Flankiert von der dänischen Regierungschefin Mette Frederiksen und Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz präsentierte Israels Premier Benjamin Netanjahu den "grünen Impfpass", der Lockerungen bringt.

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Die drei Regierungschefs nannten es einen "Impfgipfel", europäische Kommentatoren hingegen werteten den Israel-Besuch des österreichischen Kanzlers Sebastian Kurz und der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen als Signal, dass der Zusammenhalt der EU im Kampf gegen die Pandemie deutliche Risse bekommt.

Kurz, Frederiksen und der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu trafen am Donnerstagabend in Jerusalem zusammen, um in Sachen Impfstoffe künftig "Kräfte zu bündeln", wie Kurz erklärte. Konkret einigte man sich auf eine gemeinsame Forschungsstiftung, dotiert mit vorerst 50 Millionen Euro. Damit sollen Projekte zur Impfstoffentwicklung gefördert werden. Wie diese Förderungen konkret vergeben werden sollen, war vorerst nicht zu erfahren. Weitere Staaten, "auch EU-Mitglieder", hätten bereits Inter esse bekundet, sich der Kooperation anzuschließen, sagte Kurz.

Sorge wegen Mutationen

Auch bei der Herstellung von Vakzinen wollen die drei Länder kooperieren, heißt es. Israel strebt an, längerfristig unabhängig von ausländischen Lieferanten zu werden. Das Land ist zwar globaler Vorreiter bei der Impfversorgung (mehr als 90 Prozent der über 90-Jährigen sind bereits geimpft), aber die Sorge wegen weiterer Mutationen trübt auch hier die Jubelstimmung. Zumal die Regierung noch keinen Deal für aufgerüstete Vakzine hat, die auch auf Mutationen – wie etwa die Südafrika-Variante – reagieren.

Der in israelischer Produktion hergestellte Impfstoff Brilife sollte laut ursprünglichen Plänen im kommenden Sommer auf den Markt kommen. Nun fällt es aber schwer, Teilnehmer für die klinischen Versuche zu finden: Die Aussicht, womöglich das Placebo zu erhalten und weiterhin ungeimpft herumzulaufen, während das halbe Land bereits immunisiert ist, schreckt viele Israelis ab.

Produktion in Österreich?

Bei der Frage, was Österreich zu einer gemeinsamen Impfstoffproduktion beitragen könne, sagte Kurz am Rande des Treffens, dass es hier "einige Beispiele" gebe – etwa das Klosterneuburger Unternehmen Polymun, das bereits jetzt Lipid-Nanopartikel an Pfizer liefert. Alle Seiten betonen, dass es sich um langfristige Projekte handelt. Lösungen für die aktuelle Impfversorgung in Österreich waren bei dem Jerusalemer Treffen eher nicht das Thema.

Egal welche konkreten Projekte nun folgen werden: Symbolwirkung hat das Meeting allemal. In der EU wird Kurz’ Israel-Besuch von vielen als Ausscheren vom gemeinsamen Weg gesehen. In Österreich gelingt es Kurz eher, Handlungsmacht zu demonstrieren und zwischen den Zeilen auch Brüssel ein wenig den schwarzen Peter für die schleppende Impfversorgung zuzuschieben. Wobei der Kanzler in Jerusalem betonte, dass er über das "Engagement" von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen "sehr froh" sei. Er kritisierte allerdings das "langsame und teils sehr bürokratische Vorgehen der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA)".

Was aber verspricht sich Netanjahu von dem Treffen? Der Langzeitpremier setzt im aktuellen Wahlkampf auf zwei Trümpfe: die gelungene Impfkampagne und seine ausgezeichneten internationalen Kontakte. Mit den Bildern vom Impfgipfel, die ihn mit ausländischen Regierungschefs zeigen, schafft er es, beide Asse gleichzeitig auszuspielen.

Kritik in Israel

Wobei sich Netanjahu im Land die Kritik gefallen lassen muss, dass er nun zwei ausländische Delegationen für einen Gipfel, der sich auch per Video hätte abwickeln lassen, am Flughafen Tel Aviv landen ließ, während zahlreiche Israelis seit Wochen im Ausland feststecken und nicht wissen, ob sie rechtzeitig zur Wahl am 23. März zurück sein werden – Israel lässt Briefwahl nicht zu.

Das Land fährt ein strenges Einreiseregime. Für Kurz, Frederiksen und ihre Begleiter wurde hier eine Ausnahme gemacht. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 4.3.2021)