Die chinesische Führung festigt ihre Kontrolle über Hongkong und drängt die Demokratiebewegung in der Sonderverwaltungszone weiter zurück.

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Peking – Chinas Führung hat bei dem am Freitag begonnenen Nationalen Volkskongress Pläne für eine umfassende Wahlreform in der Sonderverwaltungszone Hongkong vorgestellt. Demnach soll das Wahlkomitee, das die Regierungsspitze in Hongkong bestimmt, so verändert werden, dass Peking noch mehr Einfluss erhält.

Regierungschef Li Keqiang eröffnete am Freitag die Plenarsitzung des Volkskongresses. Die 3.000 Delegierten sollen die "Reform" im Lauf der auf eine Woche angesetzten Sitzung absegnen. Damit dürften die Wahlen in Hongkong um ein weiteres Jahr auf September 2022 verschoben werden, berichteten mehrere Medien.

Mit der Wahlreform soll der Einfluss der demokratischen Opposition in Hongkong weiter beschnitten werden. Peking will sicherstellen, dass die Sonderverwaltungsregion "von Patrioten regiert" wird, wie ein Parlamentssprecher sagte.

Medienberichten zufolge soll in dem Wahlkomitee, das die Führung Hongkongs bestimmt, der Anteil der Peking-treuen Mitglieder erheblich aufgestockt werden. Gleichzeitig wird damit gerechnet, dass die Rolle der Bezirksräte verringert wird. Sie haben ohnehin kaum Macht, stehen aber exemplarisch für die Stimmung in der Bevölkerung, da sie demokratisch gewählt werden. 2019 errangen Kandidaten aus dem Lager der Demokratieverfechter fast 90 Prozent der Mandate, was einem Gesichtsverlust für das Establishment gleichkam.

Ein Land, ein System?

Nach dem Erlass des umstrittenen Sicherheitsgesetzes im vergangenen Juli, das sich gegen die Opposition richtet, ist die Änderung des Wahlsystems ein weiterer Schlag für das bisher freiheitliche System in der eigentlich autonom verwalteten früheren britischen Kronkolonie, die 1997 an China zurückging.

Ursprünglich war Hongkong bei der Übergabe an China für mindestens 50 Jahre eine Autonomie nach dem Prinzip "Ein Land, zwei Systeme" zugesagt worden. Nach Massenprotesten hat China jedoch ein sogenanntes Sicherheitsgesetz verabschiedet mit dem Ziel, Abspaltung, Subversion, Terrorismus und Einmischung aus dem Ausland zu bekämpfen. Kritiker sprechen von einem tiefen Eingriff in die Autonomie.

Die EU kritisierte am Freitag umgehend den angekündigten Umbau des Wahlsystems: "Solch eine Reform würde potenziell weitreichende negative Konsequenzen für demokratische Prinzipien und demokratisch gewählte Vertreter in Hongkong haben". Mit dem Vorhaben würden zudem getroffene Zusagen nicht eingehalten, wonach der halbautonome Status Hongkongs gewahrt bleiben soll. "Die EU steht bereit, zusätzliche Schritte zu ergreifen als Reaktion auf eine weitere ernsthafte Verschlechterung der politischen Freiheiten und Menschenrechte in Hongkong, die gegen Chinas nationale und internationale Verpflichtungen verstoßen würde," hieß es in der Aussendung.

Militärausgaben steigen

Vor dem Hintergrund der wachsenden Spannungen mit den USA, Indien, Taiwan und im umstrittenen Südchinesischen Meer kündigte Chinas Regierung auf dem Volkskongress zudem an, seine Militärausgaben in diesem Jahr um 6,8 Prozent steigern zu wollen. Damit wachsen die Ausgaben für das Militär wieder deutlich schneller als der Gesamthaushalt. Im Vorjahr hatte die Steigerung trotz Corona-Krise 6,6 Prozent ausgemacht. "Die strategischen Fähigkeiten des Militärs, die Souveränität, Sicherheit und Entwicklungsinteressen unseres Landes zu schützen, werden ausgebaut", sagte Premier Li Keqiang.

In den Kontroversen um Hongkong und Taiwan sprach Li Keqiang deutliche Warnungen aus. In seiner einstündigen Rede wandte er sich gegen "eine Einmischung externer Kräfte" in Hongkong. Auch werde Chinas Führung entschieden gegen "separatistische Aktivitäten" in Taiwan vorgehen, die eine Unabhängigkeit suchen. Peking betrachtet den demokratischen und freiheitlichen Inselstaat als Teil der Volksrepublik und droht mit einer Eroberung.

Globaler Wettbewerb

Trotz der globalen Rezession durch die Corona-Pandemie will China heuer ein starkes Wirtschaftswachstum von mehr als sechs Prozent erreichen. Um unabhängiger vom Ausland zu werden, unterstrich Regierungschef Li Keqiang die Notwendigkeit, der Entwicklung der heimischen Wirtschaft Vorrang zu geben. Auch sollen eigene Innovationen stärker als bisher gefördert werden, um technologische Abhängigkeiten vom Rest der Welt zu verringern.

Eine wichtige Neuausrichtung ist das Konzept der "zwei Kreisläufe", in dem die inländische Zirkulation gefördert werden soll. Damit will sich China angesichts der Sanktionen der USA und der globalen Krise selbstständiger machen. Im Rahmen des Fünf-Jahres-Plans solle die Strategie verfolgt werden, "die Binnennachfrage auszubauen, die strukturellen Reformen auf der Angebotsseite zu intensivieren und mit innovationsgetriebener Entwicklung und qualitativ hochwertigen Angeboten neue Nachfrage zu generieren", sagte Li Keqiang.

Innovation bleibe das Herzstück der Modernisierungsoffensive. "Wir werden unsere Wissenschaft und Technologie stärken, um die Entwicklung Chinas strategisch zu unterstützen", gab der Premier vor. Auch die Digitalisierung solle weiter beschleunigt werden. Die Ausgaben in Forschung und Entwicklung sollen jährlich um mehr als sieben Prozent steigen. Der Anteil an der Wirtschaftsleistung soll höher klettern als im alten Fünf-Jahres-Plan. (APA, Reuters, red, 5.3.2021)