Am Dienstag wird das Klimavolksbegehren ein letztes Mal im Parlament behandelt. Der grüne Klimasprecher Lukas Hammer will die Forderungen mit einem Mehrparteienantrag umsetzen. Im STANDARD-Interview zieht er Bilanz über das erste Jahr der Klimaarbeit mit dem großen Koalitionspartner und erzählt von vormals maroder Klimaschutzpolitik und dem Widerstand der wirtschaftlichen Interessenvertreter.

STANDARD: Bis Jahresende soll der CO2-Preis stehen. Ist das realistisch?

Hammer: Ja. Die ersten Schritte der ökosozialen Steuerreform haben wir bereits gesetzt.

STANDARD: Die Verhandlungen finden hinter verschlossenen Türen statt. Wie ist das mit den Rufen der Grünen nach Transparenz vereinbar?

Hammer: Bei einem bestimmten Gesprächsstadium macht es keinen Sinn, das öffentlich zu diskutieren. Natürlich muss die Öffentlichkeit zu einem gewissen Zeitpunkt miteingebunden werden, beim CO2-Preis sind wir noch nicht in dieser Phase.

STANDARD: Was steht im Mehrparteienantrag, der nächste Woche beschlossen werden soll?

Hammer: Da geht es zum Beispiel um einen verpflichtenden Klimacheck, einen Klimabeirat und eine ökosoziale Steuerreform. Wir sind auf die Forderungen des Klimavolksbegehrens eingegangen und haben die Vorschläge der Opposition in einen Antrag eingearbeitet.

Durch das alte Klimaschutzgesetz wurde Österreich zum Klimaschlusslicht in der EU, sagt Hammer. Die Novelle hätte Ende Dezember fertig sein sollen. Die Raumwärme wollen die Grünen neu denken.
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STANDARD: Das sind alles Punkte, die bereits im Regierungsprogramm stehen.

Hammer: Das Regierungsprogramm ist ja bereits sehr umfangreich, und viele Vorhaben wie die Finanzierung der Energiewende werden bereits umgesetzt. Aber wir wollen das Regierungsprogramm nicht nur rezitieren, sondern konkreter werden.

STANDARD: Welche Parteien unterstützen den Antrag, welche nicht?

Hammer: Ich habe einen sehr umfangreichen Antrag an die ÖVP geschickt und dann lange nichts gehört, bis sie doch noch an den Verhandlungstisch gekommen sind. Die FPÖ hat sich bis jetzt gar nicht konstruktiv beteiligt. Auf dem Papier sind alle für Klimaschutz, wenn es konkret wird, schaut es schnell anders aus. Das ist bei der SPÖ in Wien so und auch bei Teilen der ÖVP. Ich habe nicht das Gefühl, dass der vereinbarte Klimakurs von allen Teilen der Volkspartei mitgetragen wird.

STANDARD: Inwiefern?

Hammer: Den Bäuerinnen und Bauern in der ÖVP brauche ich nichts über Klimaschutz erzählen, die spüren das jeden Tag selbst. In leider dominanten Teilen des Wirtschaftsflügels bekomme ich ein ziemliches Zögern mit, sich wirklich zu dem zu bekennen, was wir vereinbart haben.

STANDARD: Das neue Klimaschutzgesetz ist fällig. Wo bleibt es?

Hammer: Wir sind mit dem Entwurf, den wir mit der ÖVP verhandeln werden, mehr oder weniger fertig. Man darf nicht vergessen, wo wir gestartet sind und was wir vorhaben. Wir haben das alte Gesetz geprüft und geschaut, ob wir das retten können. Es gab aber gravierende Mängel, deshalb mussten wir von vorn anfangen.

"Wir haben ein marodes Haus übernommen, die Pandemie hat es auch nicht einfacher gemacht", sagt der Grüne Lukas Hammer.
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STANDARD: Wird Klimaschutz in der Verfassung landen?

Hammer: Wir werden auf jeden Fall das Klimaneutralitätsziel 2040 festschreiben und im Klimagesetz Verfassungsbedingungen festlegen müssen. Das war unter dem alten Klimaschutzgesetz, das 2011 unter Rot-Schwarz beschlossen wurde, nicht der Fall. Das hat dazu geführt, dass wir unsere Kyoto-Ziele nicht eingehalten haben. Das wollen wir besser machen. Wir brauchen jetzt einen starken Mechanismus, durch den auch die Bundesländer in die Verantwortung gezogen werden. Aus meiner Sicht geht es bei dem Grundrecht auf Klimaschutz auch darum, dass Einzelpersonen oder Organisationen das Recht haben, fehlenden Klimaschutz einzuklagen. Jeder Bürger hat das Recht wegen Geruchsbelästigung gegen einen Würstelstand vorzugehen, aber nicht gegen eine Industrieanlage wegen Klimaschutz.

STANDARD: Wie läuft die Klimaarbeit insgesamt mit der ÖVP?

Hammer: Ich bin mit dem Regierungsprogramm zufrieden. Aber das Weiterkommen ist harte Arbeit. Die Ausgangsposition war schlecht, es gab gekürzte Umweltbudgets und abgebaute Umweltrechte. Wir haben ein marodes Haus übernommen, die Pandemie hat es auch nicht einfacher gemacht. Jetzt müssen wir während einer Pandemie riesige Schritte machen. Ich war positiv überrascht über das historisch große Klimaschutzbudget.

STANDARD: Geld allein senkt die Emissionen nicht.

Hammer: Den Ärger und den Frust, dass es viel zu langsam geht, den teile ich. Nur weil wir 2040 Klimaneutralität vereinbart haben, heißt das nicht, dass alle Türen offen stehen und wir da durchrennen. Und es gibt natürlich Widerstand.

STANDARD: Inwiefern?

Hammer: Man spürt in den Verhandlungen, dass Interessenvertreter noch immer eine sehr starke Stimme haben. Es gibt eine Vertretung, die offenbar nicht verstanden hat, wie ernst die Lage ist, und die Chancen nicht sieht, die der Klimaschutz bringt. Österreichs Klimapolitik leidet unter verkrusteten Strukturen, zu denen ein Teil der Wirtschaftskammer zählt.

Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz soll den Ökostrom-Anteil in Österreich in die Höhe schnellen lassen.
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STANDARD: Wo steht das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG)?

Hammer: Es ist inhaltlich fertig verhandelt. Wir können damit in den nächsten zehn Jahren zu 100 Prozent auf Ökostrom umsteigen. Wir stellen jährlich eine Milliarde Euro außerhalb des Budgets zur Verfügung, da müssen wir den Finanzminister nicht jedes Jahr um Erlaubnis fragen.

STANDARD: Wo lagen die Knackpunkte in den Verhandlungen?

Hammer: Es gibt in Teilen der ÖVP die starke Meinung, dass man das Gasnetz weiter ausbauen soll. Im Jahr 2021 sollten wir aber eher darüber reden, wie wir die Menschen aus den Öl- und Gasheizungen rausbekommen.

STANDARD: ÖVP-Staatssekretär Magnus Brunner hat im Vorjahr den Bau von hundert Wasserstofftankstellen angekündigt. Steht das im EAG?

Hammer: Nein. Im Entwurf gibt es eine umfangreiche Förderung von Wasserstoff, den wir in der Industrie auch brauchen. Diesen Wasserstoff müssen wir in den nächsten zehn Jahren auf erneuerbaren Strom und Elektrolyse umstellen. Für Wasserstoff-Pkws wird nicht viel übrig bleiben.

STANDARD: Wie sieht es bei Gas aus?

Hammer: Wir werden Gas für die Industrie brauchen. Derzeit ist der Verbrauch von Gas mindestens doppelt so hoch wie das theoretische Ausbaupotenzial von grünem Gas. Deshalb müssen wir dort, wo wir Gas ersetzen können – also in der Raumwärme – Alternativen finden.

STANDARD: Wie soll das praktisch funktionieren?

Hammer: Wir haben in Österreich ungefähr 600.000 Ölheizungen und eine Million Gasheizungen. Diese in den nächsten 20 Jahren auf erneuerbare umzustellen ist eine Mammutaufgabe. Aber auch eine große Chance – wie sehen jetzt schon einen wahren Jobmotor in den Maßnahmen dafür. Dazu braucht es mehrere Elemente, aber vor allem Förderungen. Deswegen haben wir ja auch Rekordsummen beschlossen, um Menschen den Heizungstausch zu ermöglichen. Einem Haushalt mit sehr geringem Einkommen nützt es eine Investitionsförderung nichts, wenn er sich den Rest nicht leisten kann. Deshalb gibt es einen Topf mit 50 Millionen Euro für die untersten zwei Einkommensdezile. Es muss für jene, die es sich gar nicht leisten können, aber auch die Möglichkeit geben, dass die gesamte neue Heizungsanlage vom Staat gefördert wird. Technisch ist das alles gelöst. (Nora Laufer, 5.3.2021)