"Ich"-Expertin Tolentino (32): jetzt auch Mutter einer Tochter.

Foto: Elena Mudd

"Personal History" heißt die Rubrik im US-Magazin New Yorker, in der auch die Geschichten von Jia Tolentino, Jahrgang 1988, erscheinen. Neun davon hat die Journalistin, die zuvor bei feministischen Online-Projekten wie Jezebel publiziert hat, in einem Essay-Band versammelt.

In den USA ist Trick Mirror schon 2019 erschienen und zum gehypten Millennial-Bestseller avanciert. Das Buch, das jetzt mit 360 Seiten auf Deutsch erschienen ist, umfasst jede Menge Content, wie es für das Internet so schön heißt: Tolentino führt uns durch jede Menge "personal history", sie kritisiert den Social-Media-Wahnsinn ihrer Generation, enthüllt ihre Reality-TV-Vergangenheit, beschreibt weibliche Selbstoptimierungsmechanismen und -märkte, hinterfragt die Rolle von Frauen in Romanen, erzählt vom Aufwachsen in einer evangelikalen Megachurch-Gemeinde in Houston, erklärt warum sie selbst den US-amerikanischen Wedding-Business-Terror nicht mitmachen will und demaskiert die Umstände, die an US-Universitäten dazu geführt haben, dass sich die dafür Verantwortlichen so lange mit Misogynie und Rape-Culture nicht auseinandersetzen mussten.

Feminismus als Klammer

Die Klammer, die das alles zusammenhält, ist: Feminismus, ab und an Kapitalismuskritik und immer wieder Identitätspolitik, weil die Journalistin ihren "asian-american background", die Eltern kommen von den Philippinen, immer wieder einbringt.

Das eigene Ich, auch wenn es in Tolentinos Fall oft ein inszeniertes Internet-Ich ist, in sein Schreiben einzubringen hat eine lange und selbstverständliche Tradition im angloamerikanischen Raum. Es ist diese Mischung aus eigenen Erfahrungen, penibler Recherchearbeit, enormer Lesearbeit, die sie mit weiterführender Literatur betreibt (tolle Leseliste!, Anm.) und nicht zuletzt ihr schreiberisches Können, das dafür sorgt, dass man ihre Geschichten aufmerksam und gern liest.

Und sie hat Humor, wenn sie über Bodybuilderinnen schreibt, die in ihrer Jugend während der Gottesdienste Telefonbücher zerrissen haben, um zu demonstrieren, wie stark sie Jesus macht. "Ich kann sagen", schreibt die heute in New York lebende Autorin, "dass ich in jenem Jahr aufhörte, an Gott zu glauben, in dem ich das erste Mal Ecstasy nahm." Im August ist die US-Amerikanerin Mutter einer Tochter geworden. Auch ein Erfahrungsbericht. (Mia Eidlhuber, ALBUM, 6.3.2021)