Die Zukunft war für junge Menschen immer eher offen. Doch zumindest gab es absehbare Wege in Berufe. Seit einem Jahr kann von solchen konkreten Plänen kaum die Rede sein.

Die Pandemie hat die vorstellbare Zeit nach der Schule oder der Uni in weite Ferne gerückt. Sie trifft die Jungen an einer biografischen Weggabelung: Manche hinterfragen nun vielleicht den Traumjob Pilotin oder verwerfen den Plan, eine Lehre in der Hotellerie zu beginnen. Andere haben Angst vor der Leere nach dem Studium, weil sie wohl nicht so schnell einen Job finden werden.

"Die jungen Erwachsenen spüren die Krise am deutlichsten, gefolgt von den Jugendlichen", sagt Julia Bock-Schappelwein, Ökonomin am Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo). Im ersten Lockdown ist die Jugendarbeitslosigkeit explodiert: Damals verdoppelte sich fast die Zahl der unter 25-Jährigen ohne Job, mit einem Höchststand von 83.784 arbeitslosen Jungen im April. Nach einer Erholung im Sommer mit Tiefpunkt im Herbst stieg die Jugendarbeitslosigkeit im Winter wieder. "Es ist eine Wellenbewegung", sagt Bock-Schappelwein. Im Februar waren laut Arbeitsmarktservice 69.201 unter 25-Jährige arbeitslos oder in Schulung. Jene, die noch nie oder nur geringfügig gearbeitet haben, sind da nicht mitgezählt.

Das macht laut Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) einen Anteil von 9,7 Prozent arbeitslosen Jugendlichen in Österreich. Damit liegt Österreich in der EU auf Platz drei in der Europäischen Union hinter Deutschland (6,2 Prozent) und den Niederlanden (9,1 Prozent).

Heterogener Jugendarbeitsmarkt

Dennoch ist der Jugendarbeitsmarkt sehr heterogen, betont die Ökonomin: Lehrlinge; jene, die etwa nach der Matura, der Hak oder der HTL einsteigen; Berufseinsteiger mit Hochschulabschluss; Studierende im Nebenjob oder Ferialjobber. Diese Gruppen sind auch unterschiedlich betroffen. Besonders trifft es die 20- bis 24-Jährigen. Sie arbeiten nicht nur relativ oft in derzeit angeschlagenen Branchen wie Gastronomie und Beherbergung, Handel, Dienstleistungen und Arbeitskräfteverleih, sondern sie zählen zu den Angestellten, die wegen der kurzen Betriebszugehörigkeit auch als Erste gehen müssen. Junge sind auch eher prekär beschäftigt: geringfügig und befristet.

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Die Pandemie hat die vorstellbare Zeit nach der Schule oder der Uni in weite Ferne gerückt. Sie trifft die Jungen an einer biografischen Weggabelung.
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Die Beschäftigung der 20- bis 24-Jährigen lag 2020 um 5,7 Prozent unter dem Vorjahresniveau, zeigen Wifo-Berechnungen. "Auch wenn die Situation im Sommer besser war, richtig funktioniert hat es bei ihnen nicht", sagt Bock-Schappelwein. Im Jänner 2021 sank die Beschäftigung um sieben, bei den Geringfügigen um 16,8 Prozent. Letztere haben auch keinen Anspruch auf Kurzarbeit oder Arbeitslosengeld.

Aber auch Jugendliche bis 19 Jahre hatten und haben es nicht leicht. Auch weil das Angebot an Ferialjobs – wo man Erfahrungen für die Berufsorientierung sammeln oder das Taschengeld aufbessern kann – zurückblieb. Laut Wifo-Schätzungen um ein Fünftel unter 2019, aber nicht so stark wie erwartet. Im Jahresschnitt sank die Beschäftigung der unter 19-Jährigen um 3,4 Prozent. Im Jänner 2021 um 3,7 Prozent.

Rund 106.000 Jugendliche seien laut Arbeitsminister Kocher seit Beginn der Krise aus der Arbeitslosigkeit wieder in Beschäftigung vermittelt worden.

Weniger Lehrstellen

Im selben Monat gab es auch eine große Lehrstellenlücke, die mit Februar aber kleiner wurde. Da standen laut AMS 6591 Suchende 5272 sofort verfügbaren Stellen gegenüber. Das sind fast ein Fünftel weniger Stellen als 2020. Auch die Lehrstellen entwickelten sich wellenmäßig. Sie gingen aber laut der Jugendgewerkschafterin Susanne Hofer insgesamt zurück. Man dürfe neben regionalen Stellenunterschieden nicht vergessen, dass nun manche verunsichert seien, ein Jahr länger in der Schule blieben und erst später auf den Lehrstellenmarkt drängen würden.

Die Kurzarbeit konnte immerhin viele Lehrlinge vor dem Jobverlust bewahren, sagt Bock-Schappelwein. Und sicherte auch einigen Jungen die Stelle. Ob sich die Wellenbewegung der Jugendarbeitslosigkeit fortsetzt und Jobchancen enstehen, sei laut der Ökonomin von den nächsten Monaten abhängig. Die Teilbereiche des Jobmarkts brauchten aber unterschiedliche Perspektiven und Alternativen, etwa Jobs im öffentlichen Sektor, wo künftig viele in Pension gehen. Aber auch für jene, die gut ausgebildet in den Startlöchern stehen und nicht noch eine Ausbildung anfangen wollen.

Denn längere arbeitslose Phasen in der Jugend können sich später negativ auf Erwerbsstatus, Einkommen und Lebenszufriedenheit auswirken. Die Krise kann auch zur Folge haben, dass Junge eher unterqualifizierte Jobs annehmen und den Absprung nicht schaffen. Und jene, die schon vor Corona am Jobmarkt benachteiligt waren, sind es noch mehr. Ob die Krise "einen Kratzer, eine kleine oder eine sichtbare Narbe" hinterlässt, zeigt laut Bock-Schappelwein erst die Zukunft.


Wie die jeweilige Situation für die unterschiedlichen Jugendgruppen aussieht:

Maturanten: Angst vor der Lücke im Lebenslauf

Rund 42.000 Maturantinnen und Maturanten traten 2020 schriftlich in drei Fächern an, der mündliche Teil entfiel. Corona hatte die Spielregeln für die Zentralmatura geändert. Zu Beginn der Pandemie stand nicht einmal fest, ob sie überhaupt stattfindet.

Anna hat im Vorjahr an der HLW St. Pölten mit Schwerpunkt Mediendesign maturiert. Seitdem ist sie auf Jobsuche. "Manchmal fühle ich mich, als wäre die Zeit seit dem Abschluss stehengeblieben", sagt die 19-Jährige. Sie hatte zwar im Herbst einen Nebenjob im Verkauf in Aussicht – dann kamen der zweite und der dritte Lockdown. Wie viele andere hat sie sich wegen der Unsicherheit am Arbeitsmarkt für ein Studium entschieden. Das könnte auch für viele des bald zweiten Corona-Maturajahrgangs mangels Alternativen eine Option sein.

Auch in Annas Umfeld beschäftigt die Jobsuche viele. Die größte Sorge: dass die Erfahrung, die jetzt nicht gesammelt werden könne, später im Lebenslauf fehle. Die mangelnde Berufserfahrung sei nämlich ein häufiger Absagegrund.

Lehrlinge: Unsicherheit und fehlende Lehrstellen

Die Anzahl der Lehrstellen ist im Vorjahr insgesamt zurückgegangen. Und 8000 Jugendliche sind derzeit in einer überbetrieblichen Lehrausbildung und somit auf der Suche nach einem Betrieb, der sie ausbildet.

Eine davon ist Julia. Die 16-jährige Wienerin sucht seit Februar 2020 nach einem Ausbildungsplatz. "Im Frühjahr und Sommer habe ich nur Absagen bekommen, weil in vielen Unternehmen keine Lehrlinge aufgenommen wurden. Im September konnte ich dann zum Glück meine Mechatronik-Lehre über das AMS beginnen", sagt sie.

Doch auch jene, die sich schon in einem Lehrbetrieb befinden oder vor dem Abschluss stehen, haben es gerade nicht einfach. "Viele haben Angst vor der Abschlussprüfung und ihrer Zukunft am Arbeitsmarkt", sagt Susanne Hofer, Vorsitzende der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ). Einige Betriebe würden sich für ihre Lehrlinge einsetzen und versuchten trotz Krise und Kurzarbeit, eine gute Ausbildung sicherzustellen. Das sei aber nicht immer der Fall.

Studierende: Finanzielle Probleme und Praxiserfahrung

Neben der Ausbildung jobben, um sich diese leisten zu können, oder erste Erfahrung in der zukünftigen Branche sammeln: Das gehörte für viele Studierende bislang zum Unileben dazu. Gerade in der Gastronomie und im Verkauf, aber auch im Dienstleistungs bereich sind Corona-bedingt viele Nebenjobs verlorengegangen – und damit auch das Einkommen vieler.

Viele Studierende leiden derzeit unter finanziellen Problemen: Wer geringfügig gearbeitet und den Job verloren hat, schaut jetzt durch die Finger. Anspruch auf Arbeitslosengeld gibt es nicht, nicht alle haben Eltern, die unterstützen können. Und wer Studiengebühren zahlen muss – die nur im vergangenen Sommersemester erlassen wurden –, steht vielleicht vor der Frage: Weiterstudieren oder mit dem Geld die Miete bezahlen?

Doch auch die Praktikumsplätze sind umkämpft, erzählt die Kunststudentin Lisa. Die 22-Jährige will im Kreativbereich das im Studium Erlernte in die Praxis umsetzen, "aber niemand gibt mir eine Chance".

Berufseinsteiger: Erschwerter Einstieg am Arbeitsmarkt

Einstiegsjobs sind rar: Wegen der unsicheren Wirtschaftslage, Kurzar beit, geringer Aufträge oder Home office zögern viele Unternehmen mit Neueinstellungen. Und wenn Stellen ausgeschrieben werden, dann gehen sie auf Nummer sicher und suchen Kandidatinnen und Kandidaten, die mehr Arbeitserfahrung haben.

In manchen Branchen, etwa in der IT, wird allerdings gesucht und nach erfolgreichem virtuellem Bewerbungsgespräch eingestellt. So war es auch bei Daniel: Der 29-Jährige hat den Master in Technischer Physik im November abgeschlossen und knapp drei Monate im Bereich Data-Science und Softwareentwicklung gesucht. "Im Gegensatz zu anderen Branchen war die Suche bei mir bestimmt einfacher", sagt Daniel, der im März als Softwareentwickler angefangen hat. Doch Onboarding im Homeoffice gestaltet den Einstieg für viele Absolventen dennoch nicht unbedingt leicht. (Anika Dang, Selina Thaler, 6.3.2021)