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Größer, farbechter, reich an Features: Neue TV-Geräte überschwemmen jährlich den Markt.

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/David Becke

Bereits 2015 warnte der südkoreanische Elektronikhersteller Samsung Nutzer davor, Privates vor dem Smart TV zu besprechen. Gespräche würden nämlich gespeichert und weitervermittelt werden. Geschadet hat das der Entwicklung von Smart TVs nicht. Jeder Hersteller wirbt weiterhin mit den vielen Möglichkeiten, die Käufer freut es. Datenschutz wird gerne der Bequemlichkeit geopfert. Da nimmt man auch in Kauf, dass mitgehört, mitgefilmt und fast immer auch die gesammelten Daten inklusive IP-Adresse an Dritte verkauft werden. Oder sind wir uns dieses Status quo gar nicht so bewusst?

Bequemlichkeit gewinnt immer

Klassisches Fernsehen wirkt für viele genauso antiquiert, wie eine Blu-ray aus dem Regal zu ziehen und einzulegen. Lieber eine App wie Netflix, Youtube oder Prime Video starten – das geht schneller, und die Auswahl ist größer. Dazu blenden moderne TV-Geräte immer wieder Empfehlungen ein, die zu den aktuell konsumierten Inhalten passen, und Sprachkommandos gehören ebenfalls zum guten Ton.

Die Sprachkommandos verarbeiten Devices von Apple, Amazon und Google, und man weiß schon seit Jahren, dass diese Devices Gespräche beziehungsweise bestimmte "Reizwörter" mitschneiden. Im Fall von Amazons Alexa ist zudem bekannt, dass oft auch der Ton im Raum aufgezeichnet wird, ohne dass man den Dienst aktiv gestartet hat. Die US-Bundespolizei FBI merkte dazu 2019 an: "Abseits des Risikos, dass Ihr TV-Hersteller und die App-Entwickler Sie belauschen und filmen, ist das Gerät auch ein möglicher Zugang für Hacker zu Ihrem Zuhause." Im schlimmsten Fall können diese virtuellen Einbrecher die Schlafzimmerkamera aktivieren und die Bewohner "cyberstalken".

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Die Spracherkennung Alexa ist heute schon in vielen TV-Geräten und Soundbars eingebaut.
Foto: Reuters, Elijah Nouvelage

Stichwort: ACR

Ein weiteres Feature moderner TV-Geräte ist die Automatic Content Recognition (ACR), also die automatische Inhaltserkennung. Samsung erklärte die Thematik in seinen Nutzungsbedingungen im Jänner 2021 folgendermaßen: "Um Sie mit personalisierten Smart-TV-Inhalten zu versorgen, greifen manche unserer Services auf Ihr Nutzungsverhalten und Ihre Sehgewohnheiten zurück. Ihre Sehgewohnheiten der Vergangenheit beinhalten TV-Sender, Websites sowie Apps und die von Ihnen darin verbrachten Zeiträume. Wir erlauben uns, mit Automatic Content Recognition und anderen Technologien diese Informationen festzuhalten."

Mit diesen Informationen wirbt Samsung bei Werbepartnern und sprach bereits 2020 von 50 Millionen TV-Geräten, die genau diese Daten von Nutzern sammeln.

In der Praxis heißt das: Von dem Moment an, wo man das TV-Gerät aufdreht, wird alles aufgezeichnet und an Dritte gesendet beziehungsweise verkauft. Diese dritte Partei hat jetzt eine IP-Adresse, die oftmals zu einem Namen zurückverfolgt werden kann und mit der man jegliche Sehgewohnheiten verbinden kann. Kauft diese Partei dann noch anderswo Daten zu, können gleich die Sehgewohnheiten am Tablet, Smartphone und PC hinzugefügt werden.

IP-Adressen können von datensammelnden Firmen auch mit Smartphone und Laptop verknüpft werden.
Foto: AFP, Olivier Douliery

Das hierzulande weniger bekannte US-Unternehmen Vizio, Hersteller von TV-Geräten und Soundbars, schreibt in seinen Datenschutzbestimmungen: "Wenn ACR aktiviert ist, dürfen wir die von Ihnen gesammelten Daten mit unseren Partnern teilen. Das können Analysefirmen, Mediengesellschaften oder Marketingfirmen sein. Die Daten zu Ihren Sehgewohnheiten können manchmal mit demografischen Daten des Haushalts und digitalen Daten verknüpft werden. Ein Beispiel sind digitale Einkäufe und andere Nutzergewohnheiten, die mit der uns zur Verfügung gestellten IP-Adresse verknüpft werden können."

Hier wächst der Datenberg plötzlich von der einfachen Youtube-Nutzung über das Einkommen bis hin zu politischer Zugehörigkeit und einer möglichen Lieblingspornoseite.

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Die Auswahl an Apps wächst mit jedem Jahr.
Foto: Reuters, Eric Gaillard

Ohne Internet

Ein weiteres Risiko sind fehlende Updates. Bereits nach drei Jahren stellen viele Hersteller den Support älterer Geräte ein, wodurch sich neue Sicherheitslücken ergeben und speziell TV-Geräte mit Kamera und Mikrofon für Hacker zur direkten Einladung mutieren. Empfehlenswert sind hier etwa Streaming-Sticks, die einen nunmehr dummen Fernseher wieder smart machen. Dadurch, dass sie von dem Gerät entkoppelt sind, können User sie leicht ersetzen, falls sie nicht mehr mit Updates versorgt werden.

Der einfachste Weg, sich diesen Datendieben zu entziehen, wäre es, das Internet vom TV-Gerät zu entkoppeln. Wer ohnehin eine große Blu-ray-Sammlung hat oder für die Internetnutzung den Laptop an den Fernseher hängt, der kann das tun. Alle anderen werden wohl kaum auf ihre Lieblings-Apps verzichten wollen. Eine Alternative ist, zumindest ACR zu deaktivieren. Diese Funktion ist bei den meisten Herstellern sehr gut versteckt und bei jedem Hersteller in einem anderen Untermenü. "Consumerreports" hat für die meisten Hersteller eine Anleitung geschrieben, wie man dieses Untermenü findet.

Sprachsteuerung und personalisierte Inhalte sind komfortable Features, auf die viele nicht mehr verzichten wollen. Man sollte sich jedoch immer wieder bewusst machen, dass gerade diese Dinge aus Datenschutzsicht einen sehr hohen Preis haben. (aam, 5.3.2021)