Harry und Meghan – hier auf einem Archivbild vom November 2017 – haben sich vom Königshaus verabschiedet. Heute könnte die Kluft kaum größer sein.

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Ist der Bruch schon endgültig? Mit gegenseitigen Vorwürfen wie "Mobbing" und "Unwahrheiten" widmeten sich die PR-Teams des abtrünnigen Prinzen Harry und seiner Frau Meghan Markle sowie des britischen Königshauses einem furiosen Wettstreit um die Gunst der globalen Öffentlichkeit. Immer neue Vorabszenen aus der umfangreichen Fernsehbeichte des Herzogpaares von Sussex gegenüber der Talkkönigin Oprah Winfrey versetzten die Londoner Medien in Aufregung. Die für den frühen Montagmorgen europäischer Zeit zur Ausstrahlung vorgesehene Sendung dürfte nicht zur Deeskalation beitragen.

Dass der Sechste der britischen Thronfolge, 36, und seine 39-jährige Gattin einem Millionenpublikum ausführlich über ihre Entfremdung von der Windsor-Dynastie und ihren Umzug nach Kalifornien Auskunft geben würden, trug vergangenen Monat zur Besiegelung des "Megxit" bei. In ungewohnt harschen Worten ließ Queen Elizabeth II mitteilen, die Absenz des Glamourpaares von der täglichen Arbeit als Mitglieder des Königshauses habe automatisch die Aufgabe sämtlicher Ehrentitel und Schirmherrschaften zur Folge. Bekanntermaßen hatte der Afghanistan-Veteran Harry an seiner Rolle als Ehrengeneral der Royal Marines festhalten wollen.

PR gegen die "Firma"

Seither tobt in den von beiden Seiten ungeliebten Medien eine zunehmend härter geführte Auseinandersetzung. Zunächst brachte das Herzogpaar seine PR-Berater frontal gegen das Oberhaupt der verächtlich "Firma" genannten Dynastie in Stellung. "Wir alle können dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Dienst ist universal." Diese Erklärung sorgte in London für Konsternation. Zwei Tage später widmete sich die Titelgeschichte der "Sunday Times", ganz offenbar mit Billigung des Zitierten, der Gefühlslage von Harrys Bruder, dem 38-jährigen Prinz William: Der Zweite der Thronfolge sei "richtig traurig und schockiert", ja zornig über seinen jüngeren Bruder.

Zuletzt dominierten immer neue Zitate aus der insgesamt 90-minütigen Winfrey-Therapiesitzung die Klatschspalten – bis die "Times" diese Woche mit einem Donnerschlag aufwartete. Das wie ihre Sonntagsschwester zum Imperium des monarchiekritischen US-Verlegers Rupert Murdoch gehörige Blatt veröffentlichte umfangreiche Mobbingvorwürfe gegen die Herzogin: Die Schauspielerin ("Suits") Meghan habe mit Anrufen im Morgengrauen und Wutanfällen mehrere Mitarbeiterinnen zur Verzweiflung, ja zur Aufgabe ihrer Jobs gebracht.

Die derart Beschuldigte äußerte sich im weichgespülten PR-Sprech "traurig" über die Vorwürfe und reklamierte den Opferstatus als Drangsalierte für sich. Als tags darauf der Palast eine Untersuchung der Vorgänge aus dem Jahr 2018 bekanntgab, mobilisierte Meghan ihre Hilfstruppen. "Die Güte steckt ihr in den Knochen", dichtete Schulfreundin Lindsay Roth. "Suits"-Drehbuchautor Jon Cowan verwies auf seine Erfahrungen mit der "warmen, freundlichen, mitfühlenden" Schauspielerin und ließ amerikanische Skepsis gegenüber dem Königshaus anklingen: "Könnte auch sein, dass die Herzogin eine gute Person ist, die in eine unvorstellbare Welt geschubst wurde."

"Anarchisten" im Palast

Extrem kritisch bewertet ein erfahrener Kenner der Materie die Situation. "Die Anarchisten haben den Palast übernommen", glaubt Peter Hunt. Der heute als Direktor beim Nationalen Gesundheitssystem NHS arbeitende Engländer war ein Jahrzehnt lang Königshauskorrespondent bei der öffentlich-rechtlichen BBC. In einem Interview mit seinem früheren Arbeitgeber wertete Hunt die Untersuchung der alten Mobbingvorwürfe als brandgefährlich. Zu Recht werde die Öffentlichkeit Auskunft darüber verlangen, warum der Sache nicht viel früher nachgegangen worden sei. Die Ursache der Eskalation sieht der "royal watcher" im "beschädigten, vergifteten" Verhältnis der beiden Brüder. William und Harry könnten den Konflikt entschärfen, wenn sie nur wollten: "Es herrscht Krieg zwischen zwei Brüdern und ihren Bevollmächtigten."

Womöglich bedarf es am Ende eines Machtwortes der 94-jährigen Monarchin selbst. Eine gute Nachricht wird Elizabeth II am Freitag immerhin aufgemuntert haben: Ihr Prinzgemahl Philip konnte nach erfolgreichem Eingriff am Herzen aus einer Spezialklinik in ein normales Krankenhaus verlegt werden. Offenbar ist der Herzog von Edinburgh entschlossen, seinen 100. Geburtstag im Juni nicht zu verpassen. (Sebastian Borger aus London, 6.3.2021)