistungsstarken Teleskopen wie dem James Webb Space Telescope und dem Extremely Large Telescope genauer werden untersuchen können", sagte Trifon Trifonov vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, der das Forschungsteam leitete. Das James Webb Space Telescope soll dem Hubble-Teleskop nachfolgen und kommenden Herbst starten. Das in den chilenischen Anden im Bau befindliche Extremely Large Telescope wird nach seiner Fertigstellung in einigen Jahren mit einem Spiegeldurchmesser von gut 30 Metern das größte optische Fernrohr der Welt sein.

430 Grad Celsius

Gliese 486b ist eine Supererde, der Planet besitzt eine rund 2,8-mal so große Masse und ist 30 Prozent größer als die Erde. Die Anziehungskraft auf diesem Exoplaneten ist rund 70 Prozent stärker als die auf unserem Heimatplaneten. Die Jahre vergehen dort schnell: Der Planet umkreist sein Muttergestirn, einen roten Zwergstern, auf einer Kreisbahn alle 1,5 Tage in einem Abstand von nur 2,5 Millionen Kilometern. Weil eine Drehung um die eigene Achse ebenso lang dauert, wendet der Planet seiner Sonne stets dieselbe Seite zu – ähnlich wie der Mond der Erde.

Obwohl der Stern Gliese 486 viel lichtschwächer und kühler als unsere Sonne ist, wird es auf dem Planeten höllisch heiß: Die Wissenschafter schätzen die Oberflächentemperaturen auf mindestens 430 Grad Celsius. Daher ähnelt die Oberfläche von Gliese 486b wahrscheinlich jener der Venus, mit einer heißen und trockenen Landschaft, die von glühenden Lavaströmen durchzogen ist. Berechnungen zeigen zudem, dass der Exoplanet eine ähnliche Zusammensetzung wie Venus und Erde besitzt – einschließlich eines metallischen Kerns.

Die Oberfläche des Exoplaneten könnte jener der Venus ähneln.
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Hoffnung auf Hülle

Im Gegensatz zur Venus hat Gliese 486b aber möglicherweise nur eine dünne Atmosphäre, vielleicht aber auch gar keine. Modellrechnungen zufolge sind beide Szenarien denkbar: Die Gashülle könnte durch den Strahlungsdruck des Sterns im Lauf der Zeit verdampft sein. Dem Atmosphärenverlust wirkt andererseits die Schwerkraft des Planeten entgegen. Trifonov und Kollegen hoffen, schon bald mehr herauszufinden zu können.

Diese Hoffnung ist berechtigt: Gliese 486b eignet sich besonders gut für weitere Beobachtungen. Von der Erde aus gesehen wandert der Exoplanet auf seiner Bahn vor seinem Stern vorüber. Wenn er eine Atmosphäre besitzt, wird diese dabei von einem winzigen Bruchteil des Sternenlichts durchschienen, bevor es die Erde erreicht.

Das wiederum erlaubt es Forschern, die Zusammensetzung der (potenziellen) Gashülle zu bestimmen. Denn die verschiedenen chemischen Verbindungen in der Atmosphäre verschlucken das Licht bei bestimmten Wellenlängen und hinterlassen im Signal charakteristische "Fingerabdrücke". Mittels Spektrografen können Forscher das Licht nach Wellenlängen aufspalten und nach solchen Absorptionsmerkmalen suchen.

Informationen über die Oberfläche

Ein zweites spektroskopisches Verfahren, die sogenannte Emissionsspektroskopie, kommt dann zum Einsatz, wenn Teile der beleuchteten Hemisphäre wie Mondphasen während des Umlaufs von Gliese 486b so lange sichtbar werden, bis er hinter dem Stern verschwindet. Das Spektrum enthält dann Informationen über die helle, heiße Planetenoberfläche.

"Wir können es kaum erwarten, bis die neuen Teleskope zur Verfügung stehen", sagte Trifonov. "Die Ergebnisse werden uns dabei helfen zu verstehen, wie gut Gesteinsplaneten ihre Atmosphären halten können, woraus die Gashüllen bestehen und wie diese die Energieverteilung auf den Planeten beeinflussen." (red, 5.3.2021)