Weibliche Solidarität als Hoffnung: Isabel Allende.

Foto: EPA / Quique Garcia

Im gutbürgerlichen deutschsprachigen Feuilleton kommt Isabel Allende nicht gut weg: Als "Königin des Kitschs" wird sie da bezeichnet, und ihre Romane werden dem "Genre der Schmalzliteratur" zugerechnet. Einerseits.

Andererseits hat Allende eine große Fangemeinde und stand mehrmals auf Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste. Die deutschen Übersetzungen ihrer Werke erscheinen bei Suhrkamp. Nun ist dort mit Was wir Frauen wollen ein, wie der Verlag es nennt, "leidenschaftliches, provokantes und inspirierendes Memoir" herausgekommen.

Es geht, wie der Titel schon sagt, in dem schmalen Bändchen um die Frage, was Frauen denn eigentlich wollen. Und die Antwort, so viel kann man gleich sagen, hat eher weniger mit Spaß zu tun. Allende erzählt von ihrem Leben als Feministin, das laut ihr bereits im zarten Alter von wenigen Jahren begonnen haben soll. Und wer wollte das infrage stellen?

Gerechtigkeit

Kinder können gerechtigkeitsfanatisch sein, und um was sonst sollte es bei Feminismus gehen, wenn nicht in erster Linie um Gerechtigkeit. Es mag überraschen, wenn man Allende nur als die Schnulzenautorin kennt, als die sie im Feuilleton verschrien ist – aber bevor sie, 40-jährig, mit ihrem Debütroman Das Geisterhaus weltweiten Erfolg hatte, war sie in Chile bereits eine bekannte und engagierte Journalistin.

Sie war Fernsehjournalistin für den Informationsdienst der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen. Vor allem aber engagierte sie sich, zu diesem Zeitpunkt bereits Ehefrau und Mutter, für die Rechte der Frauen. Gemeinsam mit anderen Journalistinnen gründete sie die Zeitschrift Paula, zu diesem Zeitpunkt die erste und einzige feministische Zeitschrift Chiles.

Daneben gab sie unter anderem eine Kinderzeitschrift heraus und war für das chilenische Fernsehen tätig, wo sie etwa die Sendung Conversando con Isabel Allende ("Gespräch mit Isabel Allende"), aber auch Diskussionsrunden moderierte. Was wir Frauen wollen ist vor allem das Buch einer Journalistin: Mit zahlreichen Daten untermauert zählt Allende auf, in welchem Ausmaß Frauen überall auf der Welt benachteiligt sind, Gewalt und Repressionen ausgesetzt sind.

Für Feministinnen und überhaupt für alle, die sich jemals mit diesem Thema auseinandergesetzt haben, birgt das wenig Neues: Die Statistiken zu (sexueller) Gewalt gegen Frauen sind bekannt, ebenso die Auseinandersetzungen zu Geburtenkontrolle und Abtreibung.

Weibliche Solidarität

Trotzdem kann man davon ausgehen (und hoffen), dass Allende noch einmal ein anderes, feministisch weniger bewandertes Publikum erreicht und dieses vielleicht für einen Kampf begeistern kann, zu dem die Autorin trotz ihres mittlerweile fortgeschrittenen Alters mit Leidenschaft aufruft: dem Kampf gegen das Patriarchat.

Ihre Hoffnungen setzt sie dabei auf weibliche Solidarität ("Millionen von ihnen könnten, miteinander verbunden, das Patriarchat beenden. Das wäre nicht schlecht. Die weibliche Energie ist unerschöpflich, ein nachwachsender Rohstoff, der nichts weiter braucht als eine Chance.") und "die jungen Leute", die neben dem Patriarchat auch noch den Klimawandel bekämpfen müssen.

Aber darin erschöpft sich der Text nicht, Allende selbst schreibt einmal, er solle ja auch "keine gelehrte Abhandlung werden, sondern eher ein ungezwungenes Plaudern sein"; und das trifft es ganz gut. Sprunghaft wechselt sie zwischen anekdotischen Geschichten über Frauen, denen diverses Unrecht widerfuhr, brutalen Fakten zu Gewalt gegen Frauen und Geschichten aus ihrem Privatleben und dem ihrer Familie.

Über weite Strecken fühlt man sich, als würden einem in Was wir Frauen wollen Fragen beantwortet, die man nie gestellt hat. Wir erfahren, dass sie früher von einer Nacht mit Antonio Banderas träumte, es jetzt aber reizvoller findet, "ausgiebig zu duschen und dann mit Roger und meinen zwei Hündinnen zwischen frisch gestärkte Laken zu schlüpfen und fernzusehen. Dafür brauche ich auch keine seidene Unterwäsche, die meine Cellulite verhüllt."

Gebrochene Dämme

Roger ist ihr Partner, auch über diese Liebesgeschichte in fortgeschrittenem Alter erfährt man einiges, ebenso wie über die Enkelkinder der Autorin, bemerkenswerterweise allesamt nichtbinär. Konsequenz ist Allendes Sache nicht, sie prangert auf der einen Seite Schönheitsnormen und Konsumindustrie an, um ein paar Seiten später zu bekennen: "Make-up ist mein bester Freund, und Kleidung hilft mir, einige Stellen zu kaschieren, wo die Dämme gebrochen und von mir unmöglich neu zu errichten sind."

Wofür man diese Dame aber einfach lieben muss, ist ihr bissiger Witz: "Den Alten ist nicht zu helfen, man muss einfach darauf hoffen, dass sie nach und nach wegsterben", schreibt sie einmal, um gleich darauf um Verzeihung zu bitten, denn: "Nicht alle alten Männer sind hoffnungslose Fälle, es gibt auch aufgeklärte Exemplare, die das Herz am rechten Fleck haben und entwicklungsfähig sind. Aber – ha! – die alten Frauen!" (Andrea Heinz, ALBUM, 7.3.2021)