"We drink, we drug, we shag" – das schottische Duo Arab Strap gibt sich auf seinem heute erscheinenden Comeback-Album "As Days Get Dark" wertkonservativ. Auf seine Art.

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Lange dauert es nicht, schon taucht ein zentraler Begriff im Wortschatz des Aidan Moffat auf. Der ist Sänger des Duos Arab Strap und eröffnet mit dem Satz: "I don’t give a fuck about the past or glory days gone by." So beginnt das lebensbejahend "As Days Get Dark" betitelte Comeback-Album der Schotten. Manches ändert sich nie, und das ist gut so.

Moffat ist 47, ergraut und trägt die Brille nicht als Modeaccessoire. Er ginge auch als 57 durch. Erhielte er für jede geäußerte Variation des Wörtchens "Fuck" ein Pfund Sterling auf sein Zecherkonto überwiesen, die Zapfanlage seines Pubs würde in alle Ewigkeit sprudeln.

Arab Strap wurden 1995 von Moffat und Malcolm Middleton gegründet; der Bandname geht auf ein Sexspielzeug für den Herrn zurück, einen Ring, der das Blut im Geschlecht und dieses hochhält. Arab Strap waren damals käsegesichtige Twens von geringer sozialer Kompetenz. Ihre Zeit verbrachten sie im Pub, im Rausch oder im Innenhof mit schnellem Sex. Sex-Positive auf grindig.

Generation Trainspotting

Damit war zugleich das Themengebiet ihrer Kunst abgesteckt, deren Offenheit daher rührte, dass die beiden nie damit gerechnet hatten, je ein Publikum zu haben. Irrtum.

Arab Strap waren die Generation Trainspotting – nach dem gleichnamigen Erfolgsfilm von Danny Boyle. Keine Romantik, keine Herzscheiße und als solches ein ätzendes Gegenmittel zum gockelnden Brit-Pop-Gewese jener Zeit.

Bei Arab Strap ging es um an Überdosen verglühte Kumpels, die siechende Verwandtschaft, ausfallende Zähne und andere Wahrnehmungen im Zustand eines ewigen Katers, der jenen schwarzen Humor gebar, der die Texte durchzieht. Denn trotz des oft teilnahmslos bis angewidert wirkenden Vortrags Moffats war und ist der der Nährboden dieser Kunst.

Arab Strap

Veröffentlicht wurden ihre Alben beim Glasgower Label Chemikal Underground, dort erschienen auch Werke von befreundeten Bands wie Mogwai. Arab Strap betörten mit abgebremsten Loops, ambitionslosen Beats, knappen akustischen Gitarrenlicks – einer Ökonomie, die jeder Eitelkeit oder jedem Geschwätz den Riegel vorschob: Die Musik war Low Fidelity, high war man selbst.

Heiterer Nihilismus

Nach zehn Jahren des heiteren Nihilismus war Schluss: menschliche Differenzen. Es folgte die Kompilation "Ten Years of Tears", eine als letzte Tour getarnte Kollekte, dann gingen Moffat und Middleton getrennte Wege und veröffentlichten solo diverse Alben.

Wieder zehn Jahre später beschlossen die beiden eine Wiedervereinigung und gingen mit altem Material erneut auf Tour. Bald schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis sich ein neues Album materialisieren würde. "As Days Get Dark" ist das siebente Studioalbum und eröffnet mit dem zart nekrophil anmutenden "The Turning of Our Bones", das mit Tod und Sex die Themensetzung der Band wertkonservativ weiterschreibt. Auferstehung und Geschlechtsverkehr, wer möchte nicht mehr darüber erfahren?

Arab Strap

Die Musik dazu klingt wie Joy Division aus den Highlands, abzüglich des gefrorenen Pathos. Moffat wirkt in diesen Songs wie ein abgestumpfter TV-Serien-Polizist beim Entdecken des 73. Mordopfers. Äußerlich gefasst, innerlich zerfressen.

"Another Clockwork Day" beschäftigt sich Lockdown-konform mit den Freuden der Online-Pornografie und vertont das Thema pathologische Masturbation nachgerade höfisch als wie mit dem Spinett für höher Geborene vorgetragen: Zynismus für Fortgeschrittene und genau jener Humor, für den Arab Strap geschätzt werden.

Freunde voller Gläser

Moffat und Middleton gehen in ihrer Profession nicht nur physisch auf – man ist jetzt zweimal so viel wie vor 25 Jahren –, sie wirken mit ihren Themen dermaßen verwachsen, dass man fast versucht ist, diese Übertreibungskunst als bare Münze zu nehmen.

Wiewohl Freunde voller Gläser, sind jene in ihren Geschichten immer halb leer und der Weg dorthin voll profaner Widrigkeiten. Doch Moffats intim ins Zentrum produzierter Sprechgesang räumt sie alle aus dem Weg: "We drink, we drug, we shag." Aus Middletons Gitarre dröhnen dazu bohrende Riffs, der Rhythmus begleitet stur und stumpf wie Fließbandarbeit. Unverschämtheiten werden von Streichern verkitscht, Sauereien in Moll kredenzt. Manches ändert sich nie, und das ist gut so. (Karl Fluch, 5.3.2021)