Das Semester hatte gerade begonnen, den Frühling konnte man fast schon riechen. Urlaube, Partys, Auslandsaufenthalte waren fix eingeplant. Kurzum: Alles, was zum Jungsein dazu gehört, sollte auch 2020 stattfinden. Dann kam Corona – und sorgte bei jungen Menschen für eine Zäsur in jener Zeit im Leben, über die man später oft mit glänzenden Augen erzählt.

Dies ist eine Geschichte über verschobene Auslandsaufenthalte, verpasste Chancen und die immer gleiche Aussicht. Aber es ist auch eine Geschichte über jene Form von Optimismus, wie sie nur aus einer Krise erwächst. Dies ist die Geschichte von Emilia, Lorena, Caroline und David.

Emilia (20) hat inmitten der Pandemie ein Unternehmen gegründet.
Foto: Helena Lea Manhartsberger

Emilia

"Die Pandemie ist das Beste, was mir je passiert ist", sagt Emilia (20). Im Wintersemester 2020 ist sie ins The Student Hotel im zweiten Bezirk in Wien gezogen. Ihre Mutter, bei der sie zuvor wohnte, ist lungenkrank, also Teil der Risikogruppe. "Ich wollte nicht allein sein, falls wieder ein Lockdown kommt", erzählt die Studentin.

Die Rechnung ging auf. Allein ist sie hier nur selten. Unten in der Lobby spielen zwei Männer mit Mundschutz Tischtennis. In Nischen sitzen Bewohnerinnen, die lernen. 450 überwiegend internationale Studierende leben hier – und doch kennt jeder jeden, zumindest begrüßt man einander so.

Die Wohnungen sind klein. Auf 28 Quadratmetern sind Emilias Küche, Bad, Schlafzimmer und Arbeitsbereich untergebracht. Für die gelernte Köchin war das Hantieren mit Miniherd und ohne Geschirrspüler schwierig. Sie begann, montags vorzukochen, um sich an den anderen Tagen die Arbeit zu ersparen. Im Kühlschrank stapelten sich die Speisen für die ganze Woche. "Irgendwann haben meine Freunde aus dem Student Hotel den Kühlschrank aufgemacht und gefragt: Was bitte machst du da?"

Nachdem sie das Konzept des "Meal Prepping" – also des Vorkochens – erklärt hatte, waren Abnehmer gefunden. So begann Emilia, für andere vorzukochen. 15 Leute waren es nach nur einer Woche. Die Einkäufe konnte sie da nicht mehr allein heimtragen, ihre Küche war zu klein. Emilia entschied sich inmitten der Pandemie, ein Unternehmen zu gründen. Mit Rosa& Blau Food kocht sie jetzt für 30 Menschen – mittlerweile sogar professionell in einer Industrieküche.

Lorena (22) hat auch ihre Corona-Erkrankung im Studentenheim verbracht.
Foto: Helena Lea Manhartsberger

Lorena

Auch Lorena (22) verbringt die Pandemie in einem Studentenheim. Im Herbst zog die Kroatin für ihr Studium an der TU nach Wien. Seither spielt sich ihr Leben großteils auf zehn Quadratmetern in einem Stuwo-Studentenheim in Simmering ab, Küche und Bad teilt sie sich mit einer Mitbewohnerin.

Hier findet nicht nur ihr Uni-Leben und ihr virtuelles soziales Leben statt. Hier hat sie jüngst auch eine (milde) Corona-Erkrankung erlebt. "Mein schlimmstes Symptom war das Zuhausebleiben", sagt Lorena. 18 Tage saß sie in ihrem Zimmer und schaute aus dem großen Fenster hinüber zum Nachbarhaus: "Die Nachbarn kenne ich mittlerweile alle", sagt sie.

Wie man das aushält? "Mit Routine." Lorenas Tage sind genau durchgetaktet. Vormittags stehen Uni-Lehrveranstaltungen im Stundenplan auf ihrer Pinnwand. Dieser hängt neben bunten Post-its mit motivierenden Sprüchen, die sich Lorena regelmäßig im Internet zusammensucht. Nachmittags sind Sport und Spaziergänge eingeplant.

Doch es gibt Grund zur Hoffnung: Zumindest eine Lehrveranstaltung könnte bald hybrid stattfinden. "Universität ist nicht nur das Studium", sagt Lorena. Es gehe dabei auch um die Menschen, die sie bisher fast nur über Zoom kennengelernt hat. Noch etwas stimmt sie optimistisch: Die Sonne scheint nun immer öfter in ihr Zimmer herein: "Ich hoffe, dass jetzt alles besser wird."

Caroline (20) zog vor einigen Monaten wieder bei ihrem Vater ein, weil ihre Lehrveranstaltungen alle online stattfinden.
Foto: Helena Lea Manhartsberger

Caroline

Auch Caroline (20) sieht ihre Mitstudierenden nur virtuell. Sie zog im Herbst für ihr Studium nach Steyr. "Am Anfang hatten wir Präsenzunterricht, aber im November sind wir auf Fernunterricht umgestiegen", erzählt sie. So saß sie plötzlich allein in ihrer Wohnung.

Irgendwann kam die Einsamkeit – und der Entschluss, zu ihrem Vater zu ziehen, wo aus dem Gästezimmer seiner neuen Wohnung in Oberlaa ein Gästekinderzimmer wurde. Dafür wurden alte Schulbücher in den Regalen mit den aktuellen Büchern für das Studium ersetzt, neue Bilder an die Wand gehängt.

Mittlerweile ist die Vater-Tochter-WG eingespielt: "Das Kochen übernehme meistens ich, das Putzen mein Papa", sagt Caroline. Eine Rückkehr zu Präsenzveranstaltungen wünscht sie sich trotzdem. Im Herbst wäre ein Auslandssemester in Brüssel oder Schweden geplant. Die Entscheidung fällt bald: "Hoffentlich wird das was."

David

Bei David (22) hat das Auslandssemester zwar geklappt, aber nicht so, wie er es sich vorgestellt hat. Seit Weihnachten studiert er in Kopenhagen – in Form von Online-Lehrveranstaltungen, die er bisher aus seiner WG in Wien besuchte. "Ich mache mein Erasmus-Semester vom Schreibtisch aus", fasst er zusammen. Die Zoom-Veranstaltungen mit der Uni in Wien wurden mit jener in Kopenhagen ersetzt. Die Uni sei aber bemüht, dass man einander virtuell kennenlernt.

Vor wenigen Tagen hat David seine Koffer in Wien aber gepackt – und ist zu seinen Eltern nach Vorarlberg gefahren. Von dort möchte er ab April endlich nach Kopenhagen. Die Wohnungssuche läuft. Den Sommer will er auch in Dänemark verbringen. Vielleicht sei es am Ende gut, wie es gekommen ist: "Im Winter ist es in Kopenhagen eh kalt. Wenn ich dafür im Sommer bleiben kann, ist das die bessere Variante."

"Ich wollte nicht allein sein", sagt Emilia – ihre Rechnung ist aufgegangen.
Foto: Helena Lea Manhartsberger

David, Caroline, Lorena, Emilia – ja, wir alle – wissen nach einem Jahr Corona: Die Zukunft ist nicht planbar. Aber dies eröffnet neue Möglichkeiten. "Don’t be afraid to start all over again" steht auf einem der Post-its über Lorenas Schreibtisch. "You may like your new story better." Wir wollen es hoffen. (Text: Franziska Zoidl, Fotos: Helena Lea Manhartsberger, 9.3.2021)