Foto: A1 eSports / Florian Wieser

E-Sport hat in Österreich zwar längst noch nicht die Dimensionen von asiatischen Ländern erreicht, doch es hat sich eine gewisse Community gebildet. Der Frauenanteil an den Zuschauern ist ebenfalls gewachsen, wiewohl er längst noch nicht bei 50 Prozent liegt – und bei den aktiven Teilnehmerinnen liegt der Anteil erst im einstelligen Bereich.

Anlässlich des Weltfrauentags am 8. März spricht Irina Kuntze, Verantwortliche für E-Sports und Gaming bei A1, über die Rolle ihrer Liga in Zeiten von Corona, den noch immer geringen Frauenanteil und den Umgang mit persönlichen Angriffen.

STANDARD: Sie sind Verantwortliche für die A1 E-Sports League. Eine Einstiegsfrage für jene, die die Liga nicht kennen: Worum geht es dabei?

Kuntze: Wir haben die A1 E-Sports League Austria im Herbst 2017 gegründet. Es ist die größte E-Sport-Liga in Österreich und mittlerweile auch eine der größten im deutschsprachigen Raum. Das Besondere an der A1 E-Sports League ist, dass wir eine Multigaming-Liga sind. Das heißt, wir bieten mehrere Spieltitel an, von Mobile Games bis zum PC.

STANDARD: In internationalen Medien wirkt es stets so, als sei E-Sport ein milliardenschwerer, boomender Markt. In Österreich wirkt es noch immer wie ein Randthema. Warum ist das so?

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Kuntze: International ist E-Sport sicher schon weiter als in Österreich. Gerade Asien ist dafür das Paradebeispiel, dort ist der Markt schon sehr fortgeschritten. Aber auch in Europa und insbesondere im deutschsprachigen Raum haben wir über die letzten Jahre eine sehr große Entwicklung gesehen. Der Unterschied ist auch ein kultureller: Bei uns ist das Gaming noch nicht so lange verankert wie zum Beispiel in Asien, wo auch zahlreiche Konsolenhersteller und Games-Entwickler angesiedelt sind. Bei uns braucht es noch Zeit. Aber ich bin mir sicher, dass E-Sport auch bei uns an Bedeutung gewinnen wird.

STANDARD: Ihrer Website ist zu entnehmen, dass Sie gemeinsam mit anderen Institutionen der Szene die E-Sport-Allianz Österreich gegründet habt. Geht es dabei auch um genau dieses Thema, E-Sport weiter in Österreich zu verankern?

Kuntze: Genau. Bei der E-Sport-Allianz haben wir uns gemeinsam mit dem E-Sport-Verband Österreich und der E-Bundesliga zusammengeschlossen, um dieses Thema in der Breite weiter voranzutreiben, massentauglicher zu machen und auch aufzuklären. Also Fragen zu beantworten wie: Was ist E-Sport? Wie kann ich E-Sportler werden? Welche Möglichkeiten gibt es in Österreich? Wir wollen für dieses Thema die erste Anlaufstelle für Gesellschaft, Medien und Wirtschaft sein.

STANDARD: Welche konkreten Maßnahmen setzen Sie hier?

Kuntze: Zuerst haben wir Infografiken bereitgestellt, um Aufklärung zu betreiben. Es wird Webinare und Videoserien geben, in denen wir auch über diese Themen aufklären. Und wir werden sogenannte Business Circles veranstalten, bei denen wir Interessenten aus Wirtschaft, Medien und Politik einladen, um gemeinsam zu diskutieren und entsprechend weitere Maßnahmen zu setzen.

STANDARD: Wie setzt sich die Demografie der heimischen E-Sportler zusammen? Stimmt das Klischee, dass es hauptsächlich junge Männer sind?

Kuntze: Bei den Gamern (also Menschen, die in ihrer Freizeit Spiele auf PCs, Konsolen, Tablets und Handys spielen, Anm.) weiß man, dass es sehr ausgeglichen ist. Hier liegt der Frauenanteil mittlerweile bei fast 50 Prozent. Bei den E-Sportlern sind wir leider noch nicht so weit. Aber man muss klar unterscheiden zwischen E-Sport-Konsumenten und den aktiven E-Sport-Spielern. Bei den E-Sport-Konsumenten (also jenen, die regelmäßig kompetitives Spielen mitverfolgen, Anm.) weiß man, dass ungefähr ein Drittel weiblich ist. Wenn es aber darum geht, tatsächlich selbst kompetitiv zu gamen, dann haben wir nach wie vor einen extrem hohen Männeranteil von mindestens 90 Prozent. Das ist also noch immer sehr männlich dominiert.

STANDARD: Welche E-Sport-Spiele schauen Frauen überdurchschnittlich gerne?

Kuntze: Wir bieten nicht alle Spiele an, deshalb habe ich keinen Überblick über alle Genres. Wir sehen aber, dass zum Beispiel League of Legends einen höheren Frauenanteil bei den Zuschauern hat. Auch im kompetitiven Bereich hatten wir bei League of Legends mehr aktive weibliche Spielerinnen als in anderen Spielen. Wobei auch hier der Anteil leider bloß im einstelligen Bereich lag.

STANDARD: Was muss passieren, um mehr Frauen dafür zu begeistern, dass sie auch selbst bei den Ligen antreten?

Irina Kuntze: "Bei den E-Sport-Konsumenten weiß man, dass ungefähr ein Drittel weiblich ist."
Foto: A1 eSports / Florian Wieser

Kuntze: Auch hier ist Aufklärungsarbeit wichtig. Es müssen die Möglichkeiten gezeigt werden. Und es wichtig, dass es Vorbildfunktionen gibt. Dass man sieht, welche Frauen in diesem Bereich bereits aktiv sind und welche Karrieren sie gemacht haben. Zugleich muss man die Mädchen und jungen Frauen dazu ermutigen, es einfach auszuprobieren und in diesen Bereich hineinzuschnuppern. Denn es ist einfach ein wahnsinnig spannender Bereich und eine ganz tolle Community.

STANDARD: Rund um die Gamergate-Kontroverse wurde stark über sexuelle Diskriminierung in der Branche diskutiert. Wie geht es Ihnen selbst als Frau in dieser Branche? Müssen Sie mit Vorurteilen und Angriffen kämpfen?

Kuntze: Es gab immer wieder den einen oder anderen Zwischenfall, wo auch mir gegenüber eine vielleicht nicht ganz angebrachte Bemerkung gefallen ist. Ich muss aber gestehen, dass ich in der glücklichen Situation bin, in meiner Rolle nicht so sehr in der Öffentlichkeit zu stehen wie zum Beispiel eine Streamerin oder eine Spielerin. Ich bin meistens hinter den Kulissen und biete daher nicht so viel Angriffsfläche für die Leute, die auf so etwas abzielen.

Foto: A1 eSports / Florian Wieser

STANDARD: Was raten Sie Frauen, die mit derartigen Angriffen konfrontiert sind?

Kuntze: Es ist wichtig, offen über diese Dinge zu reden – sowohl innerhalb der Community als auch bei den Vorfällen selbst. Zugleich sollten Betroffene darauf schauen, dies nicht zu persönlich zu nehmen und zu unterscheiden: Ist das echtes konstruktives Feedback oder der klassische Internettroll, der einfach "lustig" sein will?

STANDARD: Würden Sie basierend auf dem Hass-im-Netz-Gesetz in manchen Fällen auch zu rechtlichen Schritten raten?

Kuntze: Es gibt definitiv Grenzen, die einfach nicht überschritten werden dürfen. Man muss unterscheiden: Es gibt den im E-Sport-Bereich verbreiteten "friendly banter", bei dem man sich in kleineren Reibereien gegenseitig ein wenig aufstachelt – das hat per se noch nichts mit Sexismus zu tun. Dann gibt es die Kommentare, die sich nicht nur gegen Frauen, sondern gegen allerlei Diversity-Themen richten und somit hier definitiv nichts verloren haben. Und dann gibt es klare Angriffe, die auch rechtliche Schritte nach sich ziehen müssen – etwa wenn es um Morddrohungen und Stalking geht.

STANDARD: Kommen solche Angriffe – also vor allem jene der letztgenannten Kategorie – öfter vor?

Kuntze: Ich bekomme vor allem via Twitter mit, dass es hier immer wieder Fälle gibt, in Deutschland gefühlt etwas mehr als in Österreich. Eine objektive Beurteilung ist aber nicht möglich, weil viele Fälle nicht öffentlich gemacht werden.

STANDARD: Abschließend zurück zum Gaming per se. Die Pandemie hat Gaming mangels Alternativen für viele Menschen zum größten Zeitvertreib gemacht. Große E-Sport-Events fielen hingegen aus. Wie geht es für die A1 E-Sports League und für die Szene nun weiter?

Kuntze: Wir merken auch, dass uns die Events und Offlinetreffen fehlen. Das ist für die Szene sehr wichtig. Da man teils über Ländergrenzen hinweg miteinander spielt, waren die Finalevents oft die einzige Möglichkeit, sich auch einmal persönlich zu treffen, gemeinsam fortzugehen und sich zu vernetzen. Wir haben dennoch versucht, die Finalevents in TV- und Show-Produktionen umzuwandeln. Wir haben etwa die Bühne mit Setups und LED-Wänden so aufgebaut, als wären Leute wirklich vor Ort. So wollten wir das Gefühl den Leuten nach Hause geben und den Spielerinnen und Spielern den Abschluss geben, den sie auch verdient haben. Das wollen wir auch weiterhin anbieten. (Stefan Mey, 5.3.2021)