Ursula Beiler: "Grüss Göttin" in Tirol

"Der Internationale Frauentag ist für mich ein Kampftag", sagt Ursula Beiler. Die 61-jährige Tiroler Künstlerin weiß nur zu gut, was es heißt, für die Anliegen von Frauen zu kämpfen. Seit ihr Kunstwerk "Grüss Göttin" im August 2009 an der Autobahn A12 bei Kufstein enthüllt wurde, weht ihr im "heiligen Land Tirol" ein Sturm männlicher Entrüstung entgegen. Dabei will Beiler mit ihrem fünf Meter langen Schild nur darauf hinwiesen, dass das Göttliche das Weibliche mitumfasst. "Bis heute ist das Göttliche gemeinhin männlich und somit nur das Männliche göttlich. Dagegen wollte ich ein Zeichen setzen."

Ursula Beiler mit ihrem "Grüss Göttin"-Schild, das seit zwölf Jahren Tiroler Männer aus der Fassung bringt.
Foto: Wolfgang Lackner/Tirol Panorama

Sie traf einen Nerv in Tirol. Sage und schreibe 65-mal wurde das Schild zerstört oder verunstaltet, solange es bis 2016 neben der A12 stand. Dann verschwand es für einige Zeit in einem Lager. Innsbrucks Stadtführung wollte es 2017 an der Talstation der alten Hungerburgbahn affichieren, doch FPÖ und Seniorenbund verhinderten das mittels Petition. 2018 wurde ein neuer Versuch gestartet, um es am Kreisverkehr an der Autobahnausfahrt Innsbruck-Mitte zu installieren. Doch der damals neue grüne Bürgermeister wollte das vorher mit dem Bischof besprechen.

Es sollte bis Mai 2019 dauern, dann fand das Schild zum Kreisverkehr – und wurde umgehend wieder zerstört. Wohl 20-mal sei das bisher wieder geschehen, sagt Beiler: "Aber es hat sich nun verändert. Statt es zu zerstören, wird es nur mehr überklebt – mit anderen wichtigen Botschaften." Protest gegen Kinderabschiebungen, Hohn für die korrupte türkis-blaue Ibiza-Koalition, die Themen sind vielfältig. Beiler ist froh, dass ihr Kunstwerk nun diese Funktion erfüllt. Eine vier Meter lange Replik steht seit kurzem auch auf dem Dach des Bergisel-Museums in Innsbruck.

Unweit davon befindet sich das große Andreas Hofer-Denkmal. Genau dort wird Ursula Beiler am Montag, den 8. März, ab 15 Uhr eine "Performance" bieten. Zur Feier des Frauentages liest sie echte Leserbriefe aus den vergangenen zwölf Jahren vor, die zu ihrem Schild verfasst und veröffentlicht wurden. Darunter sind "wahre Perlen", wie die Künstlerin erzählt: "Einer hat juristisch argumentiert, dass ich wegen Blasphemie für sechs Monate eingesperrt werden sollte. Ein anderer verwies überhaupt ans 'jüngste Gericht', wo ich meine gerechte Strafe erhalten würde." Wer ihr am Montag dabei zuhören will, ist aufgerufen, eine FFP2-Maske zu tragen und die Abstandsregeln einzuhalten.

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Amy Wald: "Hat nichts mit Gender zu tun"

Vor wenigen Tagen hat sich Amy Wald als nichtbinär geoutet, weibliche Pronomen seien aber weiterhin okay, sagt sie. "Würde man Menschen nicht sofort nach Äußerlichkeiten gendermäßig labeln, hätte ich das vielleicht nicht gemacht", sagt die 25-jährige Musikerin. "Ich hab das gar nicht als Outing realisiert, bis mir Leute dazu gratuliert haben – ich wünschte, man müsste das gar nicht mehr erwähnen." Wichtig sei ihr das nur zu Hause mit ihrer Partnerin Valentina Vale und, dass auch ihre Band Bescheid wisse.

Musikerin Amy Wald wünscht sich, dass es den Tag nicht brauchte.
Foto: Valentina Vale

Die Singer-Songwriterin begann als Straßenmusikerin auf dem Salzburger Makartsteg. Im Vorjahr schaffte sie es mit ihrem Song Mehr als nur ein Like plötzlich für fünf Wochen lang in die Ö3-Charts. "Das war mega unerwartet", sagt Wald. Doch mit dem Thema, in den sozialen Medien ständig nach Aufmerksamkeit zu gieren, traf sie wohl besonders bei vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen Nerv.

Feminismus definiert die 25-Jährige für sich so, dass alle Menschen gleichgestellt und -behandelt werden sollen. "Das hat nichts mit Gender zu tun", betont Wald. Man dürfe keinen Unterschied machen, wie Menschen sind. Der Frauentag bedeute in erster Linie Aufmerksamkeit. "Ich würde mir wünschen, wir brauchten ihn nicht", sagt die queere Songwriterin. Es sei ein Problem, dass es einen Tag brauche, um an die Gleichstellung zu erinnern.

Gegen Sexismus auf Instagram

In den sozialen Medien bezieht sie zu Sexismus auch Stellung. Auf einen Post des deutschen Rappers Bonez MC, in dem er sich beschwerte, dass "Frauen nichts können", hat die Musikerin schlagfertig mit einem Song geantwortet. "Solche Themen regen mich auf, da verspüre ich dann einen enormen Weltschmerz. Er hat Millionen Instagram-Follower", ärgert sich die Salzburgerin. Deshalb hielt sie mit einem parodistischen Video, das sie zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Vale aufnahm, dagegen. Denn Frauen würden selbstverständlich mehr können als nur Instagram-Pics.

Nach der Matura hat Wald zunächst drei Jahre in einem Klamottenladen im Verkauf gearbeitet, "um die Miete zu bezahlen", erzählt sie. Dann habe sie den Schritt gewagt, nur von der Musik zu leben. Mit der Straßenmusik hielt sie sich über Wasser und spielte in Jugendzentren und kleinen Clubs – bis Conchita Wurst auf sie aufmerksam wurde. Wurst nahm sie Anfang 2020 als Support mit auf Tour durch den deutschsprachigen Raum.

Mittlerweile hat Amy Wald zusammen mit Vale ihr eigenes Label gegründet, auf dem sie ihre Musik veröffentlicht. Im Vorjahr wäre ihre erste Tour als Headliner geplant gewesen. Doch Corona machte der Band einen Strich durch die Rechnung. Die Ersatztermine im Mai mussten nun erneut abgesagt werden. Doch still wird es um die Musikerin deshalb nicht. Am Samstag gibt Amy Wald im Zuge der Reihe "Club Session" im Salzburger Rockhouse ein Live-Streaming-Konzert. Sie freue sich wieder, auf der Bühne zu stehen, aber das Publikum werde fehlen, sagt Wald. Am 12. März erscheint dann ihre neue Single Unfertig.

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Rifka Junger: "Das Gegenteil von Feminismus"

Für mich persönlich bedeutet der Frauentag nichts", sagt die 40-jährige Rifka Junger. Sie ist orthodoxe Jüdin und lebt in Wien. Der Frauentag ist für sie ähnlich sinnlos wie ein Muttertag oder Vatertag. "In meiner Community gilt: Jeder Tag ist Muttertag oder Frauentag", sagt die Journalistin Junger. Ob sie gerne Geschenke bekäme zum Frauentag, wie es in manchen Ländern Sitte ist? "Nein, es fühlt sich an, als ob mit solchen Geschenken die Tatsache, dass man eine Frau ist, kompensiert werden müsste" – und das sei für Junger "das Gegenteil von Feminismus".

Die orthodoxe Jüdin Rifka braucht keine Geschenke zum Frauentag.
Foto: Junger

Für sie bedeutet Feminismus "für die Rechte der Frauen einzutreten und nicht für das Recht, wie Männer zu sein. Denn was ist an Männern so besonders, dass man wie sie sein sollte?" Natürlich sei sie gegen Diskriminierungen. "Alle sollten gleich bezahlt werden, das ist klar", präzisiert sie, "es darf nicht vom Geschlecht, sondern soll von der Leistung abhängen." Gefragt, ob es Tage gibt, an denen sie sich denkt, sie wäre lieber ein Mann, muss sie lachen: "Meine Freunde scherzen oft darüber, dass ich eigentlich die Rollen von Mann und Frau vereine."

"Komplett falsches Bild"

Dass Frauen im orthodoxen Judentum von außen oft als unterdrückt und mit weniger Rechten gesehen werden, hat für Junger mit der Realität wenig zu tun. Das Bild sei "komplett falsch", betont sie, die selbst aus einer ultraorthodoxen Familie kommt: "Es gibt eine Rollenverteilung, die innerhalb der Familie definiert wird, aber wir Frauen werden deshalb nicht unterdrückt." Zudem lebten nicht alle Familien innerhalb der Orthodoxie gleich.

Bilder wie sie etwa durch die Netflix-Serie Unorthodox durch die Welt gehen, entsprechen im Allgemeinen nicht der Realität. "Das ist die Geschichte einer Familie, sie sollte nicht als Beispiel gelten, dass diese Community in Brooklyn so lebt", sagt Junger. Zudem müsse man bedenken, dass die Holocaust-Überlebenden, die solche Communitys gegründet hatten, schwer traumatisiert waren. Die Generationen nach ihnen hätten ihre eigenen Traumata zu bearbeiten. Tatsächlich lassen sich etwa auch orthodoxe Frauen scheiden – und so traurig es ist, dass man die Ehe nicht retten konnte, sei es keine Schande, sondern, wenn eine Beziehung in die Brüche geht, sogar eine "Mitzwa" (Gebot, Anm.) in der Thora. "Wenn sich ein Paar scheiden lässt, wünscht man den Geschiedenen danach ,Masel tov‘", erzählt Junger.

Dass die Frau aus der Rippe des Mannes geschaffen worden sein soll, ist für Junger nichts als "ein Interpretationsfehler". In der Bibel stehe viel mehr, dass "Gott Mann und Frau in einem Menschen erschaffen hat. Während Adam mehr der Erde verbunden war, wurde Eva aus Geist oder Spiritualität geschaffen." "Viele glauben, die jüdischen Männer haben zum Beispiel, weil sie mehr beten und Gebetsriemchen verwenden müssen, mehr Rechte als die Frauen. Das ist ein Irrtum. Sie haben mehr Pflichten. Der Mann muss mehr tun, um die Ebene der Spiritualität zu erreichen, auf welcher die Frau bereits vom Wesen her ist." Zudem sei die Frau "das Fundament und die Kraft in der Familie, die auch Entscheidungen trifft". Nicht nur am Frauentag.

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Schwester Ida Vorel: "Ein Tag im Zeichen der Not"

Arbeitet man im Weingarten des Herrn, hat man als gelernte Gärtnerin möglicherweise einen gewissen Vorteil. Zumindest aber hat der grüne Job bei Schwester Ida Vorel dafür gesorgt, dass die 27-Jährige ihre Berufung fand. Wenn auch indirekt: Mit 19 Jahren gönnt sich die gebürtige Salzburgerin eine Auszeit vom stressigen Lehrlingsalltag, ein günstiger Urlaub soll es sein. "Ich habe mich für zehn Tage im Kloster der Franziskanerinnen von Vöcklabruck entschieden", erinnert sich Schwester Ida. Das Leben zwischen Gebet, Arbeit und Gemeinschaft fasziniert die junge Frau nachhaltig. Sie schließt ihre Lehre ab und tritt mit 19 ins Kloster ein.

Ein Frauenleben zwischen Gebet, Arbeit und Gemeinschaft.
Foto: Fischbacher

Nach acht Jahren "Probezeit" folgt dann mit der "Ewigen Profess" das Gelübde auf Lebenszeit. Eine Zeit, in der Schwester Ida durchaus auch einmal mit ihrer Lebensentscheidung hadert: "Es gab natürlich Momente, in denen ich meine Koffer packen wollte. Letztlich bin ich aber doch immer geblieben." Heute arbeitet die junge Frau als Sozialpädagogin im Hort und managt das Quartier 16 – ein Haus für Frauen in schwierigen Lebenssituationen. Womit sich auch der Kreis zum Frauentag schließt: "Es ist ein Tag, der im Zeichen der Not vieler Frauen stehen soll."

Dass dem Ordensleben ein Singledasein zugrunde liegt, hat Schwester Ida übrigens nie gestört: "Es ist ja nicht so, dass ich keinen Mann abbekommen hätte. Ich habe mich bewusst entschieden, als Single zu leben. Das ist ein großer Unterschied." Das Leben in der Klostergemeinschaft kann durchaus auch mal konfliktträchtig sein: "Bitte, wir sind eine Frauengemeinschaft. Wir reiben uns aneinander, da tuscht es schon mal ordentlich. Aber es ist ein reinigendes Gewitter." (Colette M. Schmidt, Stefanie Ruep, Markus Rohrhofer, Steffen Arora, 5.3.2021)